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Versteckspiele

Transparency International kämpft weltweit gegen Korruption. Doch die eigene Buchführung ist alles andere als transparent. Bei einer mit deutschen Steuermitteln geförderten Konferenz fehlt eine offene Abrechnung. Sponsorengelder fließen an den Büchern vorbei. „Indirekte“ Kosten werden nicht ausgewiesen.

von David Schraven , Frederik Richter

© Ivo Mayr

Die Korruptionshüter von Transparency International (TI) sind stolz auf ihren guten Namen. Wenn sie eine Firma oder ein Land wegen Korruption brandmarken, dann produzieren sie Schlagzeilen. 

Volkswagen zog mit seinen manipulierten Abgaswerten die Kritik von TI auf sich und als bei Siemens schwarze Kassen aufgetaucht waren, strich Transparency den Elektronikkonzern von der Liste seiner Unterstützer. „Der jüngste Skandal hat das Fass zum Überlaufen gebracht“, sagte damals ein Sprecher.

Es sind strenge Regeln, die der Verein in der Unternehmenswelt anlegt. Für Transparency selbst gelten diese aber nicht – zumindest nicht, wenn es um die Finanzierung der hauseigenen Antikorruptionskonferenz (IACC) geht.

Das Gipfeltreffen

Diese Konferenz, ein Gipfeltreffen der weltweit wichtigsten Korruptionsbekämpfer, findet alle zwei Jahre in einem anderen Land statt. Hier wird gemeinsam über Strategien diskutiert, wie Staaten und Konzerne gegen unmoralische Angebote gewappnet werden können. Die Empfehlungen sind dabei immer gleich: Alle Entscheidungen müssen transparent sein; die Bücher müssen offen, ehrlich und für jeden nachvollziehbar geführt werden.

Doch genau das ist bei der wichtigsten Konferenz von Transparency nicht der Fall. Zudem wurden gerade bei der Förderung dieser Konferenz durch die Bundesregierung Angaben zu Einnahmen weggelassen, die dort besser aufgeführt worden wären. Transparency International weist die Vorwürfe zurück.

Die drei Probleme

Im November 2012 fand die IACC-Tagung in Brasilia statt, der Hauptstadt Brasiliens. 1900 Teilnehmer aus 140 Ländern kamen zusammen. Die Kosten der Veranstaltung beliefen sich auf rund drei Millionen Euro. Der brasilianische Rechnungshof übernahm den Löwenanteil, rund 2,5 Millionen Euro. Hinzu kamen Teilnehmergebühren und Sponsorengelder, Zuschüsse von der Bundesregierung und von den Vereinten Nationen.

So weit, so gut. Doch bei der Abrechnung der Konferenz gibt es drei Probleme:

Problem 1: Transparency International legt trotz monatelanger Nachfragen keine schlüssige Abrechnung der Konferenz vor.

Problem 2: Sponsoreneinnahmen wurden nach Angaben von Transparency und seinem lokalen Konferenzpartner Amarribo an den Büchern vorbei geschleust. Der brasilianische Ölkonzern Petrobras und drei Banken haben 155.000 Euro für Technik und Feierlichkeiten direkt an die Eventfirma gezahlt, die die Konferenz im Auftrag von Amarribo organisierte. Petrobras ist einer der korruptesten Konzerne Lateinamerikas.

Das Geld taucht in keiner Abrechnung auf. Wer was kassiert hat, bleibt unklar. Die Banner der Sponsoren prangten dennoch prominent auf der Konferenz.  

Problem 3: TI hat nach der Konferenz Eintrittsgelder für die Veranstaltung im zentralen Haushalt verbucht. Sie wurden nicht als Beiträge für die IACC ausgewiesen. Das waren mögliche Gewinne. Trotzdem hat sich die Organisation einen Teil der Veranstaltung vom deutschen Steuerzahler bezahlen lassen. 

In Fußnoten versteckt

Der Fall ist kompliziert und geht weit ins Detail – wie immer, wenn es keine transparenten Abrechnungen gibt. Das Recherchezentrum CORRECTIV hat gemeinsam mit dem Handelsblatt die Geldflüsse rund um die 15. IACC-Tagung in Brasilien anhand von Verträgen, Verwendungsnachweisen und Abrechnungen rekonstruiert:  

So haben die Teilnehmer der brasilianischen Konferenz etwa 291.000 Euro an Teilnehmergebühren gezahlt. Der größte Teil davon, 219.000 Euro, wurde von Transparency International als Einnahme verbucht – allerdings nicht in der Abrechnung zur Konferenz, sondern in der allgemeinen Jahres-Buchhaltung, tief verborgen unter dem Punkt „sonstige Einnahmen“. Und damit ohne Bezug zu jener Konferenz. Wer die Transparency-Abrechung liest, kann den Geldfluss nicht entdecken. Transparenz sieht anders aus. Die Differenz aus den tatsächlichen und den verbuchten Teilnehmergebühren erhielt Amarribo.

Die intransparente Abrechnung der Eintrittsgelder ist unter anderem deshalb problematisch, weil auch die Bundesregierung – über die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) – die Konferenz in Brasilien mit 300.000 Euro gefördert hat.

Keine Rede von weiteren Einnahmen

Dazu gibt es auch einen Vertrag zwischen Transparency und der deutschen GIZ. In diesem Vertrag steht, dass die Konferenz lediglich von zwei Geldgebern bezahlt wird: der brasilianischen Regierung und der GIZ. Die Brasilianer sollen 2,63 Millionen Euro geben und die Deutschen 300.000 Euro zahlen. Weitere potentielle Geldgeber werden erwähnt — allerdings ohne konkrete Summen. Von Eintrittsgeldern und Sponsoreneinnahmen ist nicht die Rede.

Nach der Bundeshaushaltsordnung dürfen nur Events gefördert werden, die ohne Förderung nicht oder nur viel schlechter hätten stattfinden können. Das leuchtet unmittelbar ein – warum sollte man eine profitable Veranstaltung in Brasilien mit deutschem Steuergeldern unterstützen?

Ungemeldete Geldströme

Das Geld von der GIZ war zur Finanzierung bestimmter Workshops vorgesehen. Für die allerdings im Verwendungsnachweis keine Einnahmen ausgewiesen wurden. Auch von den weiteren Einnahmen der Konferenz steht in dem Abrechnungsbeleg nichts. Dann hätte die GIZ prüfen können, ob Teile dieser Einnahmen auf die Workshops angerechnet werden können.

Hätten nicht zumindest die Eintrittsgelder der Gesamtveranstaltung anteilig auf die Workshops umgelegt werden müssen? Weil nur zahlende Besucher der Konferenz auch die Workshops besuchen konnten? Bei vergleichbaren Konferenzen wird dies oft so gehandhabt. Es geht um eine Summe von geschätzt 30.000 Euro. Darüber hinaus hätten unter Umständen weitere Einnahmen, etwa aus dem Sponsoring, auf die Workshops angerechnet werden müssen. Alles Geldströme, die Transparency nicht an die GIZ gemeldet hat.

Eine Konferenz, zwei Budgets

Transparency räumt im Gespräch ein, dass die Finanzierung der IACC nicht transparent dargestellt worden sei.

Dies sei dem Umstand geschuldet, dass es bei der Konferenz Kosten vor Ort in Brasilien und Kosten in der Zentrale in Berlin gegeben habe. Diese seien jeweils in zwei verschiedenen Budgets abgerechnet worden.

Den konkreten Vorwurf, Transparency habe die Gesamteinnahmen nicht an die GIZ gemeldet, damit diese die Finanzierung der geförderten Workshops überprüfen kann, weist der Verein allerdings zurück.

Die GIZ habe nur einen Teilbereich der Konferenz gefördert, deswegen sei auch nicht zu beanstanden, dass die GIZ nicht auf die weiteren Einnahmen hingewiesen worden sei, sagt Roberto Perez Rocha, Chef der IACC-Konferenz bei Transparency, im Gespräch.

Die IACC wird jeweils vom internationalen Sekretariat TIs in Berlin sowie einem lokalen Partner organisiert. Eine eigene Rechtsform hat sie trotz der Umsätze in Millionenhöhe jedoch nicht. Auch hieraus resultiert das Chaos in der Abrechnung. Transparency trägt jedoch die Verantwortung und weist die Konferenz auch als eines seiner Programme im eigenen Finanzbericht aus.

Die „indirekten Kosten“

Perez Rocha sagt, Transparency habe die GIZ mit der Vorlage des allgemeinen Geschäftsberichtes generell über alle Einnahmen rund um die Tagung informiert. Die Darstellung der Konferenz im eigenen Finanzbericht entspreche internationalen Grundsätzen der Rechnungslegung.  

Der Verein besteht darauf, mit der IACC-Veranstaltung in Brasilien keine Überschüsse erzielt zu haben. Man habe mit den Eintrittsgeldern „indirekte Kosten“ der Konferenz gedeckt, sagt Miklos Marschall, Vize-Geschäftsführer von Transparency – ohne diese „indirekten Kosten“ auf Nachfrage zu benennen oder zu beziffern. In den Abrechnungen der IACC tauchen diese „indirekten Kosten“ bisher ebenfalls nicht auf. Sie wirken nach monatelangen Nachfragen wie frei erfunden.

Transparency erklärt, keinen Gewinn gemacht zu haben. Den Beweis bleibt die Organisation schuldig. Wir auch, dafür wäre eine einheitliche Bilanz für das Event nötig. Und die gibt es nicht.

Die GIZ wiegelt ab

Die GIZ will die Sache auf sich beruhen lassen. Der Zweck der Förderung seien ausschließlich die Workshops gewesen. Nur für diese hätte Transparency zusätzliche Einnahmen melden müssen. Die GIZ verweist in ihrer Mitteilung zudem auf Aussagen von Transparency, nach denen die Kosten der Konferenz letztlich höher ausgefallen seien als zunächst geplant. Doch in dem CORRECTIV und dem Handelsblatt vorliegenden Abrechnungsbeleg steht von höheren Konferenzkosten nichts. Eine Gesamtabrechnung existiert nach Auskunft von Transparency überhaupt nicht. Wann und wie Transparency diese Aussagen gegenüber der GIZ getroffen hat, sagt die Organisation nicht.

Zwei Experten sagen, dass die Argumentation der GIZ auf Grundlage des Vertrags nachzuvollziehen sei. Einer arbeitete früher für den Bundesrechnungshof, Jens-Hermann Treuner. Der andere ist Chef der Finanzabteilung eines großen deutschen Wirtschaftsverbandes, der sich jeden Tag mit öffentlichen Förderungen beschäftigt. Er möchte nicht genannt werden.

Der Vertrag wurde erst wenige Wochen vor der Konferenz unterzeichnet. In den Fördertöpfen der Bundesregierung waren plötzlich Mittel freigeworden. Die GIZ wollte das Geld aber bis Jahresende ausgeben, weil sich sonst die finanzielle Ausstattung der beteiligten Behörden im Folgejahr automatisch um den übrig gebliebenen Betrag reduziert hätte.

Politikern eine Bühne

Eine mit dem Vorgang betraute Person von Transparency International sagte, die GIZ habe einen Abnehmer für das Geld gesucht. In Eile sei dann der Projektvertrag ausgearbeitet worden. Unter dem Strich steht jedenfalls: laut Vertrag konnte TI Geld mit der Konferenz machen, weil die GIZ einen Teil dieser Veranstaltung mit Steuermitteln unterstützt hat. Der Steuerzahler musste zahlen.

Mit dem allgemeinen Prinzip der Bundeshaushaltsordnung – der Sparsamkeit – lässt sich das nur schwer vereinbaren.

Transparency International hat seine Einnahmen in den vergangenen zehn Jahren fast vervierfacht auf zuletzt 26,7 Millionen Euro. Die Organisation bemüht sich um Spenden von Unternehmen wie dem Ölkonzern Eni oder der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PriceWaterhouseCoopers.

Außerdem können Regierungen für ein paar Millionen Euro die inhaltliche Ausrichtung der IACC-Tagung mit bestimmen. Zuletzt kam die Regierung von Malaysia zum Zug, deren Regierungschef wegen Korruptionsvorwürfen in der Kritik steht.

Millionen-Festspiele im Steuerparadies

Es ist ein wenig wie bei der FIFA: Wer Millionen für die weltweiten Antikorruptions-Festspiele verspricht, bekommt den Zuschlag.

CORRECTIV hat von den IACC-Konferenzen nur zu der Veranstaltung in Brasilien intensiv recherchiert. Bei weiteren IACC-Konferenzen besteht noch weniger Transparenz. So gab Transparency International ein Dokument in thailändischer Sprache als Buchprüfung für die IACC in Thailand im Jahr 2010 aus. In dem Papier stand viel über die nationale Antikorruptionsbehörde  – und nur eine Zeile bezog sich auf die IACC, die mit dem Sternchen.

Transparency sagt zur Rechtfertigung, dass im Kampf gegen Korruption nicht zwischen schwarz und weiß zu unterscheiden sei. „Wir versuchen, Dialog zu fördern, manchmal auch mit dem nötigen Anteil Kritik“, sagt Perez Rocha zur Finanzierung durch Regierungen mit fragwürdigem Ruf.

Die nächste Konferenz findet in dem Steuerparadies Panama statt.

Doch erst einmal dürfte Transparency International jetzt mit seinen eigenen Büchern beschäftigt sein.

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Für die IACC in Brasilien hat CORRECTIV während der Recherche die folgenden Dokumente als Belege für unsere Ergebnisse zusammen getragen. In den Dokumenten haben wir jeweils mit Kommentaren die wichtigsten Stellen hervor gehoben und kommentiert:


Disclaimer: CORRECTIV-Geschäftsführer Christian Humborg arbeitete bis Herbst 2014 als Geschäftsführer für Transparency International Deutschland. CORRECTIV-Ethikratsmitglied Anne Koch ist seit 2011 als Regionaldirektor Europa und Zentralasien für Transparency International tätig. Weder Christian Humborg noch Anne Koch hatten mit dieser Veröffentlichung und Recherche etwas zu tun.