Farmsubsidies

EU-Agrarsubventionen: Diese Großkonzerne profitieren

Erstmals ist in der neuen Datenbank „Farmsubsidies” einsehbar, wer in den vergangenen acht Jahren EU-weit am meisten Agrarsubventionen kassiert hat. CORRECTIV schlüsselt auf, wer zu den größten deutschen Empfängern gehört.

von Gesa Steeger , Katarina Huth , Simon Wörpel , Max Donheiser

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Europaweit kassieren Konzerne Agrarsubventionen. Collage: Benjamin Schubert / Illustration macrovector / pch.vector

Europäische Steuerzahlerinnen und Steuerzahler subventionieren milliardenschwere Lebensmittelkonzerne: Nach CORRECTIV-Recherchen beziehen etwa die Südzucker AG und der Molkerei-Riese FrieslandCampina mit seinen bekannten Marken wie Landliebe und Chocomel europaweit dutzende Millionen Subventionen aus dem Agrar-Topf der EU. 

In einem detaillierten Überblick zeigt CORRECTIV erstmals, wer zu den 100 größten deutschen Empfängern der vergangenen acht Jahre gehört und wohin die öffentlichen Gelder fließen. Die Südzucker AG mit Sitz in Mannheim und nach eigenen Angaben das größte Zuckerunternehmen Europas, kassierte in den vergangenen Jahren europaweit 18 Millionen Euro aus EU-Agrar-Töpfen. An eine Minderheitsbeteiligung in Frankreich flossen noch weitere 88 Millionen. Der FrieslandCampina Konzern bezog knapp 22 Millionen. 

Grundlage der Recherche ist eine gemeinsame europaweite Auswertung der Datenbank Farmsubsidies durch CORRECTIV, der Recherchekooperation von NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung sowie FragDenStaat, DerStandard und weiteren internationalen Partnern. Die Datenbank, für die FragDenStaat in Kooperation mit Arena for Journalismus europaweit Daten gesammelt hat, ermöglicht erstmals einen genauen Einblick in die Verteilung der europäischen Agrarsubventionen der vergangenen acht Jahre. Sie zeigt, dass in Deutschland öffentliche Einrichtungen und Unternehmen von den europäischen Agrarsubventionen besonders profitieren. 

Deutschland ist drittgrößter Empfänger von Subventionen

Mindestens 447 Milliarden Euro hat die EU zwischen 2014 und 2021 an Landwirte, Betriebe und öffentliche Einrichtungen in ganz Europa laut der Auswertung verteilt. Eine Summe, mit der gesellschaftlich erwünschte Ziele gefördert werden könnten. Doch nicht immer werden Klima und Tierschutz bei der Verteilung der Gelder berücksichtigt – obwohl die Agrargelder mehr als ein Drittel des gesamten EU-Budgets ausmachen. Deutsche Landwirtschaftsbetriebe, Landesbehörden und andere Subventionsempfänger erhielten insgesamt rund 53 Milliarden Euro. Damit ist Deutschland nach Frankreich und Spanien der drittgrößte Empfänger von Agrarsubventionen in der EU.

So werden die EU-Agrargelder verteilt

Kernziele der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU sind unter anderem eine marktorientierte Förderung der landwirtschaftlichen Betriebe, die Sicherung von bezahlbaren Lebensmitteln, die Entwicklung des ländlichen Raums und die Bekämpfung der Klimakrise. Dabei verteilt sich die EU-Förderung auf zwei Agrarfonds. Der Europäische Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) bildet die erste Säule der GAP. Die 2. Säule bildet der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER).

Die erste Säule (EGFL) beinhaltet Direktzahlungen, die je Hektar Ackerland gewährt werden. Sie sind das wichtigste Werkzeug der europäischen Agrarpolitik. Im Jahr 2021 kamen rund 77 Prozent der gesamten EU-Agrarsubventionen aus diesem Topf. Im Durchschnitt machen diese Zahlungen rund 40 Prozent des Einkommens der deutschen Betriebe aus. In Deutschland werden unter anderem folgende Direktzahlungen gewährt: Basisprämie, Greening-Prämie und Zahlung für Junglandwirte.

Die zweite Säule (ELER) umfasst Fördergelder für nachhaltige Bewirtschaftung und ländliche Entwicklung. Darunter bündeln sich sogenannte Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen, Maßnahmen für den Tierschutz und den ökologischen Landbau. Ziel der zweiten Säule ist neben der Entwicklung der ländlichen Räume der Erhalt der biologischen Vielfalt oder der Tierschutz.

Für Deutschlands Top 100 zeigt sich: Die größten Summen aus den EU-Agrar-Töpfen flossen zwischen 2014 und 2021 vor allem an die öffentliche Hand. Der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) in Sachsen-Anhalt bezog in diesem Zeitraum rund 99 Millionen Euro. Gelder, die vor allem für den Küsten- und Hochwasserschutz eingesetzt wurden. Auch Kommunen profitieren von den Mitteln aus Brüssel. In einigen Fällen zum Nachteil von Klima und Umweltschutz, wie eine Recherche von CORRECTIV aus dem Oktober 2020 bereits aufgedeckt hat.

Deutsche Subventionsriesen bekamen 1,7 Milliarden Euro 

Insgesamt erhielten die deutschen Top 100-Empfänger in den vergangenen acht Jahren jeweils zwischen acht und 100 Millionen Euro, insgesamt rund 1,7 Milliarden Euro. Vor allem im Vergleich zu den restlichen fast 99 Prozent der deutschen Empfänger, die im gleichen Zeitraum jeweils weniger als eine Million Euro an EU-Zuwendungen bekamen, sind das enorme Summen.

Auch der Zuckerproduzent Südzucker AG mit Sitz in Mannheim findet sich unter den Top 100. Mit etwa 14 Millionen Euro gehört das Unternehmen zum Mittelfeld der Subventionsriesen. Doch das ist nicht alles. Denn über Tochterfirmen und Beteiligungen bezog das Unternehmen zwischen 2014 und 2021 europaweit mindestens weitere vier Millionen Euro. Das geht aus der Datenbank Farmsubsidies hervor. Dazu flossen weitere 88 Millionen Euro an eine französische Minderheitsbeteiligung. Südzucker hält dort ein Viertel der Anteile. 

Von den Subventionen an Südzucker stammen mindestens sechs Millionen aus dem Fördertopf der Basisprämie, also aus Mitteln, die Landbesitzer für die Anzahl ihrer Anbauflächen bekommen. Wie viele landwirtschaftliche Flächen Südzucker europaweit bewirtschaftet, teilte er auf Anfrage nicht mit. 

Neben der Herstellung von Zucker produziert der Konzern auch Fruchtsaftkonzentrate und stellt Verpackungen für Lebensmittel her. Im Geschäftsjahr 2021/22 machte das Unternehmen nach eigenen Angaben rund 7,5 Milliarden Euro Umsatz. 

Südzucker nutzt verbotene Pestizide im Zuckerrübenanbau

Dass das große Unternehmen in ganz Europa Subventionen bezieht, ist legal. Dabei sind die Geschäftspraktiken des Konzerns umstritten. Im Jahr 2021 brachte Südzucker auf seinen Zuckerrübenfeldern in Bayern und Baden-Württemberg Saatgut aus, das vorab mit dem Pestizid Cruiser 600 FS behandelt worden war. Ein Mittel, das seit 2018 durch die EU-Kommission verboten ist und das erwiesenermaßen Vögel, Bienen und Käfern schadet. 

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hatte zuvor eine begrenzte Notfallzulassung ausgesprochen. Grund für die Ausnahme sei der Befall mit Blattläusen und einem Pflanzenvirus und damit verbundenen Ertragsverlusten, wie es in den Begründungen heißt. 

Die Südzucker AG teilte zu den Notzulassungen auf Anfrage mit, dass das Unternehmen sich im Interesse „unserer Rübenanbauerinnen und -anbauer für eine Notfallzulassung eingesetzt“ habe. Jedoch bestehe heute für den Einsatz in Deutschland keine Zulassung mehr.

Der Grünen-Abgeordnete im EU-Parlament Martin Häusling kritisiert die Notfallzulassungen für den Zuckerrübenanbau scharf: „Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit hat Neonikotinoide als bienengefährlich eingestuft. Eine Anwendung ist damit absolut schädlich für die Biodiversität und unsere Umwelt.“ 

FrieslandCampina Germany GmbH bezog knapp 12 Millionen Euro

Auch die Förderung von Konzernen wie die Südzucker AG sieht der EU-Abgeordnete kritisch. Besonders problematisch sei die Bindung der Direktzahlungen an die Fläche: „Wir Grünen fordern schon lange, dass Gelder an die Landwirtschaft nur dann ausgezahlt werden sollen, wenn die landwirtschaftlichen Betriebe positive Leistungen für Klima, Umwelt oder Biodiversität erbringen.”

Die Südzucker AG ist nicht das einzige große deutsche Lebensmittelunternehmen, das in den Top 100 auftaucht. Auch die FrieslandCampina Germany GmbH bezog in den vergangenen acht Jahren knapp 12 Millionen Euro. Die Firma ist die deutsche Tochter eines der „weltweit größten Molkereiunternehmen“, wie es auf der Website des niederländischen Mutterkonzerns FrieslandCampina heißt, ein globaler Akteur mit weltweiten Milliardenumsätzen. Zu seinen Marken gehören Tuffi, Landliebe und Chocomel. Europaweit kassiert das Unternehmen über Tochtergesellschaften knapp 22 Millionen Euro an EU-Agrargeldern. Wie bei Südzucker auch bezieht hier also ein Konzern mit millionenschwerem Profit Geld von EU-Bürgerinnen und Bürgern. 

Die großen Agrarunternehmen unter den Top 100 liegen nicht immer in der Hand von Landwirten. So gehört das Gut Darß in Mecklenburg-Vorpommern zur Fiege-Gruppe, einem globalen Logistikunternehmen mit Sitz im nordrhein-westfälischen Greven. In den vergangenen acht Jahren erhielt allein der Ökobetrieb Gut Darß rund 12 Millionen Euro aus EU-Agrar-Töpfen. Davon rund 5,8 Millionen Euro für Agrarumweltmaßnahmen und 5,8 Millionen Euro aus Direktzahlungen. 

Daneben kassierte der Konzern noch weitere Gelder für seine Ackerflächen. Denn neben dem Gut Darß gehören noch mindestens zwei weitere Landwirtschaftsbetriebe zur Firmengruppe. 

Investoren kassieren EU-Mittel

Dass Investoren aus anderen Geschäftsfeldern Mittel aus EU-Agrar-Töpfen erhalten, wird seit Jahren kritisiert. Bekannte Beispiele sind neben der Fiege-Gruppe auch der Aldi Nord-Konzern oder die Lindhorst-Gruppe, die ihr Geld auch mit Immobilien und Seniorenresidenzen machen.

„Aus meiner Sicht kann man darüber debattieren, ob außerlandwirtschaftliche Investoren Subventionen für Blühstreifen oder andere Umweltmaßnahmen bekommen, aber ihnen Geld aus dem Topf für die Einkommensstützung zu bezahlen geht gar nicht“, sagt Phillip Brändle, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft (AbL). In dem Verband bündeln sich kleine und mittlere Landwirtschaftsbetriebe aus ganz Deutschland.

Eines der Ziele der europäischen Agrarpolitik ist die Förderung tragfähiger Einkommen der Bäuerinnen und Bauern und der Erhalt einer vielfältigen Agrarstruktur, sagt Brändle. Dafür sei vor allem die erste Säule vorgesehen. Bedarf an dieser Unterstützung hätten vor allem kleine und mittlere Höfe aufgrund der vergleichsweise höheren Produktionskosten. „Wenn große Unternehmen wie die Südzucker AG sich ebenfalls aus diesen Töpfen bedienen, dann wird das Prinzip ad absurdum geführt.

Aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium heißt es dazu auf Anfrage, die Verantwortung für diese Entwicklung trage die Vorgängerregierung. Diese habe das Prinzip „wachse oder weiche“ in der Agrarpolitik akzeptiert. „Das hat dazu geführt, dass immer mehr Betriebe aufgegeben haben und die bäuerliche Vielfalt zusehends verloren ging.“ Unter Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) fördere die Bundesregierung dagegen eine  ökologisch-nachhaltige Agrarwirtschaft.

Tierschutz wird bei Vergabe nicht berücksichtigt

Unter den Top 100 findet sich auch ein Betrieb, der in der Vergangenheit wegen Tierquälerei auffällig wurde. Trotzdem flossen die EU-Gelder weiter. Insgesamt rund zwölf Millionen Euro. 

Im Falle der Agrargenossenschaft Neuzelle eG in Brandenburg erschlugen Angestellte des Unternehmens lebende Ferkel. Ein Video davon kursiert im Netz. Die Tierschutzorganisation Animal Rights Watch stellte im Juli 2018 Strafanzeige wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz. Im Dezember 2018 wurde das Verfahren schließlich eingestellt, wie die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) mitteilte. Bei der Tötung der Ferkel habe es sich um eine Ordnungswidrigkeit gehandelt. Der Fall sei an das zuständige Veterinäramt abgegeben worden. 

Das Bundeslandwirtschaftsministerium teilte auf Anfrage mit, dass die Durchführung der Kontrollen von Betrieben und die Ahndung eventueller Verstöße den Ländern im jeweiligen Einzelfall obliege. Angaben zu einzelnen Sanktionen lägen keine vor.

Die Farmsubsidies-Daten sind in den vergangenen Jahren von FragDenStaat in Kooperation mit Arena for Journalism in Europe gesammelt worden und wurden nun gemeinsam analysiert von CORRECTIV, NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung sowie DerStandard, IrpiMedia, Reporter.lu, Reporters United, Expresso, Follow The Money und Gazeta Wyborcza. Alle Rechercheergebnisse der Partner finden Sie hier. 

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