Neue Heimat BSW: Frühere AfD-Mitglieder bringen sich als Unterstützer ein
Das Bündnis Sahra Wagenknecht wird von mehr als zwei Dutzend früherer Mitglieder und Funktionäre der AfD unterstützt. Nach Recherchen von CORRECTIV ist darunter auch ihr damaliger Social-Media-Experte. Das Wagenknecht-Bündnis wiegelt ab.
Als das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in einem Newsletter aufrief, die Partei zu unterstützen, fühlte sich Ralph H. angesprochen. „Ich wollte mich regional einbringen“, erzählt er am Telefon: „Regionalverbände gründen, plakatieren, solche Aufgaben“. Er habe ein Formular auf der Website ausgefüllt und den Hinweis ergänzt, dass er sich auch als Mitglied engagieren könne, falls gewünscht.
Fast schon bescheiden klingen H.s Ansprüche, wenn man bedenkt, welche Rolle er in der politischen Landschaft der Bundesrepublik bereits eingenommen hatte. Der 63-Jährige war bis 2017 Social-Media-Experte der AfD und entwarf ihre Online-Strategie. Er sei einer der Väter der Partei, schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung 2016 über ihn: „Der Erfolg, den die Partei heute hat, ist auch sein Verdienst“.
Auch im AfD-Parteispendenskandal spielt H. eine Rolle. Wie CORRECTIV berichtete, schlug er im Frühjahr 2016 in einer Mail dem damaligen Parteichef Jörg Meuthen ein Konzept für die Social-Media-Kampagne der AfD vor. Dieser antwortete, er leite dies „an unseren potentiellen Unterstützer“ weiter. Monate zuvor bot der deutschstämmige Milliardär Henning Conle Meuthen bei einem Treffen in der Schweiz seine Unterstützung an. In dem Skandal um AfD-Spenden und der millionenschweren externen Wahlkampfhilfe aus der Schweiz ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft Berlin. Dort wird H. als Zeuge geführt, im Oktober 2022 veranlasste sie eine Hausdurchsuchung bei ihm.
Nun bot H. seine Dienste also dem BSW an. „Die Positionen decken sich mit denen, die die AfD damals hatte, bevor sie in den rechtsradikalen Bereich abgerutscht sind“, sagt er. Bis heute habe er aber keine Antwort auf das Formular erhalten. Intern ist er beim BSW allerdings als Unterstützer gelistet. Die Partei wollte sich auf Anfrage nicht zu H.s Status äußern.
AfD und BSW: Parallelen bei Plakatkampagnen
Es gibt bemerkenswerte Ähnlichkeiten, was die Wahlwerbung beider Parteien angeht. Wie bei der AfD spielt beim BSW ein Verein eine Rolle – beim BSW sammelte ein Verein als Vorläufer der Partei Spenden, bei der AfD fuhr ein Verein Unterstützer-Kampagnen für die Partei. In beiden Fällen gab es bei dem Kölner Werbeaufsteller Ströer widersprüchliche Buchungen der Werbekampagnen. So wurde bei den Unterstützerplakaten des AfD-nahen Vereins die Partei als Direktkunde geführt. Beim BSW wiederum wurde der Verein als Kunde geführt, während die Partei angab, die Kampagne bezahlt zu haben. Und dann taucht im Unterstützerumfeld des BSW plötzlich der Social-Media-Experte auf, der schon im Spendenskandal der AfD um den Schweizer Milliardär Henning Conle zumindest als Zeuge eine Rolle spielte.
Von der AfD zum BSW
Ralph H. ist das prominenteste Beispiel einiger früherer AfD-Mitglieder, die nun die Nähe zum BSW suchen. Nach Recherchen von CORRECTIV haben sich mindestens 25 Personen als Unterstützer registriert, die in der AfD als Mitglieder gelistet waren. Darunter befinden sich Anhänger des aufgelösten rechtsextremen Flügels sowie frühere Funktionäre und Mandatsträger.
Das BSW unterscheidet zwischen Mitgliedern und Unterstützern. Zuletzt zählte die Partei rund 840 Mitglieder, was im Vergleich zu anderen Parteien wenig ist. Man wolle nicht die „Kinderkrankheiten“ anderer wiederholen, teilte Generalsekretär Christian Leye im Januar mit.
Umso größer ist die Unterstützer-Basis, die nach Informationen von CORRECTIV mehr als 10.000 Personen im Juni zählte. Diese übernehmen Aufgaben, die bei anderen Parteien teilweise die Mitglieder übernehmen. „Unterstützer engagieren sich aktiv für die Partei, gehen zu Treffen, planen Aktionen und helfen vor allem in Wahlkämpfen mit“, teilte ein BSW-Pressesprecher mit. Ein Stimmrecht haben Unterstützer allerdings nicht.
Aufgrund der einflussreichen Rolle der Unterstützer ist es wichtig zu wissen, wie sich der Kreis zusammensetzt. Vor allem in der Anfangszeit können wenige Personen großen Einfluss auf die Entwicklung einer Partei ausüben. CORRECTIV konnte interne Listen der beiden Parteien AfD und BSW miteinander abgleichen und fand Übereinstimmungen – darunter Personen mit radikalen Einstellungen. Weil sie keine herausgehobene Position innehaben, werden sie in diesem Text nicht namentlich genannt.
Rechtsaußen der AfD als Unterstützer
Einer hat 2013 den Aufbau der AfD unterstützt, saß später im Vorstand des Landesverbands Sachsen-Anhalt und freute sich über die Gründung des rechtsextremen Flügels der AfD, da dieser ihm „Hoffnung“ in die Partei gegeben habe. 2016 trat er wohl das letzte Mal für die AfD an, verpasste aber den Einzug in den Landtag. Auf Anfrage möchte er sich nicht öffentlich äußern und streitet ab, die Partei zu unterstützen. Intern ist er als Unterstützer vermerkt.
Unter den Unterstützern befinden sich auch Ex-AfD-Politiker, die zum Teil noch in den letzten Jahren für die Partei den Ortsverband leiteten, in Bezirksvertretungen oder in Kreistagen vertreten waren. Einer saß im sächsischen Landesvorstand der inzwischen aufgelösten rechtsextremen Patriotischen Plattform, deren Mitglieder gezielt vom Verfassungsschutz beobachtet wurden. Er sagte auf Anfrage, die AfD-Vergangenheit habe mit dem BSW-Engagement „nichts zu tun“.
Ein Weiterer leugnet auf seinem Internetblog, dass der Terroranschlag in Hanau, bei dem zehn Menschen ermordet wurden, von einem Rechtsextremen verübt wurde. Er sah die AfD nach der Auflösung des rechtsextremen Flügels in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Nun unterstützt er das BSW in Brandenburg. Auf Anfrage möchte er sich nicht äußern. Er spreche nur mit „echten Journalisten“ wie er einer sei.
Kein generelles Ausschlusskriterium
Keine Partei ist davor gefeit, dass sich Menschen mit unerwünschten Positionen anschließen. Bei der CDU kam es beispielsweise 2019 zu einem Eklat, als die rechtsextreme Vergangenheit des Kommunalpolitikers Robert Möritz bekannt wurde. Er verließ daraufhin die Partei und kam einem Parteiausschluss zuvor. Anfang des Jahres hat die Potsdamer CDU ein Parteiausschlussverfahren gegen den Eigentümer der Villa auf den Weg gebracht, in der das Treffen radikaler Rechter und Rechtsextremisten stattgefunden hatte, das CORRECTIV enthüllt hatte.
Bei der SPD teilte man auf Anfrage mit, dass der jeweils zuständige Ortsverband vor der Aufnahme einer Person jeden Einzelfall nach eigenem Ermessen überprüfe. „Bekannte Tatsachen“ über die Person können dabei zur Ablehnung führen. Frühere Parteimitgliedschaften können freiwillig angegeben werden.
Wer beim BSW als Unterstützer aktiv werden möchte, muss sich offiziell registrieren. Dabei werden vergangene und aktuelle Parteimitgliedschaften abgefragt. Eine frühere AfD-Mitgliedschaft sei dabei kein Ausschlusskriterium, so ein BSW-Sprecher. Die Nachfrage, wie es sich beispielsweise mit Anhängern des Flügels verhält, beantwortete die Partei nicht. „Wenn die betreffende Person dann zu Unterstützertreffen kommt, haben wir die Gelegenheit sie besser kennenzulernen“, hieß es allgemein. Das könne dazu führen, dass jemand sich langfristig als Unterstützer engagiert oder auch Mitglied der Partei wird.
Was den engen Kreis der Parteimitglieder angeht, so hatte die BSW-Landesvorsitzende in Thüringen, Katja Wolf, in der Vergangenheit ehemalige AfD-Mitglieder abgelehnt. Nun äußert sich die Partei anders. Eine frühere AfD-Mitgliedschaft sei kein generelles Ausschlusskriterium bei der Aufnahme als Mitglied, teilte das BSW mit. Wer in der Anfangszeit der Partei AfD-Mitglied war und schon vor längerer Zeit ausgetreten ist, könnte damit rechnen, als BSW-Mitglied aufgenommen zu werden. „Bei Menschen, die noch vor kurzem Mitglied der AfD waren, sähe das anders aus“, so ein Pressesprecher. „Die AfD hat seit ihrer Gründung einen erheblichen Wandel durchgemacht.“
Über ein BSW-Mitglied mit AfD-Vergangenheit hatten zuletzt MDR, NDR und WDR berichtet. Demnach sollte Thomas Schmid, heute BSW-Landeskoordinator in Thüringen, in der Vergangenheit neben Björn Höcke Pressesprecher der AfD in Thüringen werden. CORRECTIV liegen ebenfalls Informationen vor, wonach Schmid als Mitglied der AfD geführt wurde. Das hatte Schmid in der Vergangenheit dementiert, auf eine schriftliche Anfrage reagierte er nicht.
Redaktion: Justus von Daniels, Annika Joeres
Faktencheck: Annika Joeres
Design: Ivo Mayr