Spendengerichte

Intransparenz trotz Korruptionsfall: Wohin verteilen Richter die Geldauflagen in Baden-Württemberg?

In Baden-Württemberg ist nicht transparent, welche Vereine von einem Geldsegen aus der Justiz profitieren. Der Korruptionsskandal eines Badener Richters zeigt, warum das problematisch ist.

von Jonathan Sachse

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Eine Lupe zoomt auf Baden-Württemberg. Münzstapel zeigen die Verteilung von Bußgeldern durch das Amtsgericht Baden-Baden an Vereine und in die Staatskasse. Grafik: Nina Bender

Die Justiz in Baden-Württemberg hält als einziges Bundesland geheim, wer die Empfänger von Geldauflagen aus eingestellten Strafverfahren sind. Das ist besonders bemerkenswert, weil ausgerechnet ein badischer Richter im Januar in einem Korruptionsprozess verurteilt wurde, bei dem es um die Verteilung von Geld ging.

Der Richter nutzte seine Macht, um in den Jahren 2012 bis 2017 Geldauflagen in Höhe von rund 150.000 Euro an den Fußballverein FV Baden-Oos zu lenken. Dort arbeitete ein befreundeter Ex-Polizist, der sich regelmäßig mit Einladungen zum Essen bedankte. Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf.

Der Fußballverein erhielt auch nach Durchsuchungen der Staatsanwaltschaft weiterhin Geld vom Gericht

Das Pikante: Wie CORRECTIV-Recherchen nun zeigen, flossen im Jahr 2018 sogar nach den Durchsuchungen der Staatsanwälte noch einmal 3.500 Euro an den Fußballverein. Das Geld kam wie zuvor vom Amtsgericht Baden-Baden. Dort arbeitete der mittlerweile Suspendierte als Strafrichter. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Karlsruhe teilte dazu mit: „Geldauflagen aus dem Jahr 2018 waren nicht Gegenstand des Verfahrens.“ Da in diesem Zeitraum keine Essenseinladungen mehr folgten, seien spätere Geldauflagen für das hiesige Verfahren irrelevant gewesen.

Das Landgericht Karlsruhe verurteilte den Richter im Januar 2023 unter anderem wegen Bestechlichkeit zu zwei Jahren auf Bewährung. Zudem soll er einen vierstelligen Betrag an Transparency International – der Verein, der Korruption bekämpft – zahlen.

In der vergangenen Woche hat CORRECTIV die aktualisierte Spendengerichte-Datenbank veröffentlicht, in der die Geldströme von Richterinnen und Staatsanwälten zu rund 50.000 Organisationen enthalten sind.

Die Redaktion von CORRECTIV hat bereits in den ersten Tagen mehrere Hinweise zu mutmaßlich fragwürdigen Fällen erhalten, die zusammen mit Lokalreporterinnen und -reportern aus dem Netzwerk CORRECTIV.Lokal gegenwärtig recherchiert werden.

Die Spendengerichte-Recherche

In den Jahren 2007 bis 2021 zahlten Beschuldigte mehr als eine Milliarde Euro, um Strafverfahren zu beenden. CORRECTIV.Lokal hat exklusiv die Geldströme von rund 50.000 Organisationen zusammengetragen. Die gezahlten Geldauflagen sind in der neuen Spendengerichte-Datenbank frei durchsuchbar.

Diese Recherche ist eine Kooperation von zahlreichen Lokalmedien und CORRECTIV.Lokal. Mit dem Netzwerk fördern wir Recherchen im Lokaljournalismus und untersucht derzeit die Hintergründe zu zahlreichen Geldauflagen. Neben gemeinsamen Recherchen bieten wir den mehr als 1.500 Mitgliedern Fortbildungen an und unterstützen den Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern vor Ort. Dadurch stärken wir die Demokratie.

In Baden-Württemberg ist es nur schwer möglich, an Informationen zu kommen. Das Justizministerium veröffentlicht pro Jahr nur die Namen der drei gemeinnützigen Einrichtungen, die am meisten Geld erhalten haben und ansonsten nur Gesamtsummen. In den Jahren 2017 bis 2021 gingen 60 von 113 Millionen Euro an gemeinnützige Einrichtungen. Der Rest floss in die Staatskasse. Wer das Geld verteilt und welche Vereine es erhalten haben, wird nicht bekanntgegeben.

Nach einer Rüge des Rechnungshofs wurde das System nicht transparenter

CORRECTIV machte bereits 2014 auf die Informationslücke aufmerksam. Im selben Jahr forderte der baden-württembergische Rechnungshof: „Die Geldauflagen bei Gerichten und Staatsanwaltschaften sollten flächendeckend nach Einzelempfänger ausgewertet werden.“ Zudem sollen Gerichte und Staatsanwaltschaften über die einzelnen Empfänger informiert werden und mehr Geld der Staatskasse zukommen.

„Die Listen der Einzelempfänger und entsprechenden Zuweisungen werden bereichsscharf für die jeweiligen Gerichte und Staatsanwaltschaften vor Ort generiert und sind insofern auch einer Analyse zugänglich“, sagt Anna Härle, Sprecherin des baden-württembergischen Justizministeriums. Eine dezentrale Darstellung habe den Vorteil, dass mögliche pflichtwidrige Zuweisungen leichter erkennbar seien.

Der Korruptionsfall am Amtsgericht Baden-Baden zeigt, dass dieses Kontrollsystem offenbar nicht flächendeckend funktionierte. Es stellt sich die Frage, warum das Land bisher diese Listen nicht gesammelt veröffentlicht hat. Vorbilder dafür gibt es bereits.

In anderen Bundesländern sind Geldauflagen transparenter als in Baden-Württemberg

In Bremen, Berlin, Hamburg, Niedersachsen und Sachsen werden mittlerweile alle Geldauflagen detailliert und proaktiv im Internet veröffentlicht. Für die Öffentlichkeit ist dadurch einsehbar, welche Empfänger in welcher Höhe von Geldauflagen profitiert haben und welche Gerichte oder Staatsanwaltschaften darüber entschieden haben.

CORRECTIV hat exemplarisch die Spenderlisten am Amtsgericht Baden-Baden, dem Arbeitsort des suspendierten Richters, angefragt und erhalten. Somit wird zum ersten Mal für ein Gericht in Baden-Württemberg der Geldfluss transparent. Den gleichen Weg gehen aktuell Lokalreporterinnen aus dem Netzwerk CORRECTIV.Lokal, die ihre Gerichte vor Ort anfragen.

Die Listen der Geldauflagen am Amtsgericht Baden-Baden zeigen: Offenbar werden erst seit dem Jahr 2020 die genauen Empfänger ausgewertet. Seitdem die Namen bekannt gemacht werden, profitieren weniger Einrichtungen.

„Es erfolgte erst ab dem Jahr 2020 eine einheitliche Vorgehensweise in der statistischen Erfassung der Einzelempfänger“, sagt Richterin Annette Zeller, ​​Vorsitzende Richterin am Landgericht Baden-Baden. Zuvor sei nur eine statistische Erfassung nach Empfängergruppen erfolgt. „Hiervon unabhängig wurde in den Jahren 2018 und 2019 teilweise bereits damit begonnen, auch die einzelnen Empfänger zu erfassen.“

Im vergangenen Jahr profitieren am meisten der Opferschutz und der Verein aktionkinderschutz aus Karlsruhe und der Baden-Württembergische Luftfahrtverband. Die folgende Tabelle zeigt alle Profiteure.


Die Geldflüsse aus dem Amtsgericht Baden-Baden sind nun auch in der Spendengerichte-Datenbank von CORRECTIV enthalten. Darin ist sichtbar, wie die deutsche Justiz insgesamt mehr als 1,2 Milliarden Euro verteilte.

Grafiken: Nina Bender