Faktencheck

Corona-Kettenbrief: Nein, Aspirin kann Covid-19 nicht heilen und nicht alle Patienten sterben an einer Thrombose

In einem auf Whatsapp geteilten Kettenbrief wird behauptet, Autopsien in Italien hätten gezeigt, dass Covid-19 Patienten nicht an Lungenentzündung, sondern an einer Thrombose sterben würden. Deshalb benötigten Krankenhäuser weder Beatmungsgeräte noch Intensivstationen. Diese Darstellung ist falsch.

von Cristina Helberg

Vaio di Fidenza Hospital Intensive Care Unit - Parma
Das Krankenhaus Vaio di Fidenza in Parma in Italien am 24. April 2020. (Symbolfoto: Sandro Capatti / picture alliance / abaca)
Bewertung
Größtenteils falsch
Über diese Bewertung
Größtenteils falsch. Antibiotika wirken nicht gegen Viren und Thrombosen sind nicht die ausschließliche Todesursache bei Covid-19-Patienten.

Ein Kettenbrief, der aktuell auf Whatsapp geteilt wird, behauptet, wegen eines Diagnosefehlers sei die Krankheit Covid-19 weltweit falsch behandelt worden. Mit den Worten „ULTIMA HORA, DIE LETZTE STUNDE“ beginnt der Brief. „Weltweit wurde Covid-19 aufgrund eines schwerwiegenden Diagnosefehlers falsch behandelt“, heißt es weiter. 

Weder Beatmungsgeräte noch Intensivstationen seien nötig. Stattdessen sei der richtige Weg, erkrankte Patienten mit Antibiotika, entzündungshemmenden und gerinnungshemmenden Medikamenten zu behandeln. Denn Autopsien italienischer Ärzte von Covid-19-Patienten hätten gezeigt, dass diese an Thrombosen, nicht an Lungenentzündungen gestorben seien. 

Diese Zusammenfassung ist falsch. Wir haben die Behauptungen, die uns Leser eingereicht haben, Schritt für Schritt geprüft. 

1.Behauptung: 50 Autopsien italienischer Ärzte von Covid-19-Patienten hätten gezeigt, dass diese an Thrombosen, nicht an Lungenentzündungen gestorben seien

Tatsächlich gibt es eine noch nicht abschließend bewertete Studie italienischer Ärzte vom 22. April 2020, in der über die Autopsien von 38 verstorbenen Covid-19 Patienten berichtet wird – nicht 50. Darin schreiben die Autoren: „Das vorherrschende Muster von Lungenläsionen bei Covid-19-Patienten ist DAD, wie auch bei den beiden anderen Coronaviren, die den Menschen infizieren, SARS-CoV und MERS-CoV.“ DAD steht für „diffuser Alveolarschaden“, eine Schädigung der Lungenbläschen. 

Über die untersuchten Patienten schreiben die Autoren: „Zum Zeitpunkt der Krankenhauseinweisung hatten alle Patienten Rachenabstrichproben, die positiv für SARS-CoV-2 Infektionen waren, und wiesen klinische und radiologische Merkmale einer interstitiellen Lungenentzündung auf.“ (PDF, Seite 3) 

Weiter steht in dem Preprint: „Unsere Daten unterstützen nachdrücklich die Hypothese, von neuere klinische Studien, dass Covid-19 durch Blutgerinnungsstörung und Thrombose verkompliziert wird, oder eng damit zusammenhängt“ (PDF, Seite 5). Die Autoren beobachteten Thromben – Blutgerinnsel – bei 33 der 38 untersuchten Patienten. Aus diesem Grund werde eine Verwendung von Antikoagulanzien, also gerinnungshemmenden Medikamenten, vorgeschlagen.

Auch andere aktuelle Studien weisen auf die Gefahr von Thrombosen hin. In einer am 10. April erschienen niederländischen Studie wurden 184 Intensivpatienten mit durch Covid-19 bedingten Lungenentzündungen untersucht. 31 Prozent hatten Komplikationen mit Thrombosen, obwohl sie prophylaktisch Gerinnungshemmer bekamen. Die Autoren schreiben, der Wert sei „bemerkenswert hoch“ und empfehlen, bei betroffenen Intensivpatienten vorsorglich hohe Dosen von Gerinnungshemmern einzusetzen. Die WHO rät ebenfalls zur Anwendung von gerinnungshemmendem Heparin bei Patienten, bei denen keine anderen Umstände dagegen sprechen. (PDF, Seite 8) 

Die Autoren ziehen also keinesfalls, wie in der Whatsapp-Nachricht behauptet, den Schluss, dass Patienten mit Covid-19 ausschließlich an Thrombosen starben. Sie warnen jedoch, dass diese häufig auftreten. 

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) führt neben Lungenentzündungen außerdem seit Ende Januar Thrombozytopenie als mögliche Komplikation in kritischen Fällen von Covid-19 auf. (PDF, Seite 3) Thrombozytopenie ist eine deutliche Verminderung der Zahl der Blutplättchen und somit eine Gerinnungsstörung

Dass Lungenentzündungen bei Covid-19-Patienten auftreten, belegen verschiedene Studien. Eine am 14. April veröffentlichte Studie untersuchte vier in Wuhan verstorbene Patienten. Die Autoren schreiben, diese seien „an einer COVID-19-Pneumonie“ gestorben. 

Fazit: Thrombosen treten bei Covid-19 Patienten offenbar häufig auf. Das heißt aber nicht, dass alle Covid-19 Patienten ausschließlich an Thrombosen sterben. 

2.Behauptung: Weder Beatmungsgeräte noch Intensivstationen seien nötig. Stattdessen sei der richtige Weg, erkrankte Patienten mit Antibiotika, entzündungshemmenden und gerinnungshemmenden Medikamenten zu behandeln.

Diese Schlussfolgerung ist falsch. 

Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DPG) veröffentlichte am 21. April eine Pressemitteilung, in der sie eine rechtzeitige Beatmung der Patienten empfiehlt. „Da es bislang kein Medikament gegen COVID-19 gibt, stellt die Beatmung schwer Erkrankter derzeit die einzige Behandlungsmöglichkeit dar“, wird Torsten Bauer, stellvertretender Präsident der DGP, darin zitiert. 

Die WHO schreibt auf ihrer Webseite: „Antibiotika wirken nicht gegen Viren, sie wirken nur gegen bakterielle Infektionen. Covid-19 wird von einem Virus verursacht, daher wirken Antibiotika nicht.“ Antibiotika sollten deshalb laut WHO nicht als Mittel zur Vorbeugung oder Behandlung von Covid-19 eingesetzt werden. „In Krankenhäusern setzen Ärzte manchmal Antibiotika ein, um bakterielle Sekundärinfektionen zu verhindern oder zu behandeln, die bei schwerkranken Patienten eine Komplikation von Covid-19 darstellen können.“ 

Antibiotika können also zusätzlich eingesetzt werden, wenn neben Covid-19 auch andere bakterielle Infektionen vorliegen. Gegen Covid-19 sind sie nutzlos. 

Informationen der WHO zu Antibiotika. (Screenshot: CORRECTIV)

Richtig ist, dass die WHO schon seit Januar zur Verabreichung von gerinnungshemmenden Mitteln rät, um Komplikationen wie Thrombosen zu verhindern. (PDF, Seite 8). 

Eine am 19. April veröffentlichte Auswertung der WHO von 73 Studien, bei denen die Wirkung von nicht-steroidalen entzündungshemmende Medikamenten bei Patienten mit Covid-19, MERS und SARS untersucht wurde, kommt zu dem Schluss, dass diese aktuell keine Hinweise auf Nutzen oder Risiken liefern. Zu nicht-steroidalen entzündungshemmenden Medikamenten gehören unter anderem Ibuprofen, Aspirin und Diclofenac. 

Zu dem Medikament Ibuprofen kursierten im März unbelegte Meldungen, es könne eine Covid-19 Erkrankung verschlimmern. Unser Faktencheck zeigte: Die Frage nach möglichen Auswirkungen des Schmerzmittels ist ungeklärt. 

Fazit: Antibiotika können bei Covid-19 Patienten eingesetzt werden, um zusätzliche bakterielle Infektionen zu behandeln. Gerinnungshemmende Medikamente können das Risiko von Thrombosen minimieren. Entzündungshemmende Medikamente sind nach aktuellem Stand der WHO weder vor- noch nachteilhaft. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass die Behandlung mit Beatmungsgeräten oder die Versorgung auf der Intensivstation unnötig seien. 

3.Behauptung: Ein Video einer mexikanischen Familie in den USA bestätigt, dass sie mit einem Hausmittel geheilt wurden: Drei 500g Aspirin-Tabletten, gelöst in mit Honig gekochtem Zitronensaft, wurden heiß genommen, und am nächsten Tag waren sie gesund

Belege für diese Behauptung oder einen Link zu dem angeblichen Video liefert die Whatsapp-Nachricht nicht. Aspirin gehört zu den nicht-steroidalen entzündungshemmenden Medikamenten, für die laut WHO aktuell weder Vorteile, noch Nachteile für Covid-19 Patienten nachgewiesen sind. 

Fazit: Die Einnahme von Aspirin, egal ob mit Honig und Zitronensaft oder ohne, ist demnach nutzlos. 

Auf den Whatsapp-Kettenbrief haben uns Leser hingewiesen. Er wurde zuerst auf Spanisch verbreitet und auch von mehreren anderen Faktencheck-Organisationen geprüft. Unter anderem von Maldita, ColombiaCheck und Verificado

Update, 18. März 2021: Wir haben im Text die Aussage korrigiert, dass Thrombozytopenie (Mangel an Blutplättchen) das Risiko für Thrombosen erhöhe. Dies geht so aus der Quellenlage nicht hervor.