TTIP

Als Bittsteller im US-Leseraum

Europas Regierungen sind genervt über die Geheimniskrämerei: Wenn sie sich über den aktuellen Stand der TTIP-Verhandlungen informieren wollen, müssen sie in der nächsten US-Botschaft vorstellig werden. Dort dürfen sie dann maximal drei Stunden lang konsolidierte Papiere einsehen.

von Justus von Daniels , Marta Orosz

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Monatelang haben die EU-Regierungen dafür gekämpft, Zugang zu den TTIP-Verhandlungspapieren zu bekommen. Die USA hatten das blockiert, weil offiziell nur die EU-Kommission, aber nicht die EU-Staaten an den Verhandlungen beteiligt sind.

Fast jedes Treffen, bei dem sich die Vertreter der Mitgliedstaaten bei der EU-Kommission über den Stand der Verhandlungen informieren, endet mit einem Ruf nach mehr Transparenz. Am 11. Juli 2014 etwa: „Zur Frage des Zugangs zu Dokumenten erklärten die wortnehmenden Mitgliedstaaten erneut, dass ein Lesesaal in Brüssel nicht ausreiche. Zumindest müssten kurzfristig ergänzend in den Hauptstädten Lesesäle eingerichtet werden. Deutschland unterstrich, dass die konsolidierten Texte an die Mitgliedstaaten übersandt werden müssten.“

Konsolidierte Texte — so nennen die Handelsexperten die ersten gemeinsamen Entwürfe für einzelne Vertragskapitel. Diese Entwürfe wollen die EU-Regierungen gern sehen, um zu beurteilen, in welche Richtung die Verhandlungen gehen. Doch die US-Regierung verhindert das bis heute. 

Die EU-Kommission schlug den Regierungsvertretern bei einem Treffen am 10. Oktober 2014 vor, selbst bei den Amerikanern vorzusprechen: „Die Kommission empfahl, das Thema Transparenz (Zugang zu Verhandlungsdokumenten) regelmäßig bei hochrangigen Treffen gegenüber der U.S.-Seite zu thematisieren.“

Nach einem halben Jahr erklärten sich die Amerikaner bereit, Leseräume in den US-Botschaften europäischer Hauptstädte wie Berlin, Bratislava oder Madrid einzurichten. Das empfanden einige Regierungen als Zumutung. Denn die Hausregeln sind streng. Laut interner Anweisung der USA dürfen nur Regierungsbeamte der Ländern hinein, nicht aber Parlamentarier.

Geöffnet haben die Botschaften immer nur montags und mittwochs. Die Beamten dürfen dann maximal dreieinhalb Stunden hinein, um die komplexen Dokumente zu lesen. Nur Stift und Papier sind zugelassen, damit sich die Beamten wenigstens handschriftliche Notizen machen können. Handys sind nicht erlaubt, Kopien dürfen sie auch nicht anfertigen. 

Doch wir bewegen uns im Reich der Diplomatie. Da gilt es, seinem Ärger über solche Gängelung betont höflich Luft zu machen. Am 8. Dezember 2014 hält das deutsche Auswärtige Amt über ein Treffen fest: „Zahlreiche Mitgliedstaaten sprachen sich für einen besseren Zugang zu Verhandlungsdokumenten aus. Leseräume in den US-Botschaften könnten nur ein erster Schritt sein.“

Frankreich schlägt nun härtere Töne an. Im April sagte ein Vertreter der französischen Regierung laut Mitschrift des Auswärtigen Amtes, dass Frankreich „den Zugang zu den Texten in den US-Botschaften zu US-Bedingungen“ ablehne. Ein rumänischer Beamter hielt sogar fest, dass „die Leseräume bestehn, die Dokumente aber noch nicht vor Ort sind.“