TTIP

Es riecht nach Pause

Frankreich, Österreich und Belgien stellen sich hinter Sigmar Gabriel (SPD) und fordern, die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen abzubrechen. Schweden dagegen hat einen Pakt der Befürworter geschmiedet. Am Freitag treffen nun die europäischen Handelsminister beim EU-Gipfel und beraten, wie es mit TTIP weiter gehen soll.

von Justus von Daniels , Marta Orosz

© Ivo Mayr

Politiker in ganz Europa waren überrascht, als sie das Zitat des deutschen Wirtschaftsministers hörten: „TTIP ist de facto gescheitert“. Mit seiner Einschätzung hat Sigmar Gabriel gespaltene Reaktionen in der EU hervorgerufen. Frankreich beantragte, die Verhandlungen sofort abzubrechen. Andere EU-Regierungen dagegen wollen die Gespräche unbedingt fortsetzen.

Ohne eine einheitliche Haltung innerhalb der EU wird es aber kaum zu einem Abbruch der Freihandelsgespräche mit den USA kommen. In Bratislava wollen die europäischen Handelsminister am Freitag entscheiden, wie es mit den TTIP-Verhandlungen weitergeht. Denkbar ist, dass eine Pause vereinbart wird, und die Gespräche 2017 fortgesetzt werden.

Frankreich will Abbruch

Selbst aus Kreisen der wohlgesonnenen französischen Regierung heißt es, Gabriel habe sie nicht über sein Vorpreschen informiert. Dennoch befürwortet Präsident Hollande seit längerem ein Scheitern des TTIP-Paktes. Folgerichtig stellte sich am Tag nach Gabriels Äußerung der französische Handelsminister Matthias Fekl vor die Öffentlichkeit und sagte: „Beim Treffen der Handelsminister in Bratislava Ende September werde ich im Namen Frankreichs ein Ende der TTIP-Verhandlungen beantragen.“

Ähnliche Äußerungen kommen aus Wien. Der österreichische Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (von der konservativen ÖVP) sagte der Tageszeitung „Standard“, für ihn komme nur ein „Stopp der Verhandlungen, Abbruch“ in Frage. Mitterlehner plädiert für einen Neuanfang nach den Wahlen in den USA.

Alles Wahlkampfgetöse? Sowohl in Österreich als auch in Frankreich und Deutschland bereiten sich die Parteien auf anstehende Wahlkämpfe vor. Und in allen Ländern ist TTIP in der Bevölkerng unbeliebt.

Aber auch der belgische Premierminister Charles Michel schloss sich der TTIP-Kritik an: „Die bisherigen Ergebnisse sind nicht zufriedenstellend. Ich würde die Verhandlungen lieber verschieben und nach den US-Wahlen weiterführen“, sagte er der belgischen Zeitung „L’Echo“.

Schweden trommelt für TTIP

Demgegenüber steht die Fraktion der TTIP-Befürworter, angeführt von der schwedischen Handelsministerin Ann Linde. Großbritannien gehört dazu, die baltischen Staaten, Spanien und einige osteuropäische Länder. In einem offenen Brief an die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström forderten sie letzte Woche, TTIP zum Erfolg zu führen.

12 EU-Handelsminister unterschreiben für TTIP-Erfolg. Darunter Italien, Spanien, Großbritannien und Schweden.

In Schweden ziehen Regierung und Gewerkschaften an einem Strang: „Diejenigen, die die Bemühungen um den Abschluss eines Freihandelsabkommens zwischen den beiden größten Volkswirtschaften stoppen wollen, sollen die Frage beantworten: Wie sollen wir ohne verstärktem Handel mehr wettbewerbsfähige Arbeitsplätze schaffen?“, steht in einer gemeinsamen Erklärung in der schwedischen Zeitung „Aftenbladet“.

Auch die Niederlande wollen den Deal nicht scheitern lassen. Gegenüber dem Recherchezentrum CORRECTIV sagte die niederländische Handelsministerin Lilianne Ploumen: „Ein umfassendes Abkommen, dass die europäischen Standards schützt, kann große wirtschaftliche Vorteile bringen.“ Sie will abwarten, wie die EU den Fortgang der Verhandlungen bei dem Treffen der Handelsminister einschätzt.

Die EU-Kommission spricht sich für weitere Verhandlungen aus. Allerdings hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seiner Rede zur Lage der Europäischen Union am 14. September gesagt, dass die Verhandlungen durch den amerikanischen Wahlkampf verlangsamt werden könnten. In einem internen Bericht über ein Treffen von Vertretern der Mitgliedstaaten am 20. September heißt es, „allgemeine Unterstützung für die Fortführung der TTIP-Verhandlungen“.

Gescheitert, aber nicht beendet

Auch wenn TTIP nach Ansicht des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel gescheitert ist, wird TTIP nicht beendet werden. Dafür reichen die Mehrheiten in Europa nicht aus und dafür ist auch nicht genug Wille auf Seiten Deutschlands und Frankreichs vorhanden. Auch die USA sprechen sich offiziell für weitere Verhandlungen aus. Zunächst ist eine neue Verhandlungsrunde ab dem 3. Oktober in New York angesetzt.

Das Wirtschaftsministerium hat selbst offen gelassen, ob es nach den US-Wahlen nicht doch weiter gehen könnte. Dort hieß es in Bezug auf Gabriels Satz, dass die Verhandlungen „nach dem derzeitigen Stand für dieses Jahr gescheitert“ seien.

Eine Pause der Verhandlungen könnte sogar im Sinn der deutschen Regierung sein. Bei den größten Streitthemen könnte man nochmal neu ansetzen. In der EU gibt es die Hoffnung, dass die amerikanische Regierung bei einem Wahlsieg von Hillary Clinton zu mehr Zugeständnissen bei den großen Streitthemen bereit sein könnte.

Du willst Dich genauer über die Handelsabkommen TTIP und CETA informieren? Hier geht es zu unseren Recherchen.