Russland/Ukraine

Deutscher Abschied von russischem Flüssiggas

Die deutsche Firma SEFE nimmt immer noch russisches Flüssiggas ab. Ein neues EU-Gesetz und ein Sanktionspaket könnten den Import jedoch bald beenden. Bislang steckte das Unternehmen durch einen Altvertrag wohl in einem Dilemma.

von Alexej Hock , Elena Kolb

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Allein in der ersten Hälfte diesen Jahres hat das deutsche Staatsunternehmen 25 LNG-Ladungen aus Russland abgenommen. (picture alliance/dpa | Jens Büttner)

Ein weiterer Kriegswinter in der Ukraine naht. Und trotzdem fahren immer noch Schiffe, beladen mit russischem Flüssiggas, von Russland nach Europa. Auch Deutschland nimmt Ladungen ab und zahlt dafür in die russischen Kriegskassen.

Grundlage für die Lieferungen ist ein Altvertrag, aus dem Deutschland bislang offenbar nicht herauskam. Das könnte sich durch neue EU-Regeln aber bald ändern. Vergangene Woche einigten sich die EU-Mitgliedsstaaten auf einen Gesetzesentwurf und ein neues Sanktionspaket, die einen konkreten Zeitplan für den Import-Stopp von russischem Gas und Öl vorgeben.

„Wir warten seit drei Jahren darauf, dass die Politik endlich diesen Schritt geht“, sagt Franziska Holz. Sie ist stellvertretende Abteilungsleiterin für Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Die EU-Regularien könnten eine rechtliche Grundlage für die Kündigung des Altvertrags der deutschen Firma SEFE liefern.

Vertrag mit russischem Unternehmen läuft bis 2040

SEFE hieß früher Gazprom Germania und war Teil des russischen Konzerns Gazprom. Nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine wurde SEFE vom deutschen Staat übernommen. Heute fungiert das Bundeswirtschaftsministerium als Gesellschafter des Unternehmens.

Der Vorgänger von SEFE, Gazprom Germania, ist bis weit in die Zukunft zur Abnahme von russischem Gas verpflichtet. Grundlage dafür ist ein Altvertrag, den Gazprom Germania 2015 mit der singapurischen Firma Yamal Trade, einer Tochterfirma des russischen Erdgasproduzenten Novatek, abgeschlossen hat. Der Vertrag läuft noch bis 2040. SEFE erfüllt den Vertrag nun weiterhin und nimmt russisches Flüssiggas von Yamal ab.

Dilemma: Russische Kriegskassen nicht doppelt füllen

Bislang steckte die deutsche Regierung mit den deutschen Gasimporten aus Russland wohl in einem Dilemma. Das Wirtschaftsministerium schreibt auf Anfrage von CORRECTIV, dass mit der derzeitigen Rechtslage „eine Kündigung oder Verweigerung der Vertragserfüllung“ nicht möglich sei.

Außerdem: Selbst wenn SEFE kein russisches Gas mehr von Yamal abnehmen würde, würde die deutsche Firma die russischen Kriegskassen wohl weiter füllen. Denn Teil des alten Vertrages ist eine sogenannte „Take or Pay“-Klausel, teilt das Ministerium auf Anfrage von CORRECTIV mit. Das bedeutet, dass SEFE auch dann für das russische Gas zahlen müsste, wenn es nicht geliefert würde. Russland könnte das LNG dann abermals verkaufen und würde sozusagen doppelt profitieren.

In diesem Jahr schon mindestens 25 LNG-Ladungen aus Russland für SEFE

Das russische LNG wird mit Schiffen von Russland in den französischen Hafen von Dünkirchen gebracht. Im ersten Halbjahr 2025 habe man 25 LNG-Ladungen von Yamal angenommen, schreibt ein Pressesprecher von SEFE auf Anfrage von CORRECTIV. 2024 seien es insgesamt 49 Ladungen gewesen. Zu dem exakten Volumen will sich SEFE nicht äußern. Das Wirtschaftsministerium teilt auf Anfrage von CORRECTIV mit, dass die Bundesregierung SEFE angewiesen habe, „nur die rechtlich unumgängliche Mindestmenge russischen LNGs zu beziehen“.

Für den Transport des LNGs sei Yamal verantwortlich, schreibt ein Pressesprecher von SEFE. Um zu verhindern, dass das Gas mit Schiffen der sogenannten russischen Schattenflotte geliefert würde, führe SEFE eine „sorgfältige Prüfung“ durch. Die Schiffe würden weder aus Deutschland noch aus Russland stammen.

Ob das russische Gas, das SEFE importiert, auch nach Deutschland gelangt, kann SEFE nicht ausschließen. Sobald das Flüssiggas in gasförmige Moleküle umgewandelt sei und in das europäische Gasnetz eingespeist sei, könne es „nicht mehr nachverfolgt werden“, teilt ein Pressesprecher von SEFE mit.

Auswirkungen der EU-Entscheidungen 

Die neuen Entscheidungen auf EU-Ebene könnten den alten Vertrag nun möglicherweise aushebeln. Möglicherweise kann SEFE sich nun auf Klauseln zu „höherer Gewalt“ berufen. „SEFE kann argumentieren, dass ihnen sozusagen die Hände gebunden sind und die Vertragserfüllung einstellen“, sagt Holz, Energieexpertin vom DIW.

„Damit sollte der Vertrag endlich zu den Akten gelegt und SEFE ohne Schadenersatz aus den Kaufverpflichtungen befreit sein“, sagt Michael Kellner, Mitglied des Bundestags für die Grünen und Sprecher für Energiepolitik.

Von SEFE gibt es dazu bislang keine konkrete Aussage. Auf Anfrage von CORRECTIV teilt das Unternehmen mit: „Da der Zeitplan für das Importverbot nun definiert ist, können wir eine fundierte Bewertung der Auswirkungen vornehmen.“ Eine Analyse sei „derzeit im Gange“.

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Das Wirtschaftsministerium lässt die Frage von CORRECTIV, was die Entwicklungen auf EU-Ebene für SEFE bedeuten könnten, inhaltlich unbeantwortet. Man unterstütze die europäischen Bemühungen, den Bezug von russischem LNG rechtskräftig zu unterbinden, teilt das Ministerium mit.

Selbst mit den neuen EU-Vorgaben bleibt der deutsche Abschied von russischem Gas jedoch vorerst eine Zukunftsvision. Die EU-Regeln sehen ein Importverbot für Flüssiggas aus Altverträgen erst ab Anfang 2027 vor. Bis dahin wird das russische Gas wohl weiterhin ungehindert durch die europäischen Leitungen strömen.

Redigat und Faktencheck: Miriam Lenz
Redaktion: Anette Dowideit, Ulrich Kraetzer

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