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Stiftungen aus Deutschland und den USA stärken Albaniens Möchtegern-Trump den Rücken

Im Mai stehen Parlamentswahlen in Albanien an. Oppositionsführer Sali Berisha strebt trotz Korruptionsanklage nach der Macht. Zu seinen Unterstützern zählen eine Stiftung aus dem MAGA-Lager und die deutsche Konrad-Adenauer-Stiftung.

von Gabriela Keller , Elena Kolb

Demonstration held in Tirana in support of former Albanian Prime Minister Sali Berisha
Der albanische Oppositionsführer Sali Berisha ist wegen Korruption angeklagt und stand zeitweise unter Hausarrest. In seiner Heimat demonstrieren seine Unterstützer für den konservativen Politiker. Auch Stiftungen aus Deutschland und den USA stehen Berisha zur Seite. Foto: Olsi Shehu/Anadolu /picture alliance

Eigentlich sieht es nicht gut aus für Sali Berisha, den albanischen Oppositionsführer: In seiner Heimat droht ihm wegen Korruptionsvorwürfen ein Prozess, in den USA hat er ein Einreiseverbot, und im Herbst 2024 stand er in Albanien zeitweilig sogar unter Hausarrest.

Trotzdem scheint er mit Blick auf die Parlamentswahlen im Mai guter Dinge: Denn offenbar hat er einflussreiche Unterstützer: „Wir haben ein exzellentes Programm, ein Programm, wie es Albanien noch nie gesehen hat“, sagte er Mitte März im Trump’schen Superlativ-Stil: „Ein Programm, das gestaltet wurde mit den besten internationalen Experten der Heritage und der Adenauer Stiftungen.“ Sein Programm trage das „Siegel“ beider Stiftungen und werde Albanien „rapide transformieren“.

Berisha, 81 Jahre alt, der als konservativ geltende ehemalige Ministerpräsident des Landes, stilisiert sich im Wahlkampf als albanische Trump-Version. Im Januar schrieb er einen Brief an den US-Präsidenten und warb um Unterstützung: Darin bezeichnete er Trumps Wahlsieg in den USA als „Wunder“ und „Rettung für die Vereinigten Staaten.“

Die Konrad-Adenauer-Stiftung zählt zu Berishas Kampagnen-Unterstützern

Nun hat er die amerikanische Heritage Foundation an seiner Seite, die als Wegbereiterin der Trump-Regierung gilt und mit dem „Project 2025“ eine Art Anleitung für den radikalen Umbau der USA lieferte – nun will sie offenbar auch im albanischen Wahlkampf Einfluss nehmen. Und als Dritte im Bunde kommt die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) dazu. Unterstützung für konservative Parteien zählt zu den üblichen Tätigkeiten der KAS-Büros im Ausland.

Aber wirft der Fall in Albanien heikle Fragen auf: Wie offen sollte eine Stiftung, die in Deutschland und international für Freiheit und Demokratie eintritt, einem erklärten Trump-Fan unter Korruptionsverdacht zur Seite stehen? Auch das auf Klima-Recherchen spezialisierte britische Portal DeSmog berichtet über die Gemengelage und analysiert, wie die Heritage Stiftung seit dem Wahlsieg Trumps Einfluss in Europa sucht und internationale Allianzen zwischen rechten Parteien schmiedet.

Die Konrad-Adenauer-Stiftung teilt auf Anfrage von CORRECTIV mit, es sei ein „besonderes Anliegen“ ihrer internationalen Arbeit, „die Zusammenarbeit mit uns nahestehenden Parteien zu pflegen“ und diese zu unterstützen – also mit konservativen Parteien in aller Welt. In Albanien wolle sie die „demokratische und rechtsstaatliche Entwicklung“ des Landes auf dem Weg in die EU begleiten, die „innerparteiliche Demokratie stärken.“

Mit der Heritage Foundation gebe es in Albanien keine Zusammenarbeit, teilt die KAS mit. Die Demokratische Partei Albaniens habe „eigene Verbindungen zur Heritage Foundation.“

„Make Albania Great Again“

Für Berisha kommt die internationale Wahlkampfhilfe zu einem kritischen Zeitpunkt. Der Ex-Regierungschef steht seit Herbst 2024 wegen eines dubiosen Deals unter Anklage: Er soll seinen Einfluss genutzt haben, um seinem Schwiegersohn zu einem lukrativen Immobilliengeschäft zu verhelfen. Auf Anfrage von CORRECTIV reagierte er nicht. Laut albanischer Medienberichte streitet er die Vorwürfe ab und stellt sich als Opfer einer Verschwörung zwischen der albanische Regierung unter Edi Rama und des US-Milliardärs George Soros dar.

Auch bei seinen Wahlversprechen scheint sich Berisha am US-Präsidenten ein Vorbild zu nehmen, wie es auf der Nachrichtenwebsite Balkan Insight heißt: Steuersenkungen und der Kampf gegen die „woke“ Kultur. Er griff sogar den MAGA-Slogan („Make America Great Again“) auf: „Make Albania Great Again“.

Die Beziehungen zwischen Amerika und Albanien sind historisch sehr eng: „Die USA haben massiv Einfluss in Albanien“, sagt Franziska Tschinderle, Balkan-Expertin und Journalistin in Tirana. In Berishas Büro, sagt sie, stehen seit Langem eine EU- und eine Nato-Flagge. Neu ist ein rotes MAGA-Käppi. Tschinderle geht eher von Opportunismus als von ideologischer Überzeugung aus. „Sicher hat Berisha ein Interesse daran, dass die Sanktionen in den USA gegen ihn fallen, und dass er unter der Trump-Regierung mehr Gewicht bekommt.“

Auch Konrad Clewing vom Leibniz-Institut für Ost- und Südost-Europaforschung in Regensburg betont die traditionelle Bindung der Albaner an den Westen: „Es gibt wahrscheinlich fast kein Amerika-freundlicheres Land. Und es gibt eine lange Tradition, in Amerika Lobbyarbeit zu machen und die albanische Community dort einzuspannen.“ Auch Deutschland spiele eine wichtige Rolle; die Konrad-Adenauer-Stiftung sei in Tirana ein fester Begriff. „Berisha ist in einer bedrängten Lage, auch, weil Konflikte in Albanien sehr feindselig geführt werden“, sagt der Historiker, „mit einem Wahlsieg kann er wohl nicht rechnen, aber vielleicht damit, dass er politisch und juristisch weniger angreifbar ist.“

Heritage Foundation sei Brücke von Berisha zu Trump 

In den sozialen Netzwerken brüstet sich Berisha mit seinen Kontakten zur Heritage Foundation. Auf Facebook schrieb er, die Trump-nahe Stiftung biete seiner Partei „ihr Fachwissen“ an und sei eine „wertvolle Brücke“ zur Trump-Regierung.

Das MAGA-Lager will Albanien offenbar für den Export seiner Agenda nutzen: So planen die amerikanischen Rechten nun einen Ableger eines ihrer wichtigen Events nach Albanien zu bringen: Die CPAC (Conservative Political Action Conference) dient als Plattform zur Vernetzung des ultra-rechten Lagers. Seit einigen Jahren gibt es die Konferenz nicht nur in Amerika, sondern auch in Ungarn und Argentinien – und nun wohl auch in Albanien, mitorganisiert von Berishas Democratic Party.

Diese geriet vor zwei Jahren schon einmal wegen fragwürdiger Unterstützung in die Schlagzeilen: Laut Medienberichten soll sie vor den albanischen Wahlen 2017 rund 500.000 Dollar aus Russland erhalten haben, was Vertreter der Partei zurückwiesen.

Auch das renommierte US-Portal Mother Jones berichtete 2018 über dubiose Zahlungen: Damals war es der frühere Trump-Berater Nick Muzin, der die Demokratische Partei Albaniens im Wahlkampf unterstützte –  das Geld für seine Arbeit soll zu großen Teilen über eine schottische Briefkastenfirma mit Verbindungen nach Russland geflossen sein.

Die Demokratische Partei lässt eine Anfrage von CORRECTIV zunächst unbeantwortet. Nach der Veröffentlichung teilt der Pressesprecher mit,  es handele sich um „irreführende und substanzlose Vorwürfe“. Er weist darauf hin, dass Sali Berisha zu der Zeit auch keine offizielle Funktion in der Partei gehabt habe.

Allerdings Berisha ist längst nicht der Einzige, der unter Verdacht krummer Geschäfte steht. Albanien gilt als eines der korruptesten Länder der Welt. Vor wenigen Monaten hat die Regierung von Berishas Widersacher, Rama, Trumps Schwiegersohn Jared Kushner eine vorläufige Genehmigung für ein umstrittenes Bauprojekt erteilt: Kushner will auf einer Insel vor der albanischen Südküste ein Luxusresort bauen –  mitten in einem Naturschutzgebiet.

Berisha sucht Verbündete bei der deutschen Union 

Eine offene Frage bleibt, wie die Konrad-Adenauer-Stiftung in das Bild passt. Mehrere Experten, mit denen CORRECTIV sprach, bewerten die Arbeit der KAS in Albanien als wichtig und gut, vor allem beim Thema Vergangenheitsbewältigung. Die CDU-nahe Stiftung ist in rund 120 Ländern vertreten. Auf der anderen Seite werfen die Verflechtungen in Albanien die Frage auf, ob die KAS bei der Wahl ihrer Partner vorsichtiger sein sollte.

Ein Beobachter, der die Arbeit der KAS in Osteuropa gut kennt, spricht von einem teilweise schwer berechenbaren Umfeld. Die Stiftung will international demokratische Strukturen fördern, stößt aber vor Ort mitunter auf eher undemokratische Parteien und rechtsstaatliche Mängel. Wenn es gut läuft, können die KAS-Mitarbeiter demokratische Strukturen mit aufbauen; läuft es schlecht, verhelfen sie den Falschen an die Macht.

In Albanien wurde Berisha mehrfach von der Stiftung als Gast eingeladen. Auf Facebook bedankt er sich für die „wertvolle Unterstützung“ der KAS. Im Februar durfte er sein Partei-Programm bei einer Veranstaltung der KAS präsentieren; wie die KAS auf Anfrage mitteilt, handelte es sich um eine Tagung zu Wirtschaftspolitik. Mit dabei war auch Steven Bucci, Visiting Fellow der Heritage Foundation.

Treffen mit Russland-Freunden am Comer See

Der Chef der Konrad-Adenauer Stiftung in Albanien, Thomas Kunze, drückte per Videobotschaft seine Unterstützung für die Demokratische Partei aus. Der in der DDR studierte Historiker zeigt schon länger einen Hang zum Autoritären: Anfang der 2000er Jahre leitete er das KAS-Büro in Usbekistan, wo der ehemalige sowjetische Kader Islam Karimow mit harter Hand regierte.

Karimow ließ die Opposition unterdrücken, die Medien verfolgen und in den Gefängnissen wurde systematisch gefoltert. Trotzdem suchten anfänglich westliche Stiftungen, und vor allem die KAS unter Kunze, den Dialog mit Vertretern des Regimes. Am 13. Mai 2005 schlugen usbekische Sicherheitskräfte einen Volksaufstand in der usbekischen Provinzstadt Andischan blutig nieder. Am fünften Jahrestag des Massakers organisierte Kunze ein Seminar in Usbekistan – ohne in dem Memorandum die Bluttat zu erwähnen. Danach leitete er von 2019 bis zum russischen Angriff auf die Ukraine 2022 die Stiftung in Russland.

Im Winter 2024 soll Kunze nach Informationen von CORRECTIV ein brisantes Treffen der KAS in der Stiftungs-eigenen ehemaligen Villa Konrad Adenauers am Comer See organisiert haben: Kremlnahe Lobbyisten wie Alexander Rahr und die ehemaligen CDU-Politiker Friedbert Pflüger und Ronald Pofalla waren laut einem Bericht des Focus dabei. Diese Politiker gelten als Teil eines russlandfreundlichen Flügels der CDU. Die KAS sprach auf Nachfrage von CORRECTIV von einer „nicht öffentlichen Tagung“, bei der es um eine „kritische Betrachtung der früheren deutschen und europäischen Russlandpolitik“ gegangen sei; zu der Frage nach der Rolle Kunzes antworteten weder er selbst noch die KAS-Pressestelle.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter kritisierte das Treffen scharf, lobte aber die Arbeit der KAS in der Ukraine oder im Baltikum: „Dort wird sehr viel Vertrauen aufgebaut“, sagte er dem Focus. „Dieses Engagement brauchen wir.“

„Langjährige, punktuelle Kontakten“ zu Orbán-nahem Thinktank

Die Konrad-Adenauer-Stiftung gibt kein einheitliches Bild ab; aus dem Umfeld der Stiftung heißt es: Gerade über den richtigen Umgang mit Russland werde hinter den Kulissen oft gestritten. Allerdings pflegt die KAS auch in anderen Ländern heikle Beziehungen: In Ungarn zum Beispiel suchte sie offenbar die Nähe zu einem weiteren Freund von Donald Trump: Die ungarische Denkfabrik Mathias Corvinus Collegium (MCC) steht finanziell und ideologisch dem Ministerpräsidenten Viktor Orbán nahe.

CORRECTIV-Recherchen zeigen, dass das MCC europaweit Rechtskonservative zu vernetzt und Klimaleugner hofiert. Bis vor Kurzem war das MCC noch als Partner des KAS-Büros in Ungarn gelistet. Nach einer Veröffentlichung von CORRECTIV verschwanden diese Angaben von der Website. Eine ungarische Nichtregierungsorganisation berichtete kürzlich, dass die KAS mehrfach Orbán-nahe Organisationen mit Geld unterstützt haben soll – unter anderem das MCC.

Auf Nachfrage von CORRECTIV zu ihren Ungarn-Kontakten spricht die KAS-Pressestelle von „langjährigen punktuellen Kontakten“ zu dem Orbán-nahen Thinktank. Sie habe das MCC nicht finanziell bezuschusst, sondern „im Rahmen der Maßnahmenkooperation entstandene Kosten wurden direkt durch unser Auslandsbüro in Budapest an den Leistungserbringer (z.B. Dolmetscher oder Dienstleister für Veranstaltungstechnik) bezahlt“, teilt die KAS umständlich mit.

Aktuell, schreibt die Stiftung weiter, versuche die KAS in Ungarn „noch intensiver, pro-europäische Kräfte in Ungarn“ in ihre Arbeit einzubeziehen. Dazu gehöre aber auch ein kritischer Dialog mit den Regierungsparteien. Auf den Widerspruch, wie mit Kontakten zu anti-demokratischen Parteien wie Orbáns Fidesz oder mutmaßlich korrupten Politikern wie Berisha die Demokratie gestärkt werden soll, geht die Pressestelle nicht ein.

Redaktion: Anna Kassin und Justus von Daniels
Faktencheck: Anna Kassin


In die Passage über Berichte über mutmaßliche verdeckte Zahlungen an die Demokratische Partei wurde nach der Veröffentlichung eine Stellungnahme des Parteisprechers ergänzt, die CORRECTIV nachträglich erreichte.