Wem gehört die Stadt?

Genossenschaften legen ihre Wohnungen offen

Die Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften veröffentlichen erstmals die Bestände ihrer etwa 130.000 Wohnungen. Darauf haben sich die Vertreter von 30 Genossenschaften als Reaktion auf die Bürgerrecherche „Wem gehört Hamburg?“ verständigt. Anders die Saga: Das kommunale Wohnungsunternehmen will seine Daten nicht veröffentlichen.

von Jonathan Sachse , Justus von Daniels

Die Hambuger Genossenschaften zeigen, wo ihre Wohnungen liegen. Die großen privaten Investoren lehnen das ab.© Correctiv

Auf der Webseite des Arbeitskreises der Genossenschaften sind die Adressen und Stadtviertel von etwa 130.000 Wohnungen einsehbar, die genossenschaftlich organisiert sind. Nach Aussage der Genossenschaftsvertreter geht die Initiative, eine klare Übersicht zu schaffen, auf die gemeinsame Recherche „Wem gehört Hamburg?“ von CORRECTIV und dem Hamburger Abendblatt zurück. „Wir waren uns einig, dass wir unsere Listen gemeinsam veröffentlichen können. Aus unserer Sicht spricht nichts dagegen, den Wohnungsmarkt transparenter zu machen“, sagte Andrea Böhm, die Sprecherin des Arbeitskreises der Genossenschaften.

Die Genossenschaften besitzen in Hamburg knapp ein Fünftel der insgesamt über 700.000 Mietwohnungen in der Hansestadt. Ebenso viele Wohnungen gehören der städtischen SAGA. Mehr als 420.000 Wohnungen befinden sich auf dem freien Markt.

Das Problem: Der Markt ist intransparent. Selbst der Stadt liegt keine Übersicht mit allen Eigentümern vor. Das sagte Christian Carstensen, der die Präsidialabteilung in der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen leitet. Sie wüssten auch nicht, wer die privaten Eigentümer mit den meisten Mietwohnungen in Hamburg seien. Der Arbeitskreis der Genossenschaften ist die erste Eigentümergruppe, die einen Einblick in ihren Bestand gewährt.

Entscheidung nach Bekanntwerden der Bürgerrecherche

Viele einzelne Genossenschaften wie die „Wohnungsbaugenossenschaft von 1904“ veröffentlichten schon vorher auf ihren eigenen Webseiten Informationen über die einzelnen Wohnobjekte.

Nach dem Start des Rechercheprojektes „Wem gehört Hamburg?“, das mehr Licht in den intransparenten Wohnungsmarkt bringen will, beschlossen die Vorstände der Genossenschaften in einer Sitzung im Januar einstimmig, die Informationen über ihre Wohnungen zusammenzufassen: „Wir zeigen gern, dass wir ein guter Vermieter sind, der 130.000 Wohnungen zu durchschnittlichen Mietpreisen unterhalb des Mietenspiegels anbieten“, sagte Genossenschaftsvertreterin Böhm.

Der durchschnittliche Mietpreis der Wohnungen liegt bei 6,37 Euro und damit gut zwei Euro unter dem aktuellen Mietenspiegel in Hamburg.

Der Mieterverein zu Hamburg begrüßt den Schritt der Genossenschaften. Der Vorsitzende Siegmund Chychla verweist auf andere Länder, in denen Eigentümer am Wohnungsmarkt öffentlich einsehbar sind. „Die skandinavischen Länder sind auch ein gutes Beispiel dafür, dass Transparenz der Grundbücher zum Beispiel nichts mit einer Neiddebatte oder An-den-Pranger-stellen zu tun hat“, sagt Chychla. „Wir können auch die restlichen Vermieter nur ermuntern, diesem Beispiel zu folgen und mit mehr Transparenz der Geheimniskrämerei oder kruden Verschwörungstheorien zu begegnen.“

Grüne fordern öffentliches Immobilienregister

Am Montag hatte der Vorsitzende der Grünen, Robert Habeck, ein öffentliches Immobilienregister gefordert, aus dem hervorgeht, wer der tatsächliche Eigentümer der Immobilien ist. In der „Süddeutschen Zeitung“ sagte er, dass „die Eigentümer einer Immobilie transparent werden“ müßten. Sie „dürfen sich nicht länger hinter dubiosen Briefkastenfirmen in Steueroasen verstecken“.

Die Antikorruptionsorganisation Transparency Deutschland sieht in dem Schritt der Genossenschaften einen wichtigen Beitrag für eine bessere Stadtplanung und fordert die Stadt auf, „die Besitzverhältnisse der Hamburger Immobilien dauerhaft öffentlich zugänglich“ zu machen. „Wenn Planer und Bürger um die Verteilung des Immobilienbesitzes in der Stadt wissen, kann eine informierte Debatte über Stadtplanung stattfinden. Fehlentwicklungen kann man so früh entgegenwirken, sagt Helena Peltonen-Gassmann, Leiterin der Transparency-Regionalgruppe Hamburg und Schleswig-Holstein.

Größte Eigentümer bleiben unbekannt

Die großen privaten Eigentümer geben nur wenige Informationen über ihre Wohnungsbestände bekannt. CORRECTIV und das Hamburger Abendblatt fragten bei dreizehn großen Immobilienfirmen nach, ob sie die Lage ihrer Immobilien in Hamburg veröffentlichen. Der mutmaßlich größte private Eigentümer Vonovia gibt lediglich an, dass 11.000 Wohnungen des Unternehmens in verschiedenen Stadtteilen liegen. Auch der skandinavische Immobilienkonzern Akelius (4.300 Wohnungen) äußert sich nicht dazu, welche Häuser dem Unternehmen gehören.

Es bleibt damit in vielen Fällen verborgen, welche Unternehmen am Immobilienmarkt aktiv sind und die Mietpreise in der Hansestadt mit bestimmen. Weitgehend unbekannt ist zum Beispiel, wie viele Hamburger Mietwohnungen zu Immobilienfonds gehören. Erst kürzlich berichtete CORRECTIV über einen Fonds der dänischen Firma Core Property, die 1.500 Wohnungen in Hamburg besitzt, aber noch nicht einmal eigene Mitarbeiter in Deutschland beschäftigt. Mieter hatten sich über den schlechten Zustand einiger Wohnungen des Fonds beschwert. Core Property hingegen weist in einer Stellungnahme darauf hin, dass sie „versuchen, die Häuser in einem guten Zustand zu erhalten.“

Kommunales Wohnungsunternehmen verweigert Auskunft

Mit der FEWA-Gruppe kündigte ein großer privater Eigentümer nun an, die eigenen Wohnungen auf einer interaktiven Karte online zu stellen. Die Informationen würden „in etwa 4-6 Wochen auf unserer Homepage aktiv sein“, so eine Sprecherin der FEWA-Gruppe gegenüber CORRECTIV. FEWA baut ausschließlich öffentlich geförderte Wohnungen.

Neben den Genossenschaften ist die städtische SAGA größter Wohnungseigentümer der Hansestadt. Auf Anfrage hieß es, man wolle die exakte Lage der Bestände nicht veröffentlichen. Ein SAGA-Sprecher warnt davor, dass Informationen über die Lage der SAGA-Wohnungen den Datenschutz der Mieter gefährden könnte. Die Herausgabe von Adressen mache es möglich, „Personen als SAGA-Mieter zu identifizieren.“ Die Mieter sollten „selbst darüber entscheiden, ob ihre Daten über diesen Weg der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden oder nicht.“

Mitmachen

Wir wollen den Wohnungsmarkt transparenter machen und laden Sie ein, sich zu beteiligen. Wem gehört die Stadt? Wer beeinflusst die Preise, wer macht fragwürdige Deals zum Nachteil der Mieter? Wir recherchieren mit den Bürger*innen Hamburgs und fragen, wer die Eigentümer sind. Machen Sie jetzt mit! Hier finden sie mehr Informationen über unser Rechercheprojekt.