Faktencheck

Billy Six – Es stimmt nicht, dass seit April keine neuen Covid-19-Fälle nachgewiesen wurden

Seit Mitte April wurden angeblich keine neuen Covid-19-Fälle mehr nachgewiesen. Das behauptet der rechte Blogger Billy Six auf Facebook und bezieht sich dabei auf eine Stichprobe des Robert-Koch-Institutes. Diese Behauptung ist irreführend.

von Sarah Thust

Covid-19 und Sars-Cov-2 beim Arzt
Die Sentinel-Daten im Influenzabericht des RKI zeigten keine Nachweise von SARS-CoV-2. Doch diese Daten beziehen sich lediglich auf freiwillig eingereichte Stichproben aus 100 Arztpraxen. Die meisten registrierten Infektionsfälle werden in Deutschland von den Gesundheitsämtern gemeldet. (Bildquelle: Pixabay/Darko Stojanovic)
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Teilweise falsch
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Teilweise falsch. Es stimmt nicht, dass seit dem 19. April keine Coronaviren mehr nachgewiesen wurden. Die Behauptung bezieht sich auf eine nicht repräsentative Stichprobe von 100 Arztpraxen in Deutschland.

Billy Six, ein bekannter und AfD-naher rechter Blogger, behauptet auf Facebook, dass es keine neuen Covid-19-Fälle geben würde. In dem Beitrag wurde ein Screenshot eines Textes mit dem Logo des Robert-Koch-Instituts (RKI) veröffentlicht. Dazu schrieb Six: „WAHNSINN: Das Robert-Koch-Institut selbst also die Bundesregierung [sic!] gibt zu, dass nach dem 19. April keine der ,neuen Corona-Viren‘ mehr labortechnisch in den Stichproben nachgewiesen werden konnten“. Der Beitrag wurde am 26. August veröffentlicht und bisher mehr als 400 Mal geteilt (Stand: 28. August). 

Bereits im Juli erschien auf der Internetseite Corona Transition ein ähnlicher Beitrag, der auf einen älteren RKI-Bericht verwies. Darüber haben wir bereits einen Faktencheck veröffentlicht. Die Behauptungen waren irreführend.

So auch in dem Beitrag von Billy Six. Die im Screenshot verwendete Aussage, es habe seit der 16. Kalenderwoche keine neuen Nachweise von SARS-CoV-2 im Sentinel gegeben. Allerdings sagt dieser Satz nicht viel aus, da es sich bei dem Sentinel um eine Stichprobe von etwa 100 Arztpraxen handelt. Der Großteil der Nachweise zu SARS-CoV-2 wird aber über die Gesundheitsämter geführt. 

Billy Six setzt RKI und Bundesregierung gleich – das stimmt so nicht 

Das Robert-Koch-Institut (RKI) ist im Gegensatz zu der Behauptung in dem Beitrag nicht mit der Bundesregierung gleichzusetzen. Zwar handelt es sich dabei um „die zentrale Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung und -prävention und damit auch die zentrale Einrichtung des Bundes auf dem Gebiet der anwendungs- und maßnahmenorientierten biomedizinischen Forschung.“ Das RKI macht aber weder Gesetze noch trifft es politische Entscheidungen, es berät die Bundesregierung nur. 

Der Beitrag auf Facebook bezieht sich auf den Influenza-Bericht, der monatlich vom Robert-Koch-Institut veröffentlicht wird. Im Text ist der Bericht der Kalenderwochen 29 bis 32 (Mitte Juli bis Mitte August) verlinkt. Das Bild zeigt einen Screenshot daraus. Rot umkreist ist ein Absatz auf der ersten Seite: „Seit der 8. KW 2020 sind insgesamt 13 (0,6 %) SARS-CoV-2-positive Proben in 2.020 untersuchten Proben im Sentinel der AGI detektiert worden. Seit der 16. KW 2020 gab es keine Nachweise mehr von SARS-CoV-2 im Sentinel.“

Ein Bericht des RKI zeigt, dass das Virus SARS-CoV-2 seit Monaten nicht im Sentinel des RKI nachgewiesen wurde. Der rechte Blogger Billy Six behauptet, das beweise, dass es keine COVID-19-Fälle gebe.
Ein Bericht des RKI zeigt, dass das Virus SARS-CoV-2 seit Monaten nicht im Sentinel des RKI nachgewiesen wurde. Der rechte Blogger Billy Six behauptet, das beweise, dass es keine COVID-19-Fälle gebe. (Screenshot: CORRECTIV)

Die Daten aus dem Influenza-Bericht zeigen nicht, wie viele SARS-CoV-2-Nachweise insgesamt erbracht wurden

Auf unsere Anfrage per E-Mail schreibt das RKI, dass es sich um sogenannte Sentinel-Daten handelt. Diese würden aus einer Stichprobe von 100 Arztpraxen aus ganz Deutschland stammen, die vom RKI untersucht werden. Der überwiegende Anteil der Corona-Nachweise stammt jedoch nach Angaben des Instituts von den Gesundheitsämtern in Deutschland.

Wie kommen die Sentinel-Proben zustande? Die Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) des RKI erweitert die virologische Überwachung um SARS-CoV-2, indem sie Atemwegsproben von Patienten mit akuten Atemwegserkrankungen untersucht. „Im RKI werden Rachenabstriche (Sentinelproben) aus lediglich gut 100 Arztpraxen aus ganz Deutschland auf verschiedene respiratorische Erreger untersucht, u.a. SARS-CoV-2. Bislang war nur ein kleiner Teil der Menschen hierzulande mit SARS-CoV-2 infiziert, daher ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass ausgerechnet in diesen paar Arztpraxen ein Fall ankommt,“ schrieb das RKI. Auch in der Hochphase von Covid-19 im März und April habe es bei der AGI nur wenige Fälle gegeben. 

Das RKI antwortete am 14. August per E-Mail auf die Frage: „Warum gibt es derzeit keine Nachweise von SARS-CoV-2 mehr in den Sentinel-Proben?“ Das RKI antwortete am 14. August per E-Mail auf die Frage: „Warum gibt es derzeit keine Nachweise von SARS-CoV-2 mehr in den Sentinel-Proben?“
Das RKI antwortete am 14. August per E-Mail auf die Frage: „Warum gibt es derzeit keine Nachweise von SARS-CoV-2 mehr in den Sentinel-Proben?“ (Screenshot: CORRECTIV)

RKI: Sentinel-Daten werden „quasi als Nebenprodukt“ erhoben

Die Arbeitsgemeinschaft Influenza schreibt auf ihrer Internetseite, dass Sentinelpraxen Arztpraxen seien, die sich an der Überwachung akuter respiratorischer Erkrankungen in Deutschland beteiligen. Jede Woche schicken dem RKI zufolge etwa 100 Praxen Proben von Patienten mit akuten Atemwegserkrankungen ein, die im RKI auf Viren wie Influenza oder SARS-CoV-2 untersucht werden.

Sentinels wie dieses sollen laut RKI das epidemiologische Monitoring durch das Meldesystem methodisch und inhaltlich ergänzen beziehungsweise validieren. Diese Daten erhebe das RKI „quasi als Nebenprodukt innerhalb der gesundheitlichen Vorsorge oder Versorgung“ mit dem Ziel, epidemische Entwicklungen spezifischer Krankheitsfelder in einer Teil-Bevölkerung beziehungsweise der Bevölkerung insgesamt zu ermitteln.

Die Gesamtzahl aller Covid-19-Infektionen in Deutschland und deren Entwicklung stellt das RKI unter anderem auf einem Dashboard dar. Dort ist unter „Fälle kumuliert“ abzulesen, dass das Institut seit dem Beginn der 23. Kalenderwoche (1. Juni) zehntausende Neuinfektionen registriert hat.

Screenshot vom RKI-Dashboard: Diese Grafik zeigt die bei den Gesundheitsämtern gemeldeten Covid-19-Fälle (Stand: 14. August 2020).
Screenshot vom RKI-Dashboard: Diese Grafik zeigt die bei den Gesundheitsämtern gemeldeten Covid-19-Fälle (Stand: 14. August 2020). (Screenshot: CORRECTIV)

Die Sentinel-Daten sagen nichts über die bundesweite epidemiologische Lage aus  

In dem Facebook-Beitrag wird suggeriert, dass es sich um repräsentative Daten handele, die angeblich die epidemiologische Lage in Deutschland widerspiegeln. Das ist irreführend. Denn das RKI erklärt in einem Lagebericht vom 13. August: „Aufgrund der geringen Zahl eingesandter Proben ist keine robuste Einschätzung zu den derzeit eventuell noch zirkulierenden Viren möglich“ (Seite 13).

Den überwiegenden Anteil der Corona-Nachweise erbringen laut RKI die Gesundheitsämter. Auf Anfrage von CORRECTIV verwies das RKI auf die SARS-CoV-2-Meldedaten nach dem Infektionsschutzgesetz, also die Zahl der Infektionen, die von den Laboren an die Gesundheitsämter gemeldet wurden. 

Die Aussage, es seien seit dem 19. April keine Coronaviren mehr im Labor nachgewiesen worden ist somit falsch. Es ist nicht das erste Mal, dass der Blogger Billy Six durch gezielte Desinformation auffällt. Im April filmte er angeblich menschenleere Krankenhäuser in Berlin – hielt sich aber am völlig falschen Ort auf. Wir haben dazu ebenfalls einen Faktencheck veröffentlicht.