Russische Desinformation

Nach CORRECTIV-Recherche: Russische Propaganda-Kampagne gerät ins Stocken

Die russische Doppelgänger-Desinformationskampagne läuft nach unserem Bericht nicht mehr wie zuvor. Zwei europäische Firmen haben reagiert und Accounts gesperrt. Nun laufen Links zu den Propaganda- und Fake-Seiten vorerst ins Leere.

von Max Bernhard , Alexej Hock , Sarah Thust

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Auf Sozialen Netzwerken werden Links zu Fake-Seiten wie vom Spiegel gestreut (Screenshots und Collage: CORRECTIV)

Die russische Propaganda-Kampagne Doppelgänger ist offenbar ernsthaft gestört. Manche Beiträge auf Facebook und X münden seit einigen Tagen in einer Fehlermeldung. Einige der Propaganda- und Fake-Seiten sind gar nicht mehr zu erreichen. Zuvor hatten zwei europäische Hosting-Provider Konsequenzen aus einer CORRECTIV-Recherche gezogen und Kundenaccounts gesperrt.

In der vergangenen Woche hatte CORRECTIV über die technische Infrastruktur der Doppelgänger-Kampagne berichtet. Demnach nutzten die russischen Hinterleute lange Zeit die Dienste europäischer Hosting-Unternehmen für einen komplizierten Weiterleitungsmechanismus von Beiträgen in Sozialen Netzwerken zu den Propaganda-Seiten. Die Hosting-Riesen Hetzner aus Deutschland sowie Hostinger aus Litauen hatten nach einer Anfrage Untersuchungen eingeleitet und reagierten jetzt.

Hostinger, auf deren Servern in Singapur mehrere Propaganda-Portale und Nachbauten seriöser Medien betrieben wurden, bestätigte gegenüber CORRECTIV: „Ja, wir haben Nachforschungen angestellt und als Konsequenz Accounts gekündigt“. Darunter ist unter anderem eine Kopie des israelischen Portals The Liberal, über die Fake-Artikel verbreitet wurden. Eigene russische Doppelgänger-Portale wie die deutschsprachigen Seiten kaputteampel.com oder brennendefrage.com sind ebenfalls betroffen.

Laut Antibot4Navalny, einer anonymen Freiwilligengruppe, die russische Desinformation auf X verfolgt, seien rund 35 Prozent dieser originalen Doppelgänger-Seiten betroffen, und mehr als ein Fünftel aller Seiten der Kampagne, einschließlich der geklonten Medien-Seiten. Die Daten beziehen sich auf Verbreitungsstatistiken seit Mitte April.

Überblick über die Infrastruktur von Doppelgänger mit vier Stufen: Es beginnt mit Wegwerf-Domains, Zwischen-Domains und Keitaro-Domains folgen, eh man auf der eigentlichen Doppelgänger-Domain landet.
(Grafik: CORRECTIV)

Auch in der ersten Stufe, also jenen Links, die auf Sozialen Netzwerken verbreitet werden und dann zu den Portalen weiterleiten, war Hostinger involviert. Die interne Untersuchung habe gezeigt, dass die Internetseiten zwar nicht von dem Unternehmen selbst betrieben worden seien, jedoch dessen Dienste zur Weiterleitung verwendet würden, teilte Hostinger mit. „Wir haben bereits einen Aktionsplan entworfen, um solchen Missbrauch künftig zu begrenzen“, so ein Sprecher.

Das Unternehmen Hetzner, bei dessen finnischer Tochter vier für die Verbreitung kritische Internetseiten lagen, teilte mit, man habe den betroffenen Server gesperrt. Zum Zeitpunkt der Anfrage hätten noch zwei der vier Seiten funktioniert.

Die Hinterleute der Kampagne versuchen sich an die Sperrungen anzupassen. Die für die Verbreitung kritische Stufe ist inzwischen offenbar von Hetzner zu einer neuen Adresse bei einem russischen Hosting-Dienst umgezogen. Alte Verlinkungen funktionieren damit nicht mehr. Neue Links hingegen führen wieder zu Inhalten, die von Sperrungen bisher nicht betroffen sind.

Am 14. und 16. Juli habe die Kampagne laut Antibot4Navalny jeweils nur vier Links verbreitet, so wenig wie noch nie zuvor im betrachteten Zeitraum. Anders sehe es bei den Doppelgänger-Accounts aus, die nur Bilder oder Videos verbreiten – hier seien die Zahlen relativ normal geblieben.

Doppelgänger-Kampagne aus Russland verbreitet Propaganda in Form von gefälschten Medienberichten

Die seit 2022 aktive Kampagne bedient sich unter anderem gefälschter Webseiten, die aussehen wie westliche Medien, darunter Spiegel, Welt, Süddeutsche, Guardian oder Le Monde. Von Anfang an richtete sich die Kampagne schwerpunktmäßig gegen Deutschland.

Die Süddeutsche Zeitung hatte in einem Streitbeilegungsverfahren bereits zwei Internetadressen der Kampagne zurückgewonnen. Wie ein Verlagssprecher mitteilte, wurde ein durch einen Strafantrag eingeleitetes Ermittlungsverfahren jedoch eingestellt.

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Die Frankfurter Allgemeine Zeitung habe rechtliche Schritte gegen die Verbreitung geprüft, sie aber wegen mangelnder Erfolgsaussichten verworfen, schrieb eine Sprecherin auf Anfrage. Dem Axel-Springer-Verlag, in dessen Haus die Welt erscheint, war die entsprechende Fake-Seite nicht bekannt. Ein Sprecher antwortete CORRECTIV, man werde „selbstverständlich alle erforderlichen Schritte zur Entfernung dieser unsere Rechte verletzenden Veröffentlichungen einleiten und dabei auch Strafanzeige bzw. Strafantrag stellen“.

Einige russische Hinterleute der Doppelgänger-Kampagne wurden im Juli vergangenen Jahres mit Sanktionen belegt. Das verbietet es europäischen Firmen eigentlich, mit diesen Geschäfte zu machen oder ihnen Ressourcen bereitzustellen – direkt oder indirekt. Nach Erkenntnissen von CORRECTIV waren der Bundesregierung die Namen deutscher und europäischer Firmen bekannt, deren Dienste von Doppelgänger genutzt wurden, sie hat die Hinweise allerdings nicht genutzt, um die Kampagne zu stoppen.