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Kommunalpolitiker in Rheinland-Pfalz: Auf Gehaltslisten von RWE und weiteren Energiekonzernen

Erstmals müssen in einem Bundesland Oberbürgermeister und Landrätinnen offenlegen, von wem sie nebenbei Geld erhalten. Bisher wird die Einhaltung aber kaum überprüft. Eine Auswertung von CORRECTIV.Lokal zeigt, welche Unternehmen besonders viel Geld verteilen.

von Carolin Sprick , Max Donheiser , Jonathan Sachse

Guenther Schartz (links im Bild) an der Kletterwand während einer Wahlkampftour. Nicht nur hier erreicht er die Spitze. Foto: Jens Krick / picture alliance / Flashpic
Guenther Schartz (links im Bild) an der Kletterwand während einer Wahlkampftour. Nicht nur hier erreicht er die Spitze. Foto: Jens Krick / picture alliance / Flashpic

Das Vertrauen von Bürgerinnen und Bürgern in die Politik geriet in den vergangenen Monaten mehrfach ins Wanken. Nicht zuletzt entfachten die Maskenaffäre der Union und die fragwürdige Einflussnahme Aserbaidschans eine Diskussion um Transparenz und Grenzen bei Nebeneinkünften. Diese führte im Juni zu einer Gesetzesverschärfung für Mitglieder des Bundestages. In Zukunft müssen Nebeneinnahmen ab einer bestimmten Grenze auf den Cent genau ausgewiesen werden. Doch wie sieht es auf kommunaler Ebene aus, wo die Dienstwege noch kürzer sind? Wie transparent sind hier die Nebeneinkünfte und welche Effekte kann öffentliche Kontrolle haben?

Rheinland-Pfalz ist das erste Bundesland, das für Kommunalpolitikerinnen und -politiker eine Veröffentlichungspflicht auf den Cent genau für Nebeneinkünfte eingeführt hat. Diese gilt für (Ober-)Bürgermeister, Landrätinnen und Beigeordnete. Dabei zeigt sich erstmals, wer in der Kommunalpolitik wie viel Geld von wem für Nebentätigkeiten bekommt. CORRECTIV.Lokal hat die Veröffentlichungen der Spitzen aller Landkreise und kreisfreien Städte zusammengetragen und ausgewertet (direkt zur Übersicht). Teilweise erhalten die Politikerinnen und Politiker von mehr als einem Dutzend Unternehmen Zusatzverdienste, darunter mehrere Energiekonzerne, Sparkassen und eine Brauerei. Für andere Bundesländer gibt es keine vergleichbaren Zahlen.

Es wurden insgesamt mehr als 750.000 Euro an Nebeneinkünften für das Jahr 2020 gemeldet, die nicht an die Stadt oder den Kreis abgeführt werden müssen. Viele Kommunen waren dabei jedoch deutlich im Verzug oder haben die Informationen erst auf Anfrage geschickt.

Rekord-Nebeneinkünfte durch RWE: Diskussion um Landrat

An der Spitze steht der Trier-Saarburger Landrat Günther Schartz (CDU) mit rund 160.000 Euro Vergütungen im Jahr 2020. Der Betrag übersteigt sogar sein Gehalt als Landrat in der höchstmöglichen Besoldungsstufe um ein Drittel. Der größte Teil dieses Zusatzverdienstes kommt aus einer einzigen Quelle: Schartz’ Mitgliedschaft im Aufsichtsrat und einem Ausschuss von RWE brachten ihm im vergangenen Jahr etwa 130.000 Euro ein, wie der SWR bereits im April berichtete. Da Schartz bereits seit 2016 im Aufsichtsrat der RWE AG sitzt, nahm er insgesamt mehr als eine halbe Million Euro ein.

Schon als Schartz im April seine Nebeneinkünfte im Kreistag vorgestellt hatte, löste er heftige Gegenreaktionen aus, wie der Trierischer Volksfreund berichtete. Abgeordnete der Grünen und der SPD fragten zum Beispiel, wie er neben all seinen Verpflichtungen noch genügend Zeit für sein eigentliches Amt aufbringen könne. Auch bei den Bürgerinnen und Bürgern stieß die Diskussion auf großes Interesse. Bis zu hundert Zuschauende verfolgten die Übertragung der Sitzung im Livestream.

Schartz streitet jegliche Vorwürfe ab, dass RWE durch die Zahlungen Einfluss auf politische Entscheidungen gehabt haben könnte. Trotzdem kündigte er nach der scharfen Kritik im Trierischer Volksfreund an, auf das Geld zukünftig verzichten zu wollen und es stattdessen zu spenden. Dabei ist allerdings noch unklar, ob er die Tätigkeit überhaupt weiter ausüben kann. Laut dem neuen Gesetz sollen Nebentätigkeiten seit diesem Jahr nur noch ausnahmsweise genehmigt werden, wenn die Einnahmen daraus mehr als 40 Prozent des eigentlichen Gehalts ausmachen. Schartz hat eine solche Genehmigung bereits bei der Kommunalaufsichtsbehörde ADD beantragt, wie er auf Anfrage von CORRECTIV.Lokal schreibt.

„Im Falle einer Genehmigung durch die ADD werde ich das, was mir nach Abzug der Steuern und dem Pflichterwerb von Aktien verbleibt, zukünftig einer Stiftung für soziale Zwecke zur Verfügung stellen“, äußert sich Schartz. Weitere Fragen von CORRECTIV.Lokal lässt er dabei unbeantwortet. Es bleibt unklar, ob er auch vergangene Einnahmen spenden wird und welche Stiftung die RWE-Zahlungen weitergereicht bekommen soll.

Recherche von CORRECTIV.Lokal und Medienpartnern

Diese Recherche ist Teil einer Kooperation von CORRECTIV.Lokal mit weiteren lokalen und regionalen Medienpartnern. Darunter der SWR, die Allgemeine Zeitung und die Rheinpfalz. Das Netzwerk fördert Recherchen im Lokaljournalismus und ist Teil des gemeinnützigen Recherchezentrums CORRECTIV.

„Keine Interessenskonflikte“

Mit seinen 160.000 Euro ist Günther Schartz der bestverdienende Landrat in Rheinland-Pfalz. Aber er ist nicht der Einzige, bei dem die Nebentätigkeiten im Jahr 2020 mehr als 40 Prozent seines Hauptamts überstiegen. Joachim Streit erreichte im März als Spitzenkandidat den ersten Landtagseinzug für die Freien Wähler in der Geschichte von Rheinland-Pfalz. Zuvor war er Landrat des Eifelkreises Bitburg-Prüm, verdiente mit seinen mehr als 30 Nebentätigkeiten immerhin ein Zusatzgehalt von mehr als 55.000 Euro. Einen nicht geringen Teil davon erhielt er vom Saarländischen Schwesternverband, über 6.000 Euro von RWE und weitere 1.160 Euro von der Eon-Tochterfirma Westenergie.

„Interessenkonflikte sehe ich bei der Arbeit als Landrat keine“, schreibt Streit auf Anfrage von CORRECTIV.Lokal. Er habe nach 2014 seine Nebentätigkeiten enorm reduziert, da er damals einen Hörsturz gehabt habe. „Seitdem gab es keine zeitlichen Belastungen, da man sowieso 70-Stunden-Wochen hat“, ordnet Streit seine dutzenden Nebentätigkeiten ein. Die Frage, welche er nach seinem Wechsel in den Landtag noch weiterhin ausübt, beantwortet er nicht. Er habe „alles korrekt“ abgeführt.

Neben Schartz und Streit stehen noch sechs weitere Landräte auf der Gehaltsliste von RWE, die jedoch wie Streit nur Mitglieder in den Regionalbeiräten sind und daher deutlich weniger erhalten als Schartz. Ähnlich sieht es bei anderen Energieversorgern aus, zum Beispiel bei den Eon-Töchtern Innogy, Süwag und Westenergie. Auch sie haben Mitglieder aus der lokalen Politik in ihren Beiräten.

Die Politiker nehmen diese Posten deshalb wahr, weil die Kommunen teilweise Anteile an den Konzernen besitzen. In dieser Verflechtung der Kommunen mit RWE und anderen Energiekonzernen sieht Timo Lange von LobbyControl einen „strukturellen Interessenskonflikt“, der weder für die Kommunen noch für die Konzerne von Vorteil sei und die Energiewende ausbremse.

Aber es fließt auch Geld aus anderen Branchen. So sitzt beispielsweise der Germersheimer Landrat Fritz Brechtel (CDU) im Aufsichtsrat der Park & Bellheimer AG, einer regionalen Brauerei, und erhielt dafür im vergangenen Jahr fast 6.000 Euro.

Die neue Offenlegungspflicht zeigt auch, dass bei den meisten kommunalen Spitzenkräften der Fokus auf dem politischen Hauptamt zu liegen scheint, zumindest gemessen an den Einkünften. 16 der 34 Politikerinnen und Politiker erhalten nur vierstellige Nebeneinkünfte.

In der folgenden Tabelle hat CORRECTIV.Lokal alle Nebentätigkeiten zusammengeführt, die außerhalb des öffentlichen Dienstes ausgeübt werden.

Zwei Politiker haben ihre Nebeneinkünfte noch nicht gemeldet

Obwohl das neue Gesetz vorschreibt, dass die Angaben bis zum 1. April jedes Jahres veröffentlicht werden müssen, haben viele Kommunen diese Frist nicht eingehalten. Zwei Personen haben auch bis Redaktionsschluss noch keine Daten veröffentlicht: Achim Hallerbach (CDU) aus dem Kreis Neuwied und Heinz-Peter Thiel (parteilos), der bis 1. April dieses Jahres Landrat im Kreis Vulkaneifel war. Beide kündigten an, dass ihre Nebentätigkeit bei der nächsten Kreistagssitzung Ende Juni vorgestellt werden, fast drei Monate nach Ablauf der Frist (Aktualisierung 5. Juli 2021: Mittlerweile hat Hallerbach die Nebeneinkünfte mitgeteilt.). Als Begründung für die Verspätung gaben sie an, dass es aufgrund der Pandemie nur wenige Sitzungen dieses Jahr gegeben habe. Es gebe „keine Hintergedanken“, sagte Hallerbach gegenüber CORRECTIV.Lokal. Er sei ja nicht der Landrat von Trier-Saarburg.

In den Städten Landau, Zweibrücken und Worms wurde die Liste der Nebentätigkeiten ohne eine genaue Aufschlüsselung der Vergütung veröffentlicht. In Kaiserslautern gab es gar keine Veröffentlichung auf der Internetseite. Die Informationen wurden CORRECTIV.Lokal erst auf Anfrage zur Verfügung gestellt.

Die Recherchen von CORRECTIV.Lokal rufen nun auch die Kommunalaufsicht auf den Plan. Eigentlich müssten die Kommunen die rechtzeitige Veröffentlichung überprüfen. Wenn das nicht passiert, kann sich die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion als zentrale Aufsicht einschalten. Erst auf unsere Anfrage kündigte diese nun an, die verspäteten Kommunen um eine Stellungnahme zu bitten.

Transparency International kritisiert bezahlte Posten in den Sparkassen

Die mit Abstand häufigste Einkommensquelle der Landrätinnen und Oberbürgermeisterinnen sind die lokalen und regionalen Sparkassen. Viele Verwaltungsspitzen sind gleichzeitig in mehreren Verbänden Mitglied und erhalten dafür bis zu 10.000 Euro jährlich. Diese Tätigkeiten gelten als öffentliche Ehrenämter, weshalb das Geld auch nicht an die Stadt oder den Kreis abgeliefert werden muss.

Ob aber die Politiker das öffentliche Interesse dabei immer bestmöglich vertreten, lässt sich zumindest infrage stellen. Vor einigen Jahren haben wir bei CORRECTIV bereits eingehend über die Probleme der Sparkassen berichtet, insbesondere auch im Hinblick auf ihr Verhältnis zu Lokalpolitikern. Mehrere Rechnungshöfe kritisierten damals, dass zahlreiche Sparkassen ihre Gewinne nicht mehr an ihre Eigentümer, die Städte und Landkreise, ausschütteten. Weil sich die Kommunalpolitik zu wenig für Ausschüttungen eingesetzt hatte, entgingen klammen Städten und Gemeinden alljährlich Millionen Euro.

Die bezahlte Präsenz von Kommunalvertretern in den Verwaltungsräten der Sparkassen sei ein „systemischer Missstand“, sagt Heinrich Fischwasser, Experte von Transparency International und unter anderem für Rheinland-Pfalz zuständig. Dieser Missstand bringe „wirtschaftliche Nachteile für die Gemeindehaushalte und damit die Gemeindebürger“. Auch er bezieht sich auf zu geringe Ausschüttungen und nennt zudem fehlende Transparenz bei den Vorstandsbezügen.

Neue Gesetzgebung in Rheinland-Pfalz

Seit dem Jahr 2021 gibt es zentrale Veränderungen im rheinland-pfälzischen Nebentätigkeitsrecht. Diese beziehen sich auf Paragraf 119 des Landesbeamtengesetzes, das die neue Veröffentlichungspflicht beinhaltet. Wie viel Geld die Politiker behalten dürfen, ist durch die Nebentätigkeitsverordnung geregelt.

Landräte und Bürgermeisterinnen dürfen neben ihrem Hauptamt weitere Tätigkeiten ausüben. Sie sollen schließlich die Interessen ihrer Kommune vertreten und sitzen daher schon allein durch ihr Amt in bestimmten Gremien. In einem solchen Fall müssen sie den Verdienst an die Kreisverwaltung oder Stadtverwaltung abführen.

Geld behalten dürfen politisch Verantwortliche nur, wenn sie Nebentätigkeiten ausüben, die sie aufgrund ihrer persönlichen Kompetenz oder ihres Engagements innehaben. Im öffentlichen Dienst – also zum Beispiel im Verwaltungsrat von Stadtwerken oder Zweckverbänden – gilt allerdings auch dafür eine Höchstgrenze. Von diesen Vergütungen dürfen die Politikerinnen und Politiker maximal 9.600 Euro behalten, 2020 waren es noch 6.200 Euro. Dazu können dann noch Sitzungsgelder bis zu einem Höchstwert von 1.900 Euro kommen. Alles darüber muss an die Kommune abgeführt werden.

Dass beispielsweise Schartz die stattliche Vergütung von RWE trotzdem behalten darf, liegt daran, dass es sich um eine sogenannte „Nebentätigkeit im privaten Bereich“ handelt. Ebenso wie bei öffentlichen Ehrenämtern müssen diese Zahlungen nicht abgeliefert werden. Mit der Gesetzesänderung wurde erstmals eine grundsätzliche Deckelung für alle Nebeneinnahmen eingeführt: Wenn die Einkünfte aus Nebentätigkeiten insgesamt 40 Prozent des Grundgehalts von Kommunalbeamten übersteigen, sollen sie künftig nur noch in Ausnahmefällen genehmigt werden.

Keine vergleichbaren Transparenz-Verpflichtungen in anderen Bundesländern

Das Gesetz in Rheinland-Pfalz ist ein Vorstoß, um auch auf kommunaler Ebene höhere Transparenzansprüche durchzusetzen. Es wurde eingeführt, nachdem der SWR im Sommer 2019 über die „Thüga-Affäre“ berichtet hatte. Dabei behielten mehrere (Ober-)Bürgermeister widerrechtlich Nebeneinkünfte ein, die sie von dem Stadtwerke-Zusammenschluss Thüga erhalten hatten. Die Gesetzesreform ist ein deutschlandweit einmaliges Experiment – in keinem anderen Bundesland müssen Verantwortliche in der Kommunalpolitik ihre Einkünfte offenlegen. „Rheinland-Pfalz, das aktuell nicht als Fortschrittstreiber in Sachen Transparenz in Erscheinung tritt, hat in diesem Fall beachtlich vorgelegt“, sagt Heinrich Fischwasser von Transparency International und empfiehlt das Gesetz ausdrücklich zur Nachahmung.

In der Vergangenheit haben immer wieder Recherchen im Lokalen gezeigt, welche Interessenskonflikte kommunale Amtsträgerinnen und Mandatsträger haben können und dass manche offenbar Schwierigkeiten hatten, zwischen politischer Arbeit und privaten Zuverdiensten zu unterscheiden. Der Spiegel berichtete bereits 2005, wie RWE flächendeckend Kommunalpolitiker und -politikerinnen sponserte. Von anderen Großkonzernen ist ebenfalls bekannt, dass sie über ihre Gremien großflächig Nebeneinkünfte verteilen. Durch die mangelnde Transparenz bleiben die genauen Einkünfte in der Regel verborgen.

Die erste Veröffentlichungswelle in Rheinland-Pfalz hat gezeigt, was öffentliche Kontrolle bewirken kann. Einzelne kommunale Spitzenpolitiker müssen nun Rede und Antwort stehen.

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