Neue Rechte

Die AfD und die „Anbiederung an menschenverachtende Regime“

Interne Papiere des Arbeitskreises Außenpolitik der AfD-Bundestagsfraktion zeigen die Nähe der Partei zu China und Russland. Die USA werden dagegen als „globaler Hegemon“ und „raumfremde Macht“ bezeichnet. Einrichtungen wie der German Marshall Fund, das Aspen Institute oder die Atlantik-Brücke sollen kein Geld vom Staat mehr beziehen. CORRECTIV veröffentlicht die Positionspapiere.

von Marcus Bensmann

Die Bundestagsabgeordnete Joana Cotar verließ wegen der AfD-Positionen zu Russland, China und dem Iran die Partei.
Die Bundestagsabgeordnete Joana Cotar verließ wegen der AfD-Positionen zu Russland, China und dem Iran die Partei. Foto: Christoph Hardt/picture alliance / Geisler-Fotopress

In der AfD sorgt derzeit eine Debatte über die außenpolitische Ausrichtung der Partei für Unruhe. Die Bundestagsabgeordnete Joana Cotar trat am Montag aus der Partei aus, wegen „Anbiederung an die diktatorischen und menschenverachtenden Regime in Russland, China und jetzt auch den Iran“. Am Wochenende gründete sich das Bündnis Deutschland, das auf enttäuschte Unionswähler setzt, denen die AfD zu radikal und nah an Russland geworden ist.

Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke hatte am Tag der Deutschen Einheit die USA als „raumfremde Macht“ bezeichnet. Aus Höckes Sicht verteidigt sich Russland in der Ukraine gegen ein Machtstreben der USA, der russische Präsident Wladimir Putin habe demnach lediglich „nach langem Zögern hart und konsequent auf die Offensive einer fremden Macht reagiert“. Und in diesem Konflikt würde Höcke sich und Deutschland auf die Seite des „Ostens“, also Russlands, stellen.

Auch ein Besuch des AfD-Bundestagsabgeordneten aus NRW Roger Beckamp in der iranischen Botschaft in Berlin sorgte innerhalb der AfD-Bundestagsfraktion für Kritik. Wie die Welt berichtete, warb er für eine dem Iran gegenüber freundliche Politik. 

AfD sucht die Nähe zu autoritären Regimen

CORRECTIV liegen jetzt exklusiv fünf Arbeitspapiere des Arbeitskreises Außen der AfD-Bundestagsfraktion vor, die diese von Cotar kritisierte „Anbiederung“ an autoritäre Regime zeigen. Vor allem soll der Einfluss der USA zurückgedrängt werden. Der German Marshall Fund, das Aspen Institute oder die Atlantik-Brücke sollen sich beim Innenministerium registrieren und keine staatliche Förderung von deutscher Seite erhalten. In dem Papier wird gefordert, dass sich alle Nichtregierungsorganisationen mit Hauptsitz in einem anderen Staat registrieren lassen sollen. 

Wir veröffentlichen diese Papiere. Es geht um die „Ukraine/Russland plus Friedensinitiative“, um China, die USA und den Iran.

„Es handelt sich bei mindestens zwei Papieren um Arbeits- ,nicht fix und fertig zitierfähige Strategiegrundlagen“, heißt es in dem CORRECTIV vorliegenden Begleitschreiben. Am Mittwochabend soll in den Räumen der Bundestagsfraktion über die Papiere diskutiert werden.

USA – „globaler Hegemon“ und „raumfremde Macht“

Dem Verhältnis zur USA widmet sich ein 40-seitiges  Papier, inklusive Grafiken zu Flussverläufen und Geburtenraten, das wir hier veröffentlichen:

Die USA wird als „globaler Hegemon“ beschrieben, der „durch Interventionen“ das „Entstehen einer dominanten eurasischen Macht verhindern“ möchte. Das entspricht der russischen Propaganda.

In dem Papier steht, dass Deutschland „durch die Reeducation nach 1945 in hohem Maße amerikanisiert worden“ sei, und gibt dafür neben der „US-amerikanischen Konsumkultur“ den „zahlreichen US-amerikanischen NGOs“ wie German Marshall Fund, Aspen Institute und Atlantik–Brücke die Verantwortung. Aus Sicht der AfD-Fraktion sollten, so das Papier, diese Organisationen nicht mehr aus dem Haushalt mit finanziert werden und vom Innenministerium kontrolliert werden: Alle „ausländischen NGOs (Hauptsitz außerhalb Deutschlands) müssen sich beim Bundesministerium des Inneren registrieren; die Registrierung kann aus Gründen der inneren Sicherheit und Wohlfahrt entzogen werden“, heißt es im Papier. 

Das USA-Papier beschreibt die weltpolitische Lage als Kampf um Einflusszonen der großen politischen Mächte. So findet sich darin folgender Satz: „Kurz vor Beginn des Ukraine-Krieges haben China und Russland in einer gemeinsamen Erklärung am 4. Februar die Nato-Osterweiterung scharf verurteilt, den Einfluss raumfremder Mächte in ihren geopolitischen Einflusszonen zurückgewiesen.“ Auch Russlands Krieg gegen die Ukraine wird als Beispiel für „Kriege um die Aufrechterhaltung der Hegemonie“ angeführt, und damit wird die USA indirekt mitverantwortlich gemacht.

Kritisiert wird, dass Deutschland nun LNG-Gas aus den USA beziehe und auf das billigere russische Gas verzichten müsse. Dies diene allein den Interessen der USA. Es wird allerdings in dem Papier nicht erwähnt, dass das Aus für die Ostseepipeline Nord Stream II eine Folge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine war. Die Wiederaufnahme russischer Gaslieferungen wird in diesem Papier gewünscht und festgestellt: „Als Fazit divergieren die Energieinteressen der USA und Deutschlands sowie die der EU“.

In zentralen Punkten übernimmt das Papier damit offenbar die Gedankenwelt von Höckes Rede zum Tag der Deutschen Einheit. Dort sieht Höcke Russland als natürlichen Partner Deutschlands und beschuldigt die USA, „ein deutsch-russisches Zusammengehen zu verhindern“. Er beklagt, dass Deutschland „zum dritten Mal seit Beginn des letzten Jahrhunderts gegen unsere Interessen gegen Russland aufgestellt“ sei. Und auch gegen das LNG-Gas aus den USA wettert Höcke.

Das Papier plädiert für eine weitere Nato-Mitgliedschaft Deutschlands – allerdings mit einer sehr eigenartigen Begründung. Denn sonst werde Deutschland selbst zum „Hegemon“, das „’nicht mächtig genug (war), um den Kontinent dem eigenen Willen zu unterwerfen’, ‘doch zugleich war es mächtig genug, um von anderen Mächten als Bedrohung wahrgenommen zu werden’“. Daher sei ein „Ausstieg aus der Nato im hohen Maße begründungspflichtig“, heißt es in dem Papier.  

Diese Positionen aus dem USA-Papier gelten nur als Vorschlag, sie sind „noch nicht final“ abgestimmt, heißt es in dem Begleitschreiben.

Keine Sanktionen gegen Russland, keine Waffen für die Ukraine

Das Papier zu „Russland – Ukraine“ gibt die Thesen wieder, auf die sich die AfD-Fraktion bei einer Klausurtagung in Thüringen Anfang November einigte. 

Der Krieg gegen die Ukraine wird zwar als „völkerrechtswidriger“ Angriffskrieg Russlands „scharf“ verurteilt, aber sonst beinhaltet es bekannte Positionen, die vor allem Russland nützen. Einen Beitritt der Ukraine zur EU und in die Nato lehnt die AfD ab, ebenso „Wirtschaftssanktionen gegen Russland“ und „Waffenlieferung in Krisen- und Kriegsgebiete“ und damit in die Ukraine. Die Pipeline Nord Stream II soll in Betrieb gehen, zudem wird in dem Positionspapier vor „zunehmenden Diskriminierungen gegen die russischsprachigen Mitbürger“ gewarnt. 

In dem Papier zur Friedenslösung plädiert der Arbeitskreis für einen „sofortigen Waffenstillstand“, der von der OSZE und UN vermittelt und überwacht werden sollte, Waffenlieferungen an die Ukraine sollten eingestellt und die Sanktionen gegen Russland und Belarus schrittweise aufgehoben werden. 

Die Umsetzung beider Papiere würde das Ende der Verteidigungsfähigkeit der Ukraine bedeuten.

Im Begleitschreiben heißt es zu diesem Papier „(Status: ist abgestimmt Ak Außen + Ak Verteidigung)“.  Gleichwohl gibt es auch in der Bundestagsfraktion nach CORRECTIV-Informationen mehrere Abgeordnete, die mit diesen Positionen hadern.

Taiwan: Die USA sind schuld

In Sachen China plädiert das Arbeitspapier „für eine realpolitische, friedfertige und eigenständige deutsche Chinapolitik“.

„Es liegt im deutschen Interesse, gemeinsam mit China für eine friedliche und stabile internationale Kooperation einzutreten“. Über das Verhältnis zu China solle Deutschland eigenständig entscheiden. Deutschland „behält sich vor, seine Interessen … auch unabhängig von der Nato und EU aktiv … durchzusetzen“, so das Papier.

Das Papier bewertet China und die USA als gleichwertige Partner. „Wir dienen deutschen Interessen bestmöglich dadurch, dass wir in einzelnen Themenfeldern jeweils mit den Staaten zusammenarbeiten, mit denen uns die meisten Interessen verbinden“ und „ein Gleichgewicht zwischen den Beziehungen zu den USA und China“ solle hergestellt werden. 

Menschenrechtsverletzungen in China stören da nur. „Eine ideologisch dominierte Außenwirtschaft, die versucht, die eigenen Werte- und Moralvorstellungen fremden Ländern aufzuzwingen, schadet den Wirtschafts- und Handelsbeziehungen“, so das Papier. Aber zu nah soll China nicht kommen. Der „Aufbau der nationalen 5G-Infrastruktur“ durch von „ausländischen Regierungen kontrollierte Unternehmen“ solle verboten werden, so das Papier, „daher ist ein Ausschluss des chinesischen Netzwerkausrüsters Huawei beim Aufbau des deutschen 5G-Netzwerkes notwendig“. 

In dem Papier steht, dass China als auch die USA mit „Hochdruck an dem Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Militärtechnologie“ arbeiten. Damit Deutschland nicht den Anschluss verpasse, solle die „nationale Kooperation mit China sowie mit anderen Staaten stärker gefördert werden“, auch wenn dies in der deutschen Öffentlichkeit auf Vorbehalte stoße. CORRECTIV hatte in einer Recherche gezeigt, wie deutsche Wissenschaftler und Universitäten mit Wissenschaftlern aus chinesischen Militäruniversitäten gemeinsam Forschungen betreiben. 

Für die Krise um Taiwan macht das Papier die USA allein verantwortlich, „Chinas Einmarsch in Taiwan wird durch die zunehmende Aktivität der Vereinigten Staaten vor Ort wahrscheinlicher“. Deutschland sollte sich aus dem Konflikt heraushalten. „Jede Distanzierung von China aufgrund des Taiwan-Konflikts hätte angesichts des zwölfmal größeren Handelsvolumens mit China erhebliche Auswirkungen auf Deutschlands Wirtschaft und Handel.“ 

Das China-Papier sei bisher mit dem Arbeitskreis Außen abgestimmt, heißt es in dem Begleitschreiben.

Iran: die AfD will nicht „herzlos“ sein

Das Papier zum Iran zeichnet die „Bruchlinien“ innerhalb der Fraktion auf, wie es im Begleitschreiben zu den Positionspapieren heißt. Den Positionen der NRW-Bundestagsabgeordneten Beckamp und Schmidt, die trotz der Aufstände im Iran für eine Kooperation mit dem Mullah-Regime plädieren, werden die Thesen des Bundestagsabgeordneten Jürgen Braun, der das Regime in Teheran verurteilt, gegenübergestellt.

„Die Wortwahl ‘Mullah-Regime’ ist unangemessen“, stellt das Arbeitspapier jedoch fest und mahnt, „wir sollten es ausdrücklich vermeiden, abwertend über die Führungen anderer Länder zu sprechen.“

Die AfD will nicht „herzlos-kühl“ sein und findet den Protest im Iran „sympathisch“, heißt es im Papier, warnt aber davor, „der Tenor des Antrags Braun ähnelt dem der Koalitionsfraktionen“. Und genau das wolle die AfD nicht.

„Die AfD besitzt hinsichtlich der Außenpolitik ein Alleinstellungsmerkmal“, heißt im Iran-Papier und damit werde „Unruhe in andere Parteien“ hineingetragen. 

Der Austritt von Cotar, aber auch die Hinweise von weiteren AfD-Mitgliedern, darunter auch Bundestagsabgeordneten der Partei, zeigen, dass die AfD mit der hier skizzierten Außenpolitik und der anhaltenden Russland-Nähe für Unruhe vor allem in der eigenen Partei sorgt.

Aktualisierung 23.11. 18 Uhr: In der iranischen Botschaft zu Besuch war nach Recherchen der Welt namentlich Roger Beckamp von der AfD dabei.