Sparkassen

Extreme Schwankungen, hohe Prämien

In Nordrhein-Westfalen haben sieben Sparkassenvorstände ungewöhnlich hohe Bonuszahlungen erhalten. Die Prämien aus dem Jahr 2014 übertreffen den empfohlenen Grenzwert. Gemeinsam mit der FAZ hat Correctiv.org erstmals alle verfügbaren Sparkassengehälter ausgewertet. Die Bezahlung in NRW scheint teilweise willkürlich zu sein.

von Jonathan Sachse , Simon Wörpel

© Ivo Mayr

Wir haben die Gehälter von rund 70 Prozent aller Sparkassen in Deutschland ausgewertet. In einer neuen Datenbank von CORRECTIV und der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ könnt Ihr die Gehälter jetzt erstmals miteinander vergleichen.

In Nordrhein-Westfalen sind diese Bezüge schon länger bekannt. Auffällig in NRW: Die Gehälter schwanken stärker als in vielen anderen Bundesländern. In mehreren Fällen werden Vorstände von kleineren Sparkasse besser bezahlt als von größeren Kreditinstituten, obwohl sie vergleichsweise weniger Verantwortung tragen. Die Bezüge liegen zwischen 140.000 und 870.000 Euro. Zudem haben sieben Vorstände im Jahr 2014 ungewöhnlich hohe Prämien kassiert.

Wenig überraschend verdienen die Vorstände am meisten, die bei den Sparkassen mit der höchsten Bilanzsumme arbeiten. Bundesweit führen die Chefs der Hamburger Sparkasse, die Gehaltstabelle an. Sie bekamen durchschnittlich 853.000 Euro im Jahr. Direkt dahinter folgt bereits die erste Sparkasse aus NRW. Die Vorstände der Kreissparkasse Köln verdienen durchschnittlich 704.280 Euro, wobei Vorstandschef Alexander Wüerst stolze 867.900 Euro erhielt. Das ist das höchste bekannte Gehalt unter den öffentlich-rechtlichen Sparkassen. „Ich empfinde das als angemessen“, sagt Wüerst auf Anfrage von Correctiv.org. „Das muss jeder Träger entscheiden, was sie mit den Vorständen vereinbaren.“

Diese 10 NRW-Sparkassen zahlen ihren Vorständen durchschnittlich am meisten:

Sparkasse Anzahl Vorstände Gesamtbezüge Durchschnittliches Vorstandsgehalt
Kreissparkasse Köln 5.0 3.521.400 € 704.280 €
Sparkasse Münsterland Ost 4.0 2.224.000 € 556.000 €
Sparkasse Aachen 5.0 2.724.000 € 544.800 €
Sparkasse Essen 4.0 2.086.900 € 521.725 €
Stadtsparkasse Wuppertal 3.0 1.557.000 € 519.000 €
Sparkasse KölnBonn 5.0 2.563.800 € 512.760 €
Sparkasse Bochum 3.0 1.513.000 € 504.333 €
Stadtsparkasse Dortmund 4.0 1.988.000 € 497.000 €
Stadtsparkasse Düsseldorf 3.92 1.909.232 € 487.048 €
Sparkasse Krefeld 3.0 1.349.040 € 449.680 €

Offenlegungsberichte der Sparkassen 2014

In der Praxis läuft es in NRW so: Die Gehälter für die Vorstände müssen vom Verwaltungsrat einer Sparkasse abgesegnet werden. Darin sitzen neben wenigen Mitarbeitervertretern vor allem die Lokalpolitiker aus der Region. Diese sollen sich an die Empfehlungen der NRW-Verbände halten. Die Empfehlungen sind jedoch zum einen nicht verbindlich und definieren zum anderen lediglich grobe Gehaltsklassen – mit großen Spielräumen.

Die beiden Sparkassenverbände in NRW bestätigen das. „Es kann aus unterschiedlichen Erwägungen und Gründen von den Verbandsempfehlungen abgewichen werden“, sagt Andreas Löbbe, Sprecher des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe. Die Entscheidung liege in der Verantwortung des Verwaltungsrats der Sparkassen.

Kleinere Sparkasse, größeres Gehalt

Am Ende hängt das konkrete Gehalt vom Verhandlungsgeschick des Managers ab. Möchte ein Vorstand die Empfehlungen überschreiten, braucht er die Zustimmung der Politiker im Verwaltungsrat. Können die Politiker immer unabhängig darüber entscheiden? Schließlich erhalten die Vereine in der Region regelmäßig Spenden von der Sparkasse und für lokale Bauprojekte kommt der Kredit nicht selten von der Sparkasse vor Ort. Die Folge dieser Verhandlungen: Chefs von kleinen Sparkassen verdienen teilweise mehr Geld, als die Vorstände von großen kommunalen Kreditinstituten.

Zwei Beispiele aus NRW: Die vier Vorstände der Sparkasse Münsterland Ost verantworteten im Jahr 2014 gut 1.400 Mitarbeiter und erhielten dafür durchschnittlich 556.000 Euro. In Düsseldorf gab es im selben Jahr zwei Personalwechsel im Vorstand. Die Chefs der Stadtsparkasse Düsseldorf bekamen im Schnitt 487.000 Euro, obwohl die Sparkasse der Landeshauptstadt zu den größten Sparkassen in Deutschland zählt. Der Vorstand in Düsseldorf verantwortete mehr als 2.000 Mitarbeiter, trotzdem wurden die Chefs in Münster deutlicher besser bezahlt.

Oder die Sparkasse Leverkusen: Drei Vorstände, die rund 600 Mitarbeiter im Jahr 2014 beschäftigten, erhielten im Schnitt fast 430.000 Euro. Bei der Sparkasse Neuss waren doppelt so viele Mitarbeiter beschäftigt. Dennoch wurden auf der anderen Seite des Rheins an jeden der vier Vorstände rund 50.000 Euro weniger verteilt.

Um die Vorstandsgehälter untereinander vergleichbar zu machen, haben wir eine Formel definiert, um die Größe einer Sparkasse darzustellen. Diese beinhaltet Kernwerte einer jeden Sparkasse: Die Bilanzsumme, das Volumen der vergebenen Kredite und das Eigenkapital. So kann erstmals verglichen werden, ob die Vorstandsgehälter angesichts der Größe der Sparkasse auch angemessen sind.

Unsere Auswertung im folgenden Streudiagramm zeigt einige Vorstandsgehälter, die unangemessen erscheinen. Die Gehaltssprünge fallen besonders in Nordrhein-Westfalen auf.

Besonders deutlich werden die Schwankungen in NRW, wenn man das Bundesland mit Bayern vergleicht. Warum ist das so?

NRW und Bayern haben unterschiedlich strenge Gehaltsrichtlinien. In NRW existieren zwei Sparkassenverbände parallel. Beide geben ihren Sparkassen nur Empfehlungen für eine angemessene Vergütung, keine feste Regeln. Diese Empfehlungen unterscheiden sich bei den beiden NRW-Verbänden (siehe Dokumente für SVWL und RSGV). Das sorgte zuletzt für Diskussionen. Die rot-grüne Landesregierung fordert von den Verbänden ein einheitliches Dokument. Demnächst soll es ein Treffen zwischen der Regierung und Verbandsvertretern geben.

Anders ist das in Bayern. Dort hat der bayerische Sparkassenverband verbindliche Richtlinien vorgegeben. Von diesen darf nicht abgewichen werden. Unsere Auswertung zeigt, dass die Gehälter von gleich großen Sparkassen in Bayern deutlich näher beieinander liegen als in NRW. In Bayern verdienen die Vorstände im Schnitt auch weniger.

Wie kommt es zu diesen Sprüngen in NRW?

„Von außen hat das den Anschein, dass es nach Selbstbedienung aussieht“, sagt Martin-Sebastian Abel, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im NRW-Landtag. Die Höhe der Gehälter sei teilweise willkürlich. Eine freie Verteilung sei nach außen nicht vermittelbar. Die Auswertung zeige, dass Verbände klare Regeln für Sparkassen aufstellen müssten. „Wenn sie das nicht tun, wären wir bereit, das gesetzlich zu machen“, sagt Abel.

In Bayern hat das politische Aufsichtsgremium weniger Entscheidungsmöglichkeiten. „Der Verwaltungsrat einer Sparkasse kann die maximalen Grenzen nicht überschreiten“, schreibt Eva Mang, Sprecherin des Sparkassenverbandes Bayern auf Anfrage von correctiv.org.

„Gehaltsverhandlungen sollten keine Pokerturniere sein“, sagt Ralf Witzel, finanzpolitischer Sprecher der FDP im NRW-Landtag. Mit öffentlichen Trägern brauche man eine gewisse Vereinheitlichung – und klare Grenzen für die Gehälter. „Manche Entscheidungen, die bei der Vergütung getroffen wurde, sind aus politischer Perspektive nicht nachvollziehbar.“

Nicht nur die Gehälter, auch die jährlichen Bonuszahlungen der Vorstände müssen die Politiker im Verwaltungsräten genehmigen. Die Spielregeln sind in NRW eigentlich klar: Kein Vorstand sollte eine Prämie erhalten, die höher liegt als 15 Prozent seines Festgehaltes. Das haben die beiden Sparkassenverbände in NRW festgelegt. Trotzdem hielten sich sieben Vorstände im Jahr 2014 nicht an diese Richtlinie – und kassierten zum Teil deutlich mehr. In Hessen lag sogar der Bonus von mehr als jedem zweiten Sparkassenchef über diesem Richtwert, wie unsere grafische Auswertung zeigt.

Für die Sparkasse Märkisches Sauerland Hemer-Menden war 2013 ein schwieriges Jahr. Sie hielt knapp die schwarze null und machte nur 120.000 Euro Gewinn. Im Folgejahr waren fast 5 Prozent aller Unternehmenskredite notleidend. Ein schlechter Wert im Vergleich mit anderen Sparkassen. Die Sparkasse Märkisches Sauerland Hemer-Menden bezahlte ihrem Vorsitzenden dennoch einen Bonus von 23 Prozent. Dietmar Tacke, schon seit 1999 im Vorstand, bekam 62.000 als Prämie. Der Betrag liegt 22.000 Euro über dem vorgesehenen Grenzwert.

Den Vorständen könne trotz der finanziell schwierigen Lage „eine Leistungszulage von bis zu 25 Prozent des Grundgehaltes gewährt werden“, sagt Christian Wingendorf, Sprecher der Sparkasse im Sauerland. Dafür zahle die Sparkasse geringere feste Bezüge als vom Verband empfohlen. Diese geringen Bezüge gleiche man durch eine höhere variable Vergütung aus.

Welche konkreten Ziele Vorstand Dietmar Tacke für seine 23 Prozent Bonus erreichen musste, beantwortet der Sprecher nicht. Der Jahresgewinn scheint bei der Bewertung aber offenbar keine Rolle zu spielen.

Die Sparkasse KölnBonn hat ihrem kompletten Vorstand einen Bonus von gut 22 Prozent genehmigt. Der Vorsitzende Artur Grzesiek bekam neben einem Festgehalt von 590.600 Euro im Jahr 2013 noch weitere 137.500 Euro als Prämie ausgezahlt. Das sind fast 50.000 Euro mehr, als die beiden Sparkassenverbände in NRW als Richtwert festgeschrieben haben.

Direkt nebenan, in Leverkusen, erhielt der ehemalige Chef Manfred Herpolsheimer satte 26 Prozent seines Festgehaltes als Bonus. Die Vorstände der Sparkasse Leverkusen bekamen also nicht nur ein überdurchschnittlich hohes Gehalt, sondern ihr Chef auch hohe Prämien. Machte 2014 allein 103.000 Euro zusätzlich für Herpolsheimer – 42.000 Euro mehr als vorgesehen. Nach einem Streit ist der Vertrag von Herpolsheimer im April 2016 vorzeitig aufgelöst worden. Eigentlich hätte er noch bis September 2019 bleiben sollen. Die Abfindung ist nicht bekannt.

Die Stadtsparkasse Haltern am See zählt mit rund 100 Mitarbeitern zu den kleinsten Sparkassen in Deutschland. Dementsprechend ist das Gehalt der Vorstände vergleichsweise überschaubar. Im Vorstand sitzt Jutta Kuhn, die für ihre Arbeit im Jahr 2013 113.000 Euro bekam. Der Bonus von 23.000 Euro entspricht einem Fünftel Ihres Grundgehaltes. Das sind 6.050 Euro mehr als die beiden Sparkassen-Verbände in NRW empfehlen.

Waren die Ziele für die Boni in Köln, Leverkusen und Haltern am See zu leicht zu erreichen?

In KölnBonn leitet der SPD-Landtagsabgeordnete Martin Börschel den Verwaltungsrat der Sparkasse. Er verteidigt die hohen Boni. Schließlich sei andererseits das Festgehalt niedriger als in den Verbandsempfehlungen vorgesehen. Der Bonus unterliege einer dreijährigen Nachhaltigkeitskomponente, sagt Börschel. „Die vollständige Auszahlung der Leistungszulage erfolgt daher auch nur bei nachhaltigem Erfolg der Sparkasse KölnBonn.“

Den hohen Bonus der Leverkusener Sparkasse habe der damalige Chef, Manfred Herpolsheimer, für sich mit dem Verwaltungsrat verhandelt, schreibt Benjamin Rörig, Sprecher der Sparkasse. Die Prämie von 26 Prozent würde durch wirtschaftliche Faktoren errechnet wie „Bewertung im Kreditgeschäft, Entwicklung Jahresüberschuss, die individuelle Leistung sowie die Zielerreichung der Mitarbeiter“.

„Eine zusätzliche Leistungszulage für den Vertriebsvorstand der Sparkasse hielt der Verwaltungsrat für sinnvoll“, schreibt der Sprecher der Stadtsparkasse Haltern am See.

Das Problem mit Bonuszahlungen: Hohe Sonderzahlungen waren ein Grund für die letzte Finanzkrise. Mitten in der Krise wurden 2007 an der Wall Street Prämien von 33 Milliarden Dollar gezahlt. Ein Rekordwert. Wenn eine Bank seine Manager mit hohen Boni lockt, werden diese verleitet, ein höheres Risiko einzugehen. Die Vorstände könnten eigene Interesse verfolgen, die ihnen kurzfristig Geld bringen, aber der Bank langfristig schaden.

Obwohl die Bonuszahlungen der Sparkassen deutlich unter den Summen an der Wall Street liegen: Wenn ein Vorstand heute viele Kreditabschlüsse vorantreibt, bekommt er tendenziell hohe Boni. Und wenn diese Kredite fünf Jahre später platzen, zahlt nur noch die Bank.


Der Sparkassen-Check ist eine Kooperation zwischen CORRECTIV und der FAZ. Gemeinsam mit Lokaljournalisten und Bürgern werten wir wichtige Daten zu jeder Sparkasse in Deutschland aus. In den letzten Monaten haben sich mehr als 600 Personen an der Recherche beteiligt. In unserer virtuellen Redaktion, dem CrowdNewsroom, werden alle Ergebnisse veröffentlicht. Neben den Vorstandsgehältern finden sich dort mittlerweile auch Daten zu den Dispozinsen und faulen Krediten der Sparkassen.

Datenrecherche: Lisa McMinn, Lovis Krüger, Lea Albring, Lara-Marie Müller, Matthias Bolsinger und etwa 600 Mitglieder in der virtuellen Redaktion auf CrowdNewsroom.org

Unterstützung beim Faktencheck: Daniel Schmidt/ Uni Hohenheim

Datenanalyse & Visualisierung: Simon Wörpel