Nein, dieses Foto beweist nicht, dass ein Mundschutz die Gesundheit gefährdet
Auf Facebook kursiert ein Foto einer Petrischale voller Keime. Es soll beweisen, dass ein Mundschutz der Gesundheit schade. Im Text dazu werden Symptome beschrieben, die nach dem Tragen auftreten sollen. Die Behauptungen sind teilweise unbelegt und irreführend.
Auf Facebook kursiert seit mehreren Wochen ein Foto, das angeblich eine Petrischale voller Keime zeigt. In dem Text dazu wird behauptet, dass sich diese Keime nach dem siebenstündigen Tragen einer Atemmaske angesammelt hätten. Laut dem Bild handelte es sich vermutlich um einen medizinischen Mund-Nasen-Schutz (OP-Maske). Mit dem Text „Angeblich sollen uns diese Masken schützen! Leider ist das Gegenteil der Fall“ wird suggeriert, dass ein solcher Mundschutz gesundheitsschädlich sei. Zudem werden mehrere Symptome aufgezählt, die das Tragen angeblich hervorruft, so wie Atemnot oder Hautprobleme.
Das Bild wurde von verschiedenen Personen auf Facebook geteilt, zum Beispiel hier und hier. Beide Beiträge wurden am 16. Mai veröffentlicht und insgesamt mehr als 46.000 Mal geteilt. Auch in der Telegram-Gruppe „Geheimnis der Gesundheit“ mit mehr als 6.500 Mitgliedern wurde es geteilt. CORRECTIV überprüfte die Behauptungen: Sie sind unbelegt und teilweise falsch.
Erste Behauptung: Am Mundschutz sammeln sich zahlreiche Keime
In dem Text zu dem Foto einer Petrischale voller Keime wird behauptet, dass von einem Mundschutz, der sieben Stunden lang getragen wurde, ein Abstrich genommen wurde und nach 24 Stunden in einem Brutschrank zahlreiche Keime entstanden seien. Es wird suggeriert, dass diese Keime gefährlich seien.
Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) schrieb dazu per E-Mail auf eine Anfrage von CORRECTIV: „Welche Keime das sind, ist aus der Kultur alleine nicht zu erkennen. Die Kulturplatte würde aber auch so aussehen, wenn man darauf spucken würde. Im Mundraum und den Atemwegen sind eben viele Bakterien bei jedem von uns. Man bezeichnet das als die normale ,Flora’. Diese Bakterien haben aber keinen Krankheitswert.”
E-Mail von der Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. (Screenshot: CORRECTIV)
Mundschutz muss regelmäßig gewechselt werden
Wie wir in einem Faktencheck bereits recherchiert haben, ist der richtige Umgang mit dem Mund-Nasen-Schutz wichtig. Wenn die Maske nach längerem Tragen feucht sei, sollte sie gewechselt werden, schrieb uns Marieke Degen vom Robert-Koch-Institut. Es könne zu einer Kontamination der Maske mit der Mund-Rachen-Flora kommen – also mit Bakterien. „Systematische und vergleichbare Studien gibt es hierzu bislang aber nicht”, schrieb sie zudem.
Der Mundschutz muss regelmäßig gewechselt und – im Falle einer wiederverwendbaren Maske aus Stoff – gereinigt werden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte empfiehlt, selbstgenähte Masken nach der Nutzung in einem Beutel luftdicht verschlossen aufzubewahren oder sofort zu waschen. Idealerweise bei 95 Grad, mindestens aber bei 60 Grad.
Bewertung: Das Foto der Petrischale belegt nicht, dass sich gesundheitsgefährdende Keime in der Maske sammeln.
Zweite Behauptung: Mundschutz ruft Atemnot hervor durch Einatmen des ausgeatmeten CO2
Diese Behauptung haben wir bereits in einem anderen Faktencheck überprüft. Sie ist falsch.
Eine Sprecherin des Robert-Koch-Instituts schrieb dazu per E-Mail an CORRECTIV: „Dass man mehr CO2 einatmet, stimmt nicht, dass die Atmung behindert wird, schon.“
Und die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) erklärte uns, dass ein Mund-Nasen-Schutz aus Stoff die Zusammensetzung der eingeatmeten Luft nicht ändere. „Alle Moleküle der Raumluft, und das sind im wesentlichen Sauerstoff, Stickstoff und Kohlendioxid, können die Maske passieren und werden nicht abgefiltert.“
Der Ursprung der Behauptung über CO2 ist eine Studie an der Technischen Universität München aus dem Jahr 2005, die sich mit der „Rückatmung von Kohlendioxid bei Verwendung von Operationsmasken als hygienischer Mundschutz an medizinischem Fachpersonal“ beschäftigte. Die Studie kam damals zu dem Ergebnis, dass CO2 beim Ausatmen durch eine OP-Maske nur teilweise entweichen könne. „Dieser Effekt führte zu dem Ergebnis, dass die Probanden Luft einatmeten, deren CO2-Gehalt höher war als derjenige der umgebenden Raumluft“, schrieb die Autorin. Dadurch steige die Kohlendioxid-Konzentration im Blut. (PDF, S. 35)
Das könne zu einer Zunahme der Reaktionszeit und Abnahme der Leistungsfähigkeit führen. Die Autorin der Studie empfahl Herstellern von OP-Masken deshalb, ihre Produkte durchlässiger für Kohlendioxid zu machen. (PDF, S. 41 und 42)
Die Studie beschäftigte sich ausschließlich mit zwei Modellen von OP-Masken, also dem klassischen Mund-Nasen-Schutz (PDF, S.18 bis 20). Das Tragen von filtrierenden Halbmasken (FFP-Masken) oder selbstgenähten Masken wurde nicht untersucht. Sowohl der medizinische Mund-Nasen-Schutz als auch die filtrierenden Halbmasken sind durch das Deutsche Institut für Normierung (DIN) zertifiziert und zugelassen. Beide Zertifizierungen wurden zuletzt 2009 überarbeitet, also vier Jahre, nachdem die Studie an der TU München erschienen ist.
Bewertung: Die Behauptung ist falsch, durch das Tragen eines Mundschutzes atmet man nicht zu viel CO2 ein.
Dritte Behauptung: Mundschutz löst Bronchialbeschwerden und Gerstenkörner aus
Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin schrieb CORRECTIV per E-Mail, dass Bronchialbeschwerden beispielsweise bei einer normalen Baumwollmaske nicht auftreten. „Die zum Maskenbau benutzten Stoffe sollten ,biokompatibel’ sein, so nennt es die EN 14683 Norm.“
„Biokompatibilität“ ist in der Norm eine Anforderung, die die Verträglichkeit ohne negative oder unerwünschte Nebenwirkungen zusichern soll. Das heißt, um zugelassen zu werden, müssen medizinische Masken frei von Nebenwirkungen sein – das schließt Bronchialbeschwerden ein.
Selbstgenähte Stoffmasken sind nicht zertifiziert und können aus verschiedenem Material sein, daher kann nicht geprüft werden, ob sie Beschwerden verursachen können.
In dem Text wird zudem behauptet, dass das Tragen von Mund-Nasen-Schutz ein Gerstenkorn, also eine akute Entzündung durch eine bakterielle Infektion am Augenlid, hervorrufen könne. Dass dies eine Nebenwirkung des Masketragens sein könnte, verneint die DGP. Ein Mund-Nasen-Schutz berührt beim ordnungsgemäßen Tragen auch nicht die Augen.
Bewertung: Die Behauptungen sind laut DGP größtenteils falsch. Ein medizinischer Mundschutz muss Normen entsprechen, daher löst er keine Bronchialbeschwerden und auch kein Gerstenkorn aus.
Vierte Behauptung: Hautjucken und Pickelbildung sind Symptome nach dem Tragen eines Mundschutzes
Auf Anfrage von CORRECTIV schrieb die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, dass Hautjucken entstehen könne, wenn jemand auf das Material des Mund-Nasen-Schutzes allergisch sei. Hier weist die DGP nochmals auf die Biokompatibilität hin.
Zudem könne jede Hautbedeckung am Körper zu Pickelbildung führen. „Das ist im Gesichtsbereich keine Ausnahme, aber auch kein besonderes Problem.“
Bewertung: Die Behauptung ist teilweise falsch, weil Kontext fehlt. Das Tragen von Mund-Nasen-Schutz führt nur bei Allergien gegen das Material des Mundschutzes zu Hautjucken. Zudem können bei jeder Art von Hautbedeckung Pickel auftreten.
Fazit: Die Behauptungen sind unbelegt und teilweise falsch. Das Foto der Petrischale belegt nicht, dass sich gesundheitsgefährdende Keime in der Maske sammeln. Die pauschale Behauptung, durch das Tragen eines Mundschutzes atme man mehr CO2 ein, ist falsch. Zudem treten die beschriebenen Symptome nicht auf, wenn keine Allergie besteht und der Mund-Nasen-Schutz ordnungsgemäß getragen wird.