Das Zentralorgan der AfD
1986 hat Dieter Stein die „Junge Freiheit“ als Schülerzeitung gegründet. Seither bemüht er sich, einen Wechsel in Deutschland herbei zu schreiben. Fort vom vermeintlich linksliberalen Mainstream, hin zu einer nationalkonservativen Politik. „Bei aller Skepsis: Diesmal hoffe ich“, sagt Dieter Stein über die AfD. Die Partei und seine Zeitung teilen nicht nur Inhalte. Es gibt auch personelle Überschneidungen.
Die AfD sei aufgestiegen wie „ein Phönix aus der Asche“, schreibt Chefredakteur Dieter Stein in seinem ersten Kommentar über die neue Partei. Das ist im März 2013, die AfD wurde soeben gegründet, noch ist das Hauptziel der Partei, aus dem Euro auszutreten. Bis zum Führungswechsel Mitte 2015 unterstützt Stein den wirtschaftsliberalen AfD-Flügel um Bernd Lucke und sieht er in der AfD eine bürgerliche, nationalkonservative Partei. Den völkischen Flügel um Björn Höcke lehnt er ab.
Bis heute setzt Chefredakteur Stein große Hoffnungen in die Partei. Regelmäßig bestimmt die AfD die Titelseite der „Jungen Freiheit“, die sich selbst „Wochenzeitung für Debatte“ nennt.
Faktenbox: Junge Freiheit
- Gegründet: 1986
- Besitzer: Dieter Stein u.a.
- Chefredakteur: Dieter Stein
- Reichweite: 28.000 verkaufte Zeitungen pro Woche (IVW-geprüft)
Nähe zur AfD
Stein gründet die „Junge Freiheit“ als Schülerzeitung, 1986 in Freiburg. Später lässt er sie vor allem von Burschenschaftern gratis an Universitäten verteilen. 1990 gründen zehn Hauptautoren die Junge Freiheit Verlag GmbH, seit 1994 erscheint die Zeitung im Wochenrhythmus. Mittlerweile hat die „Junge Freiheit“ eine IVW-geprüfte, harte Auflage von 28.000 verkauften Exemplaren.
Von den zehn Hauptautoren aus der Gründungszeit sind heute nur noch drei dabei, inklusive Stein. Der Rest verlässt die „Junge Freiheit“. Wie Martin Schmidt, der heute für die AfD in Rheinland-Pfalz im Parlament sitzt. Oder Hans-Ulrich Kopp, ein extrem rechter Burschenschafter. Er verlässt die „Junge Freiheit“ aus Protest nach einem Streit über den Redakteur Andreas Molau. Der veröffentlichte einen Artikel von Armin Mohler, einem Autor der Konservativen Revolution*. Stein feuert Molau. Kopp hätte ihn gern in der Redaktion behalten.
Zu den Pionieren gehört auch Peter Kienesberger, der in den 1960er Jahren in Italien mehrfach zu lebenslänglichen Freiheitsstrafen verurteilt wurde – wegen eines terroristischen Anschlags mit vier Toten. Der Österreicher kämpft damals für eine Abspaltung Südtirols. In seinem Heimatland wird er freigesprochen. Österreich liefert ihn nicht an Italien aus, dem Gefängnis entgeht er dadurch. In den 1970er Jahren zieht Kienesberger nach Deutschland. Der bayerische Verfassungsschutz nennt ihn in einer Broschüre, da er rechtsextremistisches Gedankengut verbreitet. Er ist bis zu seinem Tod 2015 Mitgesellschafter der Jungen Freiheit Verlag GmbH.
Die „Junge Freiheit“ bezeichnet sich selbst als „national, liberal und konservativ“. Vier Werte, so das Leitbild, stehen im Mittelpunkt: Nation, Freiheitlichkeit, Konservatismus, Christentum. Die Zeitung wolle dazu beitragen, aus Deutschland wieder eine selbstbewusste Nation zu machen. „Wir wollen ein positiveres Verständnis von der deutschen Geschichte vermitteln“, sagt Dieter Stein im Interview mit CORRECTIV.
Der brandenburgische AfD-Landesvorsitzende Alexander Gauland hat gesagt: „Wer die AfD verstehen will, muss die ,Junge Freiheit’ lesen.“ Tatsächlich liest sich das AfD-Parteiprogramm, als sei es aus den Themen der Wochenzeitung destilliert: Schließt die Grenzen; Vorsicht vor kriminellen Ausländern; Schluss mit der Massen-Zuwanderung; Rettet die traditionelle Familie.
Einige aktuelle Schlagzeilen
Wer die „Junge Freiheit“ regelmäßig liest, stößt auf Schlagzeilen wie:
- „Mutmaßlicher Vergewaltiger trotz Vorstrafe nicht abgeschoben.“
- „Aus Rücksicht auf Flüchtlinge – Chor verzichtet auf christliche Weihnachtslieder“
- „China brüllt und Deutschland kuschelt“
- „Grünen-Mitglieder in Pädophilen-Kreisen verstrickt“
- „Dutzende Heiligenfiguren geschändet“ (verdächtigt werden „sechs Islamisten“)
- Oder auch: „Frauen-Gang verletzt Mann schwer.“
Mit dem Aufstieg der AfD steigt auch die Auflage der „Jungen Freiheit“. Besonders nach politischen Großereignissen schnellt die Kurve der Probe-Abos nach oben. Zum Beispiel im September 2015, als „Merkel die Grenzen öffnet“. Nach der Silvesternacht in Köln. Nach den Attentaten in Nizza, Würzburg und Ansbach. Allein 2015 steigt die verbreitete Auflage um fast 40 Prozent auf über 35.000 Exemplare. Offenbar trifft das Blatt trifft genau den Ton, den AfD-Wähler suchen und in den so genannten „Mainstream-Medien“ vermissen.
Lederpeitschen brechen Kinderseelen
Eines der zentralen Themen der „Jungen Freiheit“ ist der Kampf gegen das „Gender-Mainstreaming“. Es gibt eine eigens erstellte Broschüre zum Thema, Untertitel: „Kinderseelen werden gebrochen – empörte Bürger wehren sich“. Man sieht eine grüne Schultafel, auf der mit Kreide geschrieben steht: „Gender, Dildo, Lederpeitsche, Gruppensex“. Vor der Tafel: ein etwa Dreijähriger mit gestreiftem Lätzchen, der sich die Augen zu hält. Im Begleittext erfahren wir, dass „über die Lehrpläne bereits Grundschüler mit der Gender-Ideologie indoktriniert werden“, dass schon „die Kleinsten ihr Geschlecht hinterfragen“ und den „Umgang mit Sexspielzeug erlernen“ sollen. Das stimmt so zwar nicht. Aber die „Junge Freiheit“ behauptet dennoch: „So werden schwere Persönlichkeitsstörungen geradezu vorprogrammiert.“ Man kann das Pamphlet gratis bestellen, zu 25, 50 oder 100 Stück, und die Website vermeldet dazu in einem Banner: „Riesenerfolg! Bereits über 1,36 Mio. Broschüren verteilt.“ Ob die Zahl stimmt, lässt sich nicht überprüfen.
Auch personelle Überschneidungen gibt es zwischen der AfD und der „Jungen Freiheit“. Mehrere ehemalige Autoren sind heute als Sprecher oder Abgeordnete bei der AfD. „Das war natürlich ein Schlag – besonders, als gleich drei Leute hintereinander gegangen sind“, sagt Chefredakteur Stein im Interview. Etwa Marcus Schmidt, heute Sprecher der Brandenburger AfD-Fraktion. Stein sagt, er sei kein Freund davon, dass seine Leute zur AfD wechseln. Auch zu anderen Parteien sollen sie nicht wechseln. Ronald Gläser dagegen wurde im September 2016 zum AfD-Abgeordneten ins Berliner Abgeordnetenhaus gewählt und firmierte noch im November 2016 als verantwortlicher Redakteur für Medien bei der „Jungen Freiheit“.
Gretchenfrage: Wie hältst du’s mit der NPD?
Auch Götz Kubitschek, inzwischen einer der Vordenker der Neuen Rechten, hat seine Karriere bei der „Jungen Freiheit“ begonnen. Im Jahr 2000 gründet er das Institut für Staatspolitik, 2003 das Magazin „Sezession“, heute gehört er zu den Stichwortgebern etwa von AfD-Rechtsaußen Björn Höcke.
Mittlerweile haben sich Stein und Kubitschek aber auseinandergelebt. Unter anderem wegen des Umgangs mit der NPD. Dieter Stein sagt, er sehe die Rechtsextremen als politischen Gegner. Kubitschek hingegen habe sich nicht konsequent gegenüber der NPD abgrenzen wollen; er „kokettiert mit faschistischen Ideen“, sagt Stein. Kubitschek kommentiert dies auf Anfrage lediglich mit der Bemerkung: „Wenn der Dieter das meint und wenn es ihm guttut, dies zu äußern: bitte, ich verstehe den Impuls.“ Ansonsten möge man doch bitte den SPIEGEL von Mitte Dezember lesen. Dort finde sich „der etwas intelligentere Blick auf mich als Person, auf meine Position und auf unsere Arbeit“, teilt Kubitschek per E-Mail mit.
Seit seiner Jugend hoffe er auf eine politische Kraft rechts der CDU, sagt Dieter Stein. Deshalb sei er auch den „Republikanern“ beigetreten, aus Enttäuschung aber auch wieder ausgetreten. Auch der Bund Freier Bürger und die Schill-Partei verschwanden. Nun also die „Alternativ für Deutschland“. Über die AfD sagt Stein bereits 2013: „Bei aller Skepsis: Diesmal hoffe ich“. Und das gilt bis heute. Stein vergleicht die AfD gern mit den Grünen. Bei denen habe es ja auch ewig gedauert, ehe sie sich etablieren konnten.
*Korrektur: In einer früheren Fassung des Artikels stand, dass Andreas Molau der Autor des umstrittenen Artikels war. Tatsächlich hatte Molau als Redakteur der „Jungen Freiheit“ einen Artikel von Armin Mohler ins Blatt gebracht.
CORRECTIV-Serie über die Medien der Neuen Rechten