Das Böse ist immer und überall
Die Anschläge auf das World Trade Center? Inszeniert von den Amerikanern! Angela Merkel? Eine Marionette Washingtons! Mit KenFM hat der ehemalige Radiomoderator Ken Jebsen ein populäres Portal für Verschwörungstheoretiker aufgebaut. Gleichwohl distanziert er sich von vielen fremdenfeindlichen Positionen der Neuen Rechten.
„Ich weis wer den holocaust als PR erfunden hat“, schreibt Ken Jebsen (Rechtschreibfehler im Original) einem Hörer seiner Radiosendung im Jahr 2011 – und handelt sich damit eine Menge Ärger ein. Der Hörer leitet die E-Mail nämlich an den Autor Henryk M. Broder weiter, der sie auf seinem Blog veröffentlicht. Jebsens Sendung KenFM läuft damals auf „Radio Fritz“ des öffentlich-rechtlichen RBB. Seine Vorgesetzten stellen sich erst hinter Jebsen, kündigen ihm dann aber ein paar Wochen später mit der pauschalen Begründung, Jebsen habe sich wiederholt nicht an vertragliche Verpflichtungen gehalten.
Faktenbox: KenFM
- Gegründet: 2012
- Besitzer: Ken Jebsen
- Chefredakteur: Ken Jebsen
- Reichweite: 150.000 Abonnenten auf YouTube
Jebsen sieht sich als Opfer. Er sei wohl „zu politisch“ gewesen, sagt er damals. Die E-Mail habe er zwar geschrieben, es habe sich aber um ein Zitat gehandelt. Ein Antisemit oder gar Holocaust-Leugner sei er nicht. Mit diesem Rauswurf häutet sich Jebsen: Bis dahin ist er als klamaukiger Radiomoderator bekannt, nun entpuppt er sich als politischer Überzeugungstäter und Verschwörungstheoretiker mit Mission. Sein Ziel: Die Bürger aufzuklären über die wahren Machenschaften der Eliten.
Mit Hilfe seiner Hörer und Unterstützer sammelt er Geld und finanziert so seine Internetseite KenFM. Sie ist schon bald erstaunlich populär. Heute bestücken rund 20 freie Autoren und fünf Mitarbeiter die Seite mit Inhalten; besucht wird sie von rund 100.000 Nutzern pro Tag – mehr als die Seite des Bundestags. Der dazu gehörige Youtube-Channel hat über 150.000 Abonnenten und wurde bisher rund 40 Millionen Mal aufgerufen.
Es gibt mehrere Formate. Bei „KenFM im Gespräch“ führt Jebsen bis zu dreistündige Video-Interviews mit Personen aus Wirtschaft und Politik, darunter auch mit Personen wie Albrecht Müller, dem Macher der Nachdenkseiten. Bei „KenFM am Telefon“ diskutiert er mit Experten über aktuelle Ereignisse. Bei „NachdenKen“ monologisiert Jebsen zu Themen seiner Wahl. Die Website ist werbefrei. KenFM finanziert sich nach eigenen Angaben ausschließlich über Mitgliedsbeiträge und Spenden. Oft, so behauptet es Jebsen, überweisen ihm Unterstützer 17,50 Euro – entsprechend der monatlichen GEZ-Gebühr.
Terrorlüge 9/11
Jebsens oberstes Motto scheint zu sein: Hauptsache dagegen. Gegen die USA, gegen Israel, gegen den gesellschaftlichen Mainstream. Zugleich verbreitet er zahlreiche Verschwörungstheorien. Bereits im August 2011, damals noch auf „Radio Fritz“, lässt er sich in einem seiner stakkatohaften Highspeed-Monologe lang und breit über die „Terrorlüge 9/11“ aus. Tatsächlich steckten hinter dem Anschlag die Amerikaner selbst – mit dem Ziel, Akzeptanz für Kriege in der eigenen Bevölkerung zu schaffen und – so legt es Jebsen in seiner Sendung nahe – sich Öl-Ressourcen zu sichern.
Auch die Presse wird manipuliert, sagt Jebsen: „Massenmedien sind die Kontrollinstrumente der Eliten. Dort sprechen die Reichen zu uns, dem Volk“. Nachdem Donald Trump die US-Wahl gewinnt, triumphiert er: „Regierungspresse, packt eure Koffer“.
Die deutsche Politik, glaubt er, sei nicht souverän, sondern werde aus Washington gesteuert. Über Angela Merkel sagt er: „Du bist ein Vasall“ der USA, „du hast gar nichts zu sagen.“ In Washington müsse man nur schnipsen und schon wäre die Kanzlerin weg.
Auch Putin sei ein Opfer der amerikanischen Geopolitik. Der wahre Grund der Hetze gegen Russland sei, dass Putin nicht die gesamten russischen Öl- und Gasquellen an die Amerikaner verkauft habe.
Jebsen behauptet, er wolle seinen Zuhörern ein umfassendes Bild darüber vermitteln, „was da draußen wirklich passiert“. Denn: Alles ist inszeniert, alles läuft zwangsläufig auf den dritten Weltkrieg hinaus.
Distanz zur AfD
Viele dieser Positionen überschneiden sich mit denen der AfD – wobei Jebsen immer wieder auch neurechte Positionen kritisiert, vor allem die Hetze gegen Muslime und Flüchtlinge. Von „Compact“-Gründer Jürgen Elsässer distanzierte sich Jebsen, als dieser anfing, in seinen Texten gegen Ausländer zu polemisieren.
Angela Merkel nennt er beharrlich „IM Erika“, da er davon ausgeht, dass sie eine Stasi-Vergangenheit hat. In einer Sendung bezeichnet er ZDF-Nachrichtensprecher Claus Kleber als „die Maulhure des Jahres 2015“ und zeigt ihm den Mittelfinger.
Wird er selbst beleidigt, versteht er keinen Spaß. Als die Hiphop-Gruppe Antilopengang ihn in einem Song erwähnt, bemüht er seine Anwälte. In dem Lied heißt es: „Sie können sagen was sie wollen, sie sind schlicht Antisemiten. All die Pseudo-Gesellschaftskritiker, die Elsässer, KenFM-Weltverbesserer. Nichts als Hetzer in deutscher Tradition. Die den Holocaust nicht leugnen, sie deuten ihn um.“
Das möchte Jebsen nicht auf sich sitzen lassen und will den Song damals verbieten lassen. Er fühle sich verleumdet. Doch er verliert das Verfahren und muss auch die Anwaltskosten der Musiker tragen.
Die Antilopengang sagt damals: „Es belustigt uns, dass ausgerechnet der Typ, der ständig mit den abenteuerlichsten Anschuldigungen und wildesten Theorien gegen politische Gegner schießt, sofort schwerste rechtliche Geschütze auffährt und mit Strafandrohungen um sich wirft, wenn er sich mal selbst betroffen fühlt.“
Die üblichen Verdächtigen
Jebsens Gesprächspartner in den oft mehrstündigen Interview-Sendungen: Verschwörungstheoretiker, neurechte Denker und all jene, die sich gegen den „Mainstream“ stellen. Willy Wimmer beispielsweise, der 33 Jahre lang für die CDU im Bundestag saß und nun der Meinung ist, dass Politiker in Europa und in den USA an der Zerstörung der europäischen Völker arbeiteten. Oder Udo Ulfkotte, ein ehemaliger Redakteur der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, der nun Bücher über „Gekaufte Journalisten“ und kriminelle Ausländer schreibt. Oder Gerhard Wisnewski, der unter anderem die These vertritt, dass es die RAF nie gegeben habe; Geheimdienste seien für die Morde der Linksterroristen verantwortlich.
Alles Autoren, die sich auch bei RT Deutsch, im „Compact“-Magazin und beim Kopp-Verlag die Klinke in die Hand geben.
CORRECTIV-Serie über die Medien der Neuen Rechten