Der Schirmherr der völkischen Bewegung
Vom strammen Antideutschen zum ebenso strammen Deutschnationalen: Jürgen Elsässer, der Gründer von Compact, hat zahlreiche politische Wandlungen hinter sich. Mittlerweile sieht er sich als Schirmherr der völkischen Bewegung – und warnt vor Verschwörungen gegen Deutschland. Glaubt man „Compact", solle durch Einwandererflut, Islamisierung, Feminismus die deutsche Identität ausgelöscht werden.
„Mein Name ist Jürgen Elsässer. Ich bin Deutscher und ich werde nicht zulassen, dass dieses Land vor die Hunde geht.“ So stellt sich der Chefredakteur des „Compact“-Magazins Anfang 2016 bei einer Demonstration in Zwickau vor. Nicht zulassen wolle er, dass die deutsche Geschichte auf „zwölf dunkle Jahre reduziert“ werde. Dass die „skrupellose amerikanische Kanzlerin alles in Schutt und Asche“ lege. Dass „testosterongesteuerte Orientalen“ ungehindert „grabbeln, grabschen, fummeln und vergewaltigen“. Keine Wortwahl ist Elsässer zu extrem.
Faktenbox: Compact
- Gegründet: 2010
- Geschäftsführer: Kai Homilius
- Chefredakteur: Jürgen Elsässer
- Reichweite: laut eigenen Angaben 80.000, laut Recherchen der „Zeit“ 40.000 verkaufte Exemplare pro Monat
So denkt Jürgen Elsässer, so schreibt er, und das ist auch die Weltsicht des von ihm gegründeten Magazins „Compact“. Es gibt vor, für einen „ehrlichen Journalismus in Zeiten der Lüge“ einzutreten. Seit langem hofft Elsässer auf einen Politikwechsel, auf ein Ende der „linksgrünen Meinungsdiktatur“. Neuerdings verkörpert die AfD für ihn diese Hoffnung. Im März 2016 veröffentlicht „Compact“ ein Porträt Frauke Petrys auf dem Titel. Darunter die Zeile: „Die bessere Kanzlerin“.
Finanzierung
Darüber, wie sich „Compact“ finanziert, ist trotz behaupteter Ehrlichkeit wenig bekannt. Auf seinem Blog schreibt Elsässer im November 2014: „COMPACT ist, im Unterschied zu Bild und Spiegel, ein unabhängiges Magazin ohne Hintermänner. Drei Privatpersonen, darunter ich, sind die Eigentümer der GmbH, mit unserem Privatkapital haben wir das Magazin aufgebaut, mittlerweile finanziert es sich dank stark steigender Verkaufs- und Aboauflage selbst.“
Elsässer behauptet, „Compact“ habe eine Auflage von 80.000 Exemplaren. Journalisten der „Zeit“, die mehrere Monate über „Compact“ und Elsässer recherchieren, finden heraus, dass nur rund die Hälfte davon tatsächlich verkauft wird. Sie berufen sich auf Insiderinformationen. Bei Facebook hat die „Compact“-Seite rund 88.000 Likes, bei Twitter knapp 6.500 Follower.
Die Journalisten gehen auch dem Gerücht nach, „Compact“ erhalte Gelder aus Russland – finden dafür allerdings keine Belege. Wohl aber tauche in der Jahresbilanz von 2013 ein Darlehen über 100.000 Euro auf. Absender: unbekannt.
Der Gründer
Jürgen Elsässer, 59, hat einen langen Weg hinter sich: Von einem strammen Kommunisten hat er sich zu einem noch strammeren Deutschnationalen gewandelt. Von einem Freund Israels zu jemandem, der vor einer angeblichen zionistisch-amerikanischen Verschwörung warnt.
In den 1980er Jahren schreibt er noch für das kommunistische Blatt „Arbeiterkampf“ und sogar für die vom deutschen Zentralrat der Juden herausgegebene „Jüdische Allgemeine“. Spätere Stationen Elsässers waren linke Postillen wie „Junge Welt“, „Jungle World“ und „Konkret“.
Nach 1989 zählt er zu den Mitgründern der „Antideutschen“, einer Strömung innerhalb der deutschen Linksextremen, die Israel gegen die arabische Bedrohung verteidigen will. Elsässer behauptet, den Spruch „Nie wieder Deutschland“ habe er entscheidend mitgeprägt. Über Linke, die sich israelkritisch äußern, arbeitet sich Elsässer in diesen Jahren wiederholt ab, wie sich ein ehemaliger Weggefährte erinnert.
Eine entscheidende Station auf dem Weg von Links- nach Rechtsaußen ist der Konflikt zwischen den Serben und der NATO in den 1990er Jahren. Nur der serbische Nationalismus, so Elsässer damals, könne dem amerikanischen Imperialismus etwas entgegensetzen.
Anfang der Nuller Jahre beendet die „Jungle World“ die Zusammenarbeit mit Elsässer. Unter anderem wegen Elsässers Berichterstattung zum Jugoslawien-Krieges, heißt es aus der „Jungle World“-Redaktion.
Die Gründung
2010 schließlich gründet Elsässer „Compact“, das selbst ernannte „Magazin für Souveränität“. Immer wieder kehrende Denkfigur: Es gibt gewaltige Mächte, die sich gegen Deutschland verschworen haben: die USA und die Zionisten, die CIA und die Alt-68er. Sie wollen unser Land zerstören. Ihre Waffen: der Feminismus, der die traditionelle Familie zersetze und Frauen in die Fabriken zwinge; auch die „Klimalüge“ sei eine Erfindung, um die Energiekosten „auf den kleinen Mann“ abzuwälzen; vor allem aber geht es bei „Compact“ in nahezu jeder Ausgabe um die „Masseneinwanderung“, die „geplante Umvolkung“, die „Islamisierung“.
In einer „Compact“-Spezialausgabe zum Thema Asyl von Ende 2014 wimmelt es von Katastrophen-Szenarien. Von einem „Ansturm der Scheinasylanten“ ist da die Rede, oder: „Die Lawine rollt“. Warum so viele gerade in Deutschland Zuflucht suchen? Weil dieses Land ein „Flüchtlingsparadies“ sei, in dem es „schnelles Geld aus deutschen Kassen“ gebe, erklärt „Compact“.
Neues Feindbild: Islam
Mitgegründet wird „Compact“ von dem Juristen und Islamexperten Andreas „Abu Bakr“ Rieger, der bis heute die „Islamische Zeitung“, herausgibt. Im November 2014 verkauft Rieger entnervt seine Anteile am Compact-Magazin – weil Elsässer beginnt, den Islam zu verteufeln und sich auf die Seite der Dresdner Anti-Islamisten rund um Pegida stellt.
Auch das ein erstaunlicher Wandel – denn in der ersten „Compact“-Ausgabe im Dezember 2010 schreibt Elsässer noch: Wer den Islam als unser Hauptproblem sehe, begebe sich auf eine „glitschige Rutschbahn“, die ihn in die weltweite Front gegen den Islam führe. Islamkritiker verkennen, wer am gefährlichsten sei, nämlich „eliminatorische Zionisten und weltkriegsgeile Neokonservative.“
Im Januar 2015 hingegen bildet „Compact“ Angela Merkel auf dem Cover ab – mit Kopftuch. Und das Magazin warnt vor einem Islam, der sich Europa unterjochen will.
Nazis plus Zionisten plus Islamisten
Quelle allen Übels, Urheber zahlloser Verschwörungen sind in den Augen von Elsässer und „Compact“ die USA. Das kann absurde Züge annehmen, etwa wenn es um das „Globalisierungsfutter Pizza“ geht. „Wie kann eine derart armselige Speise eine solche Weltkarriere machen?“, fragt einer der Artikel. Weil die USA keine eigenständige Küche haben, sich das italienische Arme-Leute-Gericht aneignen und es pervertieren – Familienessen, Tischgespräche verlieren an Wert, und globale Fast-Food-Konzerne verbreiten die Unkultur dann über die ganze Welt. Die Bedrohungen scheinen grenzenlos, die auf Elsässer und „Compact“ einstürmen.
Russland sehen Elsässer & Co. deutlich positiver. Als Putin Anfang 2014 auf der Krim einmarschiert und den Bürgerkrieg in der Ost-Ukraine vom Zaun bricht, stellt sich Elsässer auf die Seite Russlands, das sich wehren müssen gegen eine Front aus „Nazis plus Zionisten plus Islamisten“.
Die Mitgesellschafter
2014 steigt die Jumbo-Dienstleistungs GmbH aus Hamburg als Gesellschafter bei „Compact“ ein. Mittlerweile heißt die Firma Nordheide Kontor GmbH, Eigentümer ist Jörgen-Arne Fischer-van Diepenbrock. Über die Firma ist nichts bekannt. Der zweite Mitgesellschafter von Elsässer ist ein Mann namens Kai Homilius.
Homilius gründete 1994 einen nach ihm benannten Verlag, der „Compact“-DVDs und -Bücher vertreibt. Außerdem soll Homilius hinter der Facebook-Seite „Anonymous-Kollektiv“ gesteckt haben, die gegen Flüchtlinge, Muslime und Politiker hetzt und im Mai 2016 von Facebook gelöscht wird. Später tauchen Screenshots der Facebook-Administratorenseite auf, auf der der Name Kai Homilius zu sehen ist. Genau wie der Name von Mario Rönsch – der kürzlich als Betreiber von „Migrantenschreck.de“ identifiziert wurde, einem Webshop, in dem man in Deutschland verbotene Schreckschusswaffen aus Ungarn bestellen kann; Waffen, mit denen man Menschen töten kann.
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