Faktencheck

Nein, es ergibt keinen Sinn, aktuelle Todeszahlen von Covid-19 mit älteren Daten zur Grippe zu vergleichen

Auf Facebook werden Todesfälle der Grippewelle 2017/2018 mit aktuellen Todeszahlen von Covid-19 verglichen. Es wird suggeriert, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung von Corona zu stark seien. Doch der Vergleich zwischen Grippe und Corona hinkt.

von Kathrin Wesolowski

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Immer wieder werden Todeszahlen von Corona mit denen von Influenza verglichen. Doch der Vergleich ergibt keinen Sinn: Die Zahlen werden unterschiedlich erhoben. (Symbolbild. Quelle: Pixabay / PIRO4D)
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Größtenteils falsch. Die Todeszahlen von Influenza und Covid-19 können nicht sinnvoll verglichen werden, die Angaben in der Grafik sind irreführend.

„Habt ihr damals irgendwas von Pandemie gehört?“, schrieb eine Facebook-Nutzerin am 25. September. Dazu veröffentlichte sie eine Tabelle, in der die Grippewelle 2017/2018 mit der „Coronawelle“ 2020 verglichen wird. In der „schlimmsten Grippewelle seit 30 Jahren“ seien damals innerhalb von drei Monaten 25.100 Menschen gestorben. 2020 wären innerhalb von drei Monaten nur 3.000 Menschen an Corona gestorben. Zudem suggeriert die Grafik mit einem Vergleich der Maßnahmen gegen die Verbreitung der jeweiligen Erkrankungen, das aktuelle Handeln im Kampf gegen das Coronavirus sei überzogen. Der Beitrag wurde bereits mehr als 3.200 Mal auf Facebook geteilt.

Immer wieder taucht dieser Vergleich in Sozialen Netzwerken auf. Doch er hinkt, denn die Zahlen lassen sich nicht sinnvoll vergleichen.

Der Vergleich von Grippe- mit Corona-Todeszahlen kann so wie in diesem Facebook-Beitrag nicht gezogen werden. (Quelle: Facebook. Screenshot: CORRECTIV)

Zunächst muss zudem zwischen einer Pandemie und einer Epidemie unterschieden werden. Bei einer Pandemie handelt es sich laut Bundesärztekammer um eine sich schnell weiter verbreitende, ganze Landstriche, Länder und Kontinente erfassende Krankheit. Eine Epidemie sei meist regional begrenzt, wie beispielsweise die jedes Jahr wiederkehrende (saisonale) Influenza – es gebe aber auch Influenza-Pandemien. Als Beispiel wird das Virus H1N1 von 2009 genannt. 

Vergleich der Todeszahlen sowie der Maßnahmen gegen Influenza und Covid-19 ergibt keinen Sinn

Ein direkter Vergleich der aktuellen Covid-19-Zahlen mit denen der saisonalen Influenza aus vergangenen Jahren ist nicht sinnvoll. Denn: Die Grippe-Todesfälle werden anhand statistischer Modelle geschätzt, während es sich bei den Covid-19-Todesfällen um sogenannte laborbestätigte Fälle handelt. Wir haben zu diesem Thema bereits einen ausführlichen Faktencheck veröffentlicht.  

Das RKI schreibt auf seiner Webseite, dass „bei weitem nicht alle mit Influenza in Zusammenhang stehenden Todesfälle als solche erkannt oder gar labordiagnostisch bestätigt werden.“ Deswegen werde die Sterblichkeit auf folgende Weise geschätzt: „Die Zahl der mit Influenza in Zusammenhang stehenden Todesfälle wird – vereinfacht dargestellt – als die Differenz berechnet, die sich ergibt, wenn von der Zahl aller Todesfälle, die während der Influenzawelle auftreten, die Todesfallzahl abgezogen wird, die (aus historischen Daten berechnet) aufgetreten wäre, wenn es in dieser Zeit keine Influenzawelle gegeben hätte. Das Schätz-Ergebnis wird als sogenannte Übersterblichkeit (Exzess-Mortalität) bezeichnet.“

Die Grippewelle 2017/2018 gilt als schlimmste seit 30 Jahren

Was stimmt, ist, dass die Grippewelle 2017/2018 als schlimmste Grippewelle seit 30 Jahren gilt. „In der Grippewelle 2017/18 sind geschätzt 25.100 Menschen in Deutschland durch Influenza gestorben“, schrieb das Robert-Koch-Institut (RKI) in einer Pressemitteilung vom 30. September 2019. „Das ist die höchste Zahl an Todesfällen in den vergangenen 30 Jahren‘“, wird Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts, zitiert. 

Durch Labore bestätigt wurden in der Grippesaison 2017/2018 1.674 Todesfälle. Laut RKI dauerte die Grippewelle 2017/2018 insgesamt 15 Wochen an, also etwa drei Monate. Sie habe in der 52. Kalenderwoche 2017 begonnen und endete in der 14. Kalenderwoche 2018. Die Länge einer Grippewelle beträgt dem RKI zufolge meist drei bis vier Monate, und sie beginnt meist im Januar.

Keine 3.000 Corona-Todesfälle in drei Monaten, sondern rund 6.000

Was die Corona-Pandemie betrifft, so wurde in Deutschland am 28. Januar der erste Coronafall laborbestätigt. Am 9. März 2020 meldete das RKI die ersten beiden Todesfälle in Deutschland. Geht man vom 28. Januar als Beginn aus, starben innerhalb der ersten drei Monate 5.913 Menschen (Todesfälle mit laborbestätigter Infektion; Stand 28. April). Es waren also nicht 3.000 innerhalb von drei Monaten, wie es in der Grafik auf Facebook steht. 

Aktuell wurden laut RKI bisher 9.508 Todesfälle (Stand 2. Oktober 2020) mit Corona gemeldet. 

Redigatur: Uschi Jonas, Alice Echtermann