Ärgernis Bürgerbüro
Mal reichen zehn Minuten, mal muss man fünf Wochen warten: Wie viel Zeit ein Mensch braucht, um seinen Reisepass zu verlängern, hängt vor allem davon ab, in welcher Stadt des Ruhrgebietes er lebt.
Wer die Schwelle zum Bürgerbüro der Stadt Bochum übertritt, darf sich glücklich schätzen: Bis zu fünf Wochen musste er warten, bis er sein Anliegen vortragen darf; bis er einen neuen Personalausweis beantragen oder die Änderung seines Wohnsitzes melden kann.
Viele Besucher des Bürgerbüros sind nervös: haben sie die ausgedruckte E-Mail auch dabei, ohne die man nur schwer an den Sicherheitskräften vorbei kommt? Wurden die neuen Passbilder auf dem Küchentisch vergessen? Ist die Geburtsurkunde noch in der Jackentasche? Und hat der Vermieter die Bescheinigung über den Auszug auch richtig ausgefüllt — oder, was genauso schlimm wäre, hat man sie im Handschuhfach vergessen? Denn wenn die Unterlagen nicht vollständig sind, kann man nicht die fehlenden Papiere einfach holen. Man bekommt man stattdessen einen neuen Termin: In wieder fünf Wochen.
Nirgendwo im Ruhrgebiet warten Menschen so lange auf einen Termin in ihrem Bürgerbüro wie in Bochum. Anders ist die Lage in Gelsenkirchen. Wer keinen Termin hat, muss 17 Minuten warten; wer einen Termin hat, sitzt nur zwei Minuten rum.
Am Personaleinsatz kann es nicht liegen: Mit 122 Mitarbeitern hat das Bürgerbüro in Bochum die meisten Mitarbeiter je Einwohner von allen Büros im Ruhrgebiet. In Dortmund etwa sind es zehn Mitarbeiter weniger. Dort sind nur 112 Leute im Bürgerbüro beschäftigt. Dafür hat die Stadt 200.000 Einwohner mehr.
Wie schlecht Bochum ist, fällt auf, wenn man es mit Bottrop vergleicht. In Bochum kommen auf einen Mitarbeiter im Bürgerbüro 2966 Einwohner. In Bottrop bearbeitet ein Mitarbeiter 8924 Einwohner. Dafür warten in Bottrop die Menschen allerdings nur zwischen 2 Stunden und einen Tag auf einen Termin — keine Wochen. Ohne Termin warten Menschen in Bottrop übrigens im Schnitt nur etwa 15 Minuten, bevor sie vorsprechen können.
Warum sind die Wartezeiten in Bochum die längsten im ganzen Ruhrgebiet. Ein Grund dafür ist sicher der hohe Krankenstand in Bochum: Hier war im vergangenem Jahr jeder zehnte Mitarbeiter schlicht nicht da. In Dortmund ist der Krankenstand ebenfalls sehr hoch. Hier waren 13 Prozent der Mitarbeiter krank. Die Stadt hat im Schnitt mit vier Wochen Wartezeit für einen Termin im Bürgerbüro die zweitlängsten Wartezeiten im Ruhrgebiet. Im schnellen Bottrop sind dagegen nur 5,78 Prozent der Mitarbeiter krank.
In Bochum sorgt der miese Service für die Bürger mittlerweile für politische Querellen. Während Oppositionspolitiker von der CDU den Mitarbeitern im Bochumer Rathaus teilweise mangelnde Leistungsbereitschaft unterstellen, geht die Fraktion von FDP/Stadtgestalter tiefe. Deren Ratsmitglied Volker Steude fordert: „Wenn sich Krankenstände so deutlich aufsummieren, muss das frühzeitig signalisiert werden, um gegebenenfalls entsprechend eingreifen zu können.“
Die Stadt Bochum kennt viele Gründe für die langen Wartezeiten im Bürgerbüro. Die Mitarbeiter hätten immer neue Aufgaben vom Bund aufgedrückt bekommen. Etwa durch die Einführung des elektronischen Personalausweises, der elektronischen Lohnsteuerkarte oder ein neues Meldegesetz. Zudem wären weitere Aufgaben auf das Amt durch die Flüchtlingsaufnahme zugekommen. Gleichzeitig habe sich die Personalsituation verschlechtert. Aufgrund der „enormen“ Belastungen käme es zu vielen Ausfällen und starker Fluktuation.
Ob das so stimmt, ist fraglich. Alle Städte im Ruhrgebiet haben ähnliche Probleme und alle haben die gleichen Aufgaben vom Bund bekommen. Trotzdem haben Bochum und Dortmund einen sehr viel schlechteren Service für ihre Bürger als andere Städte. Es scheint also eher hauseigene Gründe für die langen Wartezeiten zu geben.
Immerhin haben die Verwaltungen das Problem erkannt: In Bochum kommen bald 27 frisch ausgebildete Kräfte im Bürgerbüro zum Einsatz, und die Hotline des Bürgerbüros wird von der Telefonzentrale übernommen. Ein umfassendes Konzept zur Reorganisation des Bürgerbüros will die Verwaltung im Herbst vorlegen.
Dortmund hat ebenfalls neue Mitarbeiter eingestellt, die zur Zeit qualifiziert werden und im Herbst einsatzbereit sein sollen. Zudem soll geprüft werden, ob weitere Kräfte bereitgestellt werden müssen.
Näherliegend wäre vielleicht ein Besuch bei den Nachbarn in Gelsenkirchen oder Bottrop. Dort könnten sich die Vordenker am funktionierenden Beispiel anzuschauen, was sie besser machen könnten.
WDR: Dortmund sucht Personal für Bürgerdienste
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DerWesten: Städte im Revier geben Bund die Schuld
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