TTIP

SPD-Linke rettet Gabriel

Keine andere Partei arbeitet sich so an den geplanten internationalen Handelsabkommen ab wie die SPD. Sie hatte für Montag extra einen eigenen Parteikonvent für CETA einberufen, zu dem selbst die kanadische Handelsministerin anreiste. Die Mitglieder stimmten am Ende mit großer Mehrheit für CETA – allerdings mit Forderungen.

von Justus von Daniels

© Justus von Daniels

Am Montagvormittag, kurz vor Beginn des SPD-Parteikonvents in Wolfsburg, war die Stimmung vor der Tür durchaus kämpferisch und längst nicht entschieden. Mehrere Hundert Demonstranten hatten sich versammelt, riefen „Stop TTIP, Stop Ceta“ und appellierten an die SPD.

„SPD habt Mut – CETA Stop und gut.“ Was sich so reimt.

Delegierte aus SPD-Landesverbänden bekundeten vor den aufgebauten Fernsehkameras ihre Ablehnung gegen das Handelsabkommen mit Kanada. Und das, obwohl der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel für die Zustimmung zu CETA warb. Mehr als 50 kritische Anträge waren zuvor eingereicht worden, viele davon forderten den Freihandelspakt mit Kanada zu begraben. Und damit gegen Gabriel zu stimmen.

Eine SPD-Delegierte vor der Abstimmung: „Habe alles gelesen. Kann nicht zustimmen.“

Aber die Gegner hatten ihre Rechnung ohne den einflußreichen SPD-Bezirk Hannover gemacht.

In dem traditionell linken Bezirksverband hatten sich am Wochenende der SPD-Linke Matthias Miersch und der Genosse Bernd Lange, der dem Handelsausschuss im Europaparlament vorsitzt, getroffen und an einem Antrag gearbeitet, um die SPD-Basis zu befrieden. Ihr Plan ging auf. Mehr als zwei Drittel der Delegierten stimmten am Montagabend für den Antrag und damit für die Pläne Gabriels.

Niels Schmid, SPD-Vorsitzender BaWü, ist vor der Abstimmung optimistisch. Trotz der Proteste

Koordiniert war die Aktion von Niedersachens Ministerpräsident Stephan Weil – nach eigener Aussage bis vor ein paar Wochen „nicht gerade ein Experte in Sachen Handelsverträge“. Er sprach die Linie mit Miersch und Lange ab, telefonierte am Samstag und Sonntag mit vielen Delegierten. Am Montagmorgen dann übernahm der Vorstand der SPD den Antrag und brachte ihn selbst ein.

Für Gabriel war dieser kleine CETA-Parteitag auch eine Vertrauensfrage. Sein erster Vorschlag zu CETA wurde im Vorfeld von vielen SPD-Linken stark kritisiert. Gabriels Position war ihnen zu nah an dem fertig verhandelten Vertrag. In der Parteiführung wuchs die Sorge, ob genug Delegierte Gabriels Vorschlag folgen würden. Am Montagmorgen dann die Rettung. Der Bundesvorstand konnte jetzt den neuen Hannover-Antrag als Änderungsantrag zum Vorstandsplan auf dem Parteikonvent verteilen.

Die Forderungen

Im Antrag finden sich zahlreiche Zugeständnisse an die CETA-Kritiker:

  • Nachbesserungen im Investitionsschutz: Ausländische Firmen sollen nur klagen dürfen, wenn sie gegenüber inländischen Firmen diskriminiert werden. Das lässt den Konzernklagerechten nur noch wenig Spielraum.
  • Es soll klar gestellt werden, dass CETA-Gremien keine eigenen Entscheidungen treffen und den Vertrag ändern können.
  • Es soll im Vertrag deutlich stehen, dass das Vorsorgeprinzip gilt. Das Prinzip besagt, dass Produkte erst zugelassen werden, wenn Gefährdungen ausgeschlossen sind.
  • Die Antragsteller fordern, dass der CETA-Vertrag überhaupt erst vorläufig angewendet werden soll, nachdem gesellschaftliche Gruppen angehört wurden und das Europäische Parlament über Änderungen entschieden hat.

Das klang in den Ohren der Kritiker erstmal ziemlich gut.

Das ist der Änderungsantrag, dem die SPD-Delegierten zugestimmt haben.

Kanadierin begeistert die Delegierten

Es sind allerdings erhebliche Änderungen, die ohne Unterstützung aus Kanada vollkommen unrealistisch wären. Aber die kam – zumindest rhetorisch und in Gestalt der kanadischen Handelsministerin Chrystia Freeland. Sie war eigens nach Wolfsburg gereist und hielt im Anschluss an Gabriel eine Rede, die von Teilnehmern des Konvents als „begeisternd“ beschrieben wurde. Freeland forderte, dass die Politik die Globalisierung gestalten können müsse und deutete an, dass Nachbesserungen auch im kanadischen Interesse seien. Den Vertrag wolle man zwar nicht aufschnüren, aber rechtlich verbindliche Änderungen zulassen.

Auch der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann warb auf dem Konvent grundsätzlich für CETA. Er blieb bei der Linie der Gewerkschaften, dass der Vertrag in der derzeitigen Form nicht zustimmungsfähig sei. Er ließ aber erkennen, dass er nicht gegen CETA sei, wenn die geforderten Verbesserungen noch eingearbeitet würden.

Nach diesen Reden deutete sich Angaben von Teilnehmern zufolge schon eine Mehrheit der Delegierten für den Hannover-Antrag an. Kurz nach 18 Uhr stand fest: Eine große Mehrheit der SPD geht nun ein gutes Stück mit Gabriels CETA-Politik mit. Auch dank des niedersächsischen Ministerpräsidenten Weil und zwei weiterer Genossen, die für Gabriel hier die Kohlen aus dem Feuer geholt haben.

Gabriel kann fürs erste zufrieden sein. Jetzt muss sich zeigen, ob die geforderten Nachbesserungen aus Niedersachsen in der EU und in Kanada genug Zustimmung finden. Und ob es der SPD gelingt, den Wählern ihren Kurs zu vermitteln. Ceta ist damit fast gerettet. Für TTIP ist dagegen keine Lösung in Sicht.

Du willst Dich genauer über die Handelsabkommen TTIP und CETA informieren? Hier geht es zu unseren Recherchen.