Nach CORRECTIV-Recherche

Rechtsextreme Vernetzung der AfD: „Wer das immer noch unterschätzt, dem ist nicht zu helfen“

In der Schweiz organisierten sich AfD-Leute mit Neonazis, auch mit den in Deutschland verbotenen „Blood&Honour“-Vertretern. Auf die CORRECTIV-Recherche reagieren Bundespolitiker, auch zu einem AfD-Verbot.

von Jean Peters , Martin Böhmer

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Unter anderem Martina Renner (Die Linke, l.), Ralf Stegner (SPD) und Katrin Göring-Eckardt haben auf die CORRECTIV-Recherche reagiert. Collage:Ivo Mayr/CORRECTIV (Fotos:picture alliance)

In der Schweiz haben sich Mitte Dezember AfD-Politiker mit Neonazis getroffen. Die Versammlung organisiert hatte die Schweizer Neonazi-Gruppe „Junge Tat“. Zutritt erhielt nur, wer einen Gesinnungstest überstand und durch eine Schleuse kam. CORRECTIV hat das Treffen dokumentiert. Schweizer Neonazis, AfD-Abgeordnete und Rechtsextremisten vernetzten sich – auch mit Vertretern der in Deutschland verbotenen Organisation „Blood&Honour“.

Die Recherche hat nun Reaktionen aus der Bundespolitik hervorgerufen – nicht zuletzt mit Blick auf ein mögliches AfD-Verbotsverfahren. Auch die AfD-Politiker Roger Beckamp und Lena Kotré reagierten auf CORRECTIV. Eine Zusammenfassung, was nach der Recherche geschah.

Bundespolitikerinnen und -politiker warnen vor AfD-Kurs – was wird mit dem Verbotsantrag?

„Die rechten Netzwerke setzen ja ungerührt ihre subversiven Bestrebungen fort. Wer das immer noch unterschätzt, dem ist nicht zu helfen“, sagte SPD-Bundestagsabgeordneter Ralf Stegner gegenüber CORRECTIV, „wer es einfach laufen lässt, macht sich der unterlassenen Hilfeleistung für unsere Demokratie schuldig.”

Auch die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt macht sich nach der Recherche für ein Verbotsverfahren gegen die AfD stark: „Gemeinsam mit Neonazis wird offen aggressiv gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik agiert“, sagte sie der Funke Mediengruppe. Nach dem Treffen in der Schweiz lägen aus ihrer Sicht genug Anhaltspunkte vor, um ein Prüfungsverfahren über die Verfassungsmäßigkeit der AfD einzuleiten.

Lesen Sie hier die gesamte CORRECTIV-Recherche zum Treffen von Neonazis mit der AfD in der Schweiz.

Für die Prüfung eines AfD-Verbots wirbt auch Martina Renner von der Linkspartei. Zur CORRECTIV-Recherche sagt sie: „Die Aktivitäten von ‘Blood & Honour‘ im Ausland sind immer wieder ein Anlaufpunkt für Neonazis und Rechtsextremisten und sollten deshalb auch im Blick der Sicherheitsbehörden sein. Daher sind das Treffen und die dort sichtbare Vernetzung im Hinblick auf eine Bewertung der AfD durch die Behörden und im Rahmen eines möglichen Verbotsverfahrens durch das BVerfG von erheblicher Relevanz.“ Das Schweizer Treffen hält sie für einen „weiteren, klaren Beleg für die Notwendigkeit, das Verbotsverfahren gegen die AfD endlich einzuleiten“. Auch dieses Treffen in der Schweiz müsse als Beleg dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden.

113 Bundestagsabgeordnete reichten Antrag für AfD-Verbot ein

Mitte November hatte eine Gruppe von 113 Abgeordneten einen entsprechenden Antrag in den Bundestag eingebracht, über den nun beraten werden muss. Mehrere Rechtsexperten hatten dem Antrag Erfolgschancen in Aussicht gestellt. Einige Verfassungsrechtlerinnen und Verfassungsrechtler halten ein Parteiverbotsverfahren für möglich und sogar geboten. 17 von ihnen haben eine Stellungnahme veröffentlicht.

Demnach sei es Aufgabe des Bundestags, der Bundesregierung und des Bundesrats ihrer Verantwortung zur Wehrhaftigkeit der Demokratie nachzukommen. Andere renommierte Juristinnen und Juristen stellen einem Parteiverbotsverfahren geringe Erfolgschancen in Aussicht, darunter Christian Waldhoff, der den Bundesrat im Verbotsverfahren gegen die damalige NPD vertreten hatte.

Lena Kotré verteidigt sich – Roger Beckamp zieht sich aus Bundespolitik zurück

CORRECTIV hatte die AfD-Politiker Roger Beckamp und Lena Kotré zu dem Treffen und ihrer Teilnahme befragt, eine Antwort gab es aber nicht. Nach der Veröffentlichung meldeten sich beide mit Video-Statements zu Wort. Im Kern behaupten beide, dass nichts an dem Treffen geheim gewesen sei, CORRECTIV lüge, und dass das Besprochene beim Treffen ohnehin schon seit Jahren Teil ihrer Vorträge für die AfD sei.

Weitere Punkte der Recherche bleiben unkommentiert, etwa die Vernetzung mit dem verbotenen rechtsextremen Netzwerk „Blood&Honour“.

CORRECTIV hatte im Nachgang des Treffens von Roger Beckamp erfahren, dass er nicht mehr für die Bundestagswahl antreten will, alles sei „nur zum Schein“. Dies war bislang nicht öffentlich. In seinem Video erklärte Beckamp nun, er habe dies gesagt, um den Reporter zu enttarnen – nur er hätte die Information haben können – und er hätte irgendwann selbst noch mitgeteilt, dass er nicht mehr weitermache.

Tatsächlich erhielt er am vergangenen Wochenende keinen Platz auf der Landesliste der AfD in NRW. „Er ist nicht angetreten zur Listenaufstellung“, sagte Kris Schnappertz, Pressesprecher der AfD NRW gegenüber CORRECTIV. Am Sonntag, 5. Januar, machte auch Beckamp öffentlich, dass er nicht mehr für den Bundestag antritt. Beckamp führt seinen 50. Geburtstag und die Familie als Gründe an. Er wolle sich nun „anderen Aufgaben zuwenden“.

Update 8.1.25, weiteres Statement nach dieser Veröffentlichung: Auch der Grünen-Politiker Konstantin von Notz reagierte auf die CORRECTIV-Recherche: „Einmal mehr wird deutlich, wie eng die Verbindungen von Vertretern der AfD zum rechtsextremen Spektrum tatsächlich sind. Bei Blood & Honour handelt es sich um militante Neonazis“, so Notz, „hier wird von Seiten der AfD bewusst der Schulterschluss gesucht.“ Zu den beim Neonazi-Treffen in der Schweiz geäußerten Aussagen teilt von Notz mit: „Sie sind mit unserem Grundgesetz und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung schlicht nicht vereinbar. Sie offenbaren ein zutiefst gestörtes Verhältnis zu unserem Rechtsstaat und den ihn ausmachenden Werten.“ Mit Blick auf einen möglichen AfD-Verbotsantrag habe er Vertrauen, dass die Sicherheitsbehörden die Entwicklungen genau verfolgen und in ihre Bewertung einfließen lassen.

Mitarbeit: Marie Bröckling
Redaktion:
Anette Dowideit, Sebastian Haupt
Fotos: Ivo Mayr
Kommunikation: Katharina Roche

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