TTIP

CETA wackelt

Eigentlich ist CETA, das Freihandelsabkommen mit Kanada, bereit zur Unterschrift. Aber nun fordern Rumänien, Luxemburg und Bulgarien Änderungen – ansonsten wollen sie den Handelspakt mit Kanada scheitern lassen. Auch Berlin stellt Bedingungen.

von Justus von Daniels , Marta Orosz

Auf ihn kommt es an. Der kanadische Premierminister soll noch Bedingungen erfüllen. Sonst drohen einige EU-Staaten mit Veto gegen CETA.© Justin Trudeau at Presse Cafe von davehuehn unter Lizenz CC BY-NC-ND 2.0

Kurz bevor in der EU über das Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) entschieden werden soll, stellen mehrere europäische Regierungen Bedingungen für ihre Zustimmung.

Der rumänische Ministerpräsident hat angekündigt, sein Veto gegen CETA einzulegen, wenn Kanada rumänischen Bürgern keine Visafreiheit gewähre. Ähnliche Stimmen kommen aus Bulgarien. Das luxemburgische Parlament hat Nachbesserungen bei den geplanten Schiedsgerichten gefordert. Und die deutsche Regierung will nur zustimmen, wenn auch der Bundestag über CETA abstimmen darf.

Seit fünf Jahren haben die EU-Kommission und die kanadische Regierung über das Freihandelsabkommen CETA verhandelt, über Handelserleichterungen und die Einrichtung von Sondergerichten für Unternehmen.

Über den fertigen Vertrag müssen nun die einzelnen EU-Regierungen abstimmen. Das Veto eines EU-Staates würde genügen, damit CETA nicht in Kraft tritt.

Rumänen blocken

Ausgerechnet Rumänien und Bulgarien könnten zu einem entscheidenden Faktor werden. Bei der rumänischen Regierung ist die Enttäuschung besonders groß, dass es der EU-Kommission nicht gelungen ist, die Visafreiheit für rumänische Staatsbürger durchzusetzen.

„Wie soll ich als Kleinunternehmer in Kanada tätig sein, wenn ich für jede Einreise ein Visum beantragen muss?“, fragt Alexandru Surcel von der rumänischen Aktivistengruppe România Vie. In einem am Freitag veröffentlichten Brief fordern mehrere Organisationen gemeinsam mit den rumänischen Gewerkschaften, dass Rumänien ein Veto gegen CETA einlegen soll. Hier ist der Brief:

Der rumänische Ministerpräsident Dacian Cioloș will seine Vetomacht nun als Pfand einsetzen, um die Visapflicht in letzter Minute doch noch aufheben zu lassen. Er kündigte an, dieses Thema Mitte Juni bei einem Treffen mit seinem kanadischen Amtskollegen klären zu wollen. Gleiches plant die bulgarische Regierung.

Aus Kreisen der EU-Kommission hieß es gegenüber Correctiv, die Visafreiheit sei ein wichtiges Anliegen. Es sei im Interesse der EU und Kanadas, sobald wie möglich eine Lösung zu finden.

Klage wegen Zyanidverbot

Auch in Sachen Schiedsgerichten gibt es noch viele kritische Stimmen: Vor ihnen sollen – wie in vielen Freihandelsabkommen – Streitfälle zwischen Investoren und Regierungen verhandelt werden.

Rumänien hat in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit einem kanadischen Unternehmen gemacht. Der kanadische Investor Gabriel Resources verklagte 2015 den rumänischen Staat, weil der keine Genehmigung für das Schürfen von Gold und Silber in der Region Roșia Montana erteilte. Jahrelang hatten Aktivisten und Anwohner dagegen protestiert, dass der Konzern dort mithilfe von Zyanid Edelmetalle fördert. Zyanid kann schwere Gesundheitsschäden verursachen. Der Investor verlangt nun hohen Schadensersatz.

Einwände aus Luxemburg

Auch Luxemburg meldet noch erhebliche Zweifel vor allem an den Schiedsgerichten an.

Mit dem neuen kanadischen Premier Justin Trudeau konnte sich die EU nach dem Ende der offiziellen Verhandlungen darauf einigen, dass es eine Reform der Sonderklagerechte für Konzerne geben wird. Statt der umstrittenen privaten Schiedsgerichte soll in CETA nun eine gerichtsähnliche Strukur geschaffen werden.

Dem Luxemburger Parlament gehen die Vorschläge allerdings nicht weit genug. Die Abgeordneten verabschiedeten in der vergangenen Woche eine Resolution, in der sie ihre Regierung auffordern, CETA nicht zuzustimmen, solange die Unabhängigkeit der Richter vor dem geplanten Schiedsgericht nicht gewährleistet sei.

Zudem bestehen die Luxemburger Abgeordneten darauf, dass auch die nationalen Parlamente über den Vertrag abstimmen. Das ist bislang nicht vorgesehen.

Nur mit dem Bundestag

Auch die Regierung in Berlin macht ihre Zustimmung davon abhängig, dass der deutsche Bundestag über den Vertrag abstimmt. Gegenüber dem Recherchezentrum CORRECTIV äußerte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums: „Die Bundesregierung wird CETA auch nur in Form eines gemischten Abkommens zustimmen.“

Gemischt heißt ein Abkommen, wenn der Vertrag auch Themen betrifft, die in der Zuständigkeit der Parlamente liegen. Diese Teile dürfen erst angewendet werden, wenn die nationalen Parlamente zugestimmt haben. Die deutsche Regierung stellt klar, dass die Handelsgerichte dazu gehören: Investitionsschutz, so das Bundeswirtschaftsministerium, falle „in eine gemischte Zuständigkeit.“

Die EU lässt bislang offen, ob die Parlamente zustimmen dürfen. Bislang galt es als wahrscheinlich, dass die EU-Kommission hier nachgibt und die Länderparlamente einbezieht, da viele EU-Regierungen, darunter Deutschland, intern mehrfach klargestellt haben, dem Vertrag sonst nicht zuzustimmen. Letzten Freitag hat die italienische Regierung laut eines Berichts des „Spiegel“ signalisiert, dass sie auf die Abstimmung der Parlamente verzichten möchte, damit CETA schnell angewendet werden kann. Damit droht Streit zwischen den Regierungen.

Klage gegen CETA

In Deutschland bereiten Verbände zurzeit eine Kampagne gegen CETA vor, um den Vertrag zu verhindern. Sie wollen sowohl CETA als auch das Handelsabkommen mit den USA (TTIP) stoppen. Die Organisationen Foodwatch und Campact haben zudem eine Klage beim Bundesverfassungsgericht gegen CETA eingereicht, weil der Vertrag die Rechte des Bundestages verletze.

Geplant ist, dass die europäischen Regierungen im Herbst über CETA abstimmen. Sollten auch die nationalen Parlamente miteinbezogen werden, würde es noch einmal mehrere Jahre dauern, bis CETA vollständig in Kraft tritt.