Faktencheck

Video irreführend geschnitten: Nein, Jens Spahn kündigte keine Geldstrafe von 25.000 Euro für Nicht-Geimpfte an

Ein Video von Jens Spahn verbreitet sich im Netz. Es wird suggeriert, er habe Geldstrafen von 25.000 Euro angekündigt für Menschen, die einer verpflichtenden Impfung nicht nachkommen. Doch das Video wurde irreführend geschnitten – es ging darin nicht um eine Impfpflicht, sondern um eine Testpflicht für Reiserückkehrer.

von Sarah Thust

Jens Spahn
Gesundheitsminister Jens Spahn hat bei einer Pressekonferenz über Bußgelder für Reiserückkehrer gesprochen, die sich nicht testen lassen wollen. (Symbolbild: Michael Kappeler/dpa)
Behauptung
Ein Video von Jens Spahn zeige, dass 25.000 Euro Strafe drohen, wenn man einer verpflichtenden Impfung nicht nachkommt.
Bewertung
Manipuliert. Das Video ist irreführend geschnitten. Es ging um Bußgelder für Reiserückkehrer, die sich nicht testen lassen. Das Vorgehen dabei verglich Jens Spahn mit Verstößen gegen die Masern-Impfpflicht.

Mit der Überschrift „25.000 Euro Strafe, wenn du einer verpflichtenden Impfung nicht nach gehst“ wird ein Video von Gesundheitsminister Jens Spahn auf Facebook verbreitet. Es wird suggeriert, er wolle einen generellen „Impfzwang“ einführen. Im Video ist der Auszug einer Antwort von Spahn bei einer Pressekonferenz zu hören. Sie wird mitten im Satz abgeschnitten. Der Beitrag wurde mehr als 3.600 Mal auf Facebook geteilt. 

Unsere Recherchen ergaben: Jens Spahn sprach bei der Pressekonferenz im August über Pflichttests für Reiserückkehrer aus Risikogebieten, denen Bußgelder drohten, wenn sie sich nicht auf SARS-CoV-2 testen lassen wollen. Darauf basierte die Frage einer Frau auf der Pressekonferenz über die Bemessung der möglichen Bußgelder. Spahn sagte daraufhin, Bußgelder seien eine Entscheidung der Behörden vor Ort, wie auch in anderen Bereichen des Infektionsschutzgesetzes. Als Beispiel dafür nannte er das Vorgehen bei der für manche Menschen in Deutschland verpflichtenden Masernschutzimpfung.

Video schneidet Aussage von Jens Spahn mitten im Satz ab

Wir haben uns zuerst das Video in dem Facebook-Beitrag angesehen. Die Frau fragt Jens Spahn nach zwei Dingen: einer Kostenübernahme für „Tests” und der Bemessung von Bußgeldern. Sie bezieht sich offenbar auf etwas, das Spahn zuvor sagte, es wird aber nicht deutlich, worüber gesprochen wurde. Die Frau sagt: „Herr Spahn, […] wenn Sie von der Verhältnismäßigkeit sprechen der Bußgelder, wer muss denn dann ein 25.000-Euro-Bußgeld zahlen und wer nur 1.150 Euro, woran bemisst sich denn das?“

Ein aus dem Zusammenhang gerissenes Video von Jens Spahn kursiert auf Facebook.
Ein aus dem Zusammenhang gerissenes Video von Jens Spahn kursiert auf Facebook. (Quelle: Facebook / Screenshot vom 23. November: CORRECTIV)

Spahn antwortet: „Das ist am Ende eine Entscheidung der Behörden vor Ort, wie hoch und welches Bußgeld das ist, das hängt von den konkreten Umständen daneben auch ab. Das gilt ja auch für andere Bereiche des Infektionsschutzgesetzes: Wenn sie zum Beispiel einer verpflichtenden Impfung das erste Mal nicht nachkommen, wird das Bußgeld ein anderes sein als wenn sie zum zwanzigsten Mal sich verweigern, und hier wird es zum Beispiel ähnliche Parameter daneben auch geben und sich mit Sicherheit entwickeln. Gleichwohl bleibe …“ An dieser Stelle bricht das Video ab.

Jens Spahn sprach über mögliche Bußgelder für Reiserückkehrer, die sich nicht auf das Coronavirus testen lassen wollen

Das Video stammt von einer Pressekonferenz mit Jens Spahn zur Corona-Lage am 6. August 2020, in der Jens Spahn eine Testpflicht für Reiserückkehrer aus Risikogebieten ankündigte. Die entsprechende Verordnung war am selben Tag erlassen worden.

Wer sich keinem Test unterziehen will, dem sollte ein Bußgeld für eine Ordnungswidrigkeit drohen. Spahn sagte, die Höhe des Bußgeldes sei eine Entscheidung der Behörden vor Ort, es könne bis zu 25.000 Euro betragen (ab Minute 47:19). Dass dies die Obergrenze für die Bußgelder ist, stand auch in einem Referentenentwurf der Testverordnung des Bundesgesundheitsministeriums. 

An keiner Stelle in der Pressekonferenz spricht Spahn von einer verpflichtenden Impfung gegen SARS-CoV-2.

Screenshot aus dem Original-Video von Jens Spahn bei der Pressekonferenz am 6. August.
Screenshot aus dem Original-Video von Jens Spahn bei der Pressekonferenz am 6. August. (Quelle: Youtube / Screenshot: CORRECTIV)

In der Pressekonferenz antwortet Spahn auf mehrere Fragen von Journalisten und Journalistinnen. Die Frage der Frau, die auch in dem Facebook-Video zu hören ist, beginnt ab Minute 52:53. Der Teil von Spahns Antwort, der am Ende weggeschnitten wurde, lautet: „Gleichwohl bleibe ich dabei, ich weiß, dass solche Fragen über Sanktionen und Bußgeld immer tatsächlich auch die sind, die in den Fokus kommen. Ich bin sehr sicher, dass dieser verpflichtenden Testung die weit größere Zahl der Rückkehrer aus Risikogebieten oder der Einreisenden aus Risikogebieten auch nachkommen werden. Am Ende dann tatsächlich, eben sich sozusagen freiwillig in die Pflicht fügen, weil sie eben tatsächlich für sich und andere auch den Mehrwert sehen.“

Es gibt in Deutschland keine generelle Impfpflicht, aber es gibt das Masernschutzgesetz

In Deutschland gibt es keine generelle Impfpflicht. Schutzimpfungen gegen verschiedene Krankheiten werden lediglich empfohlen. Es gibt bisher nur eine Ausnahme: Die Masernschutzimpfung ist seit dem 1. März 2020 für bestimmte Menschen, vor allem für Kinder für den Besuch eines Kindergartens oder der Grundschule, gesetzlich verpflichtend. 

Menschen, für die die Masern-Impfpflicht gilt und die ihr nicht nachkommen, müssen unter Umständen ein Bußgeld zahlen. Das Bundesgesundheitsministerium schreibt aber auch: „Eine Zwangsimpfung kommt in keinem Fall in Betracht.“

Die Höhe etwaiger Bußgelder ist nicht einheitlich definiert. Die Umsetzung des Masernschutzgesetzes liegt bei den Bundesländern; manche Länder verhängen bei mehrfachen Verstößen Bußgelder, wie CORRECTIV für einen anderen Faktencheck kürzlich recherchierte. Von 25.000 Euro ist jedoch nirgends die Rede. 

Spahn verglich also bei der Pressekonferenz das Vorgehen beim Masernschutzgesetz, das eine verpflichtende Impfung vorschreibt, mit dem Vorgehen bei der Festlegung von Bußgeldern für Reiserückkehrer, die sich nicht auf das Coronavirus testen lassen wollen.

Fragen und Antworten zum Masernschutzgesetz.
Fragen und Antworten zum Masernschutzgesetz. (Quelle: Bundesministerium für Gesundheit / Screenshot: CORRECTIV)

Spahn ist gegen eine Impfpflicht gegen das Coronavirus

In den vergangenen Monaten hat der Bundesgesundheitsminister mehrfach öffentlich betont (PDF, Seite 31), dass es keine Impfpflicht gegen das Coronavirus geben wird. Bereits am 5. Mai 2020 hat die Große Koalition laut Medienberichten Spekulationen über eine Impfpflicht gegen SARS-CoV-2 zurückgewiesen. 

Jens Spahn hatte am 18. November im Bundestag noch einmal versichert, dass eine Impfpflicht nicht zur Debatte stehe: „Ich gebe Ihnen mein Wort: Es wird in dieser Pandemie keine Impfpflicht geben. Hören Sie endlich auf, anderes zu behaupten“ (bei Minute 1:09:35). 

Fazit: Das Video der Pressekonferenz ist so geschnitten, dass Spahns Aussagen aus dem Kontext gerissen werden. Es ging um verpflichtende Corona-Tests für Reiserückkehrer aus Risikogebieten. Ihnen drohen Bußgelder, deren Höhe – wie beim Masernschutzgesetz – im Ermessen der Behörden vor Ort liegen. Von einem generellen „Impfzwang“ hat Spahn nicht gesprochen, besonders nicht in Bezug auf SARS-CoV-2. 

Redigatur: Alice Echtermann, Uschi Jonas

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Pressekonferenz von Jens Spahn (vom 6.8.2020): Link
  • Verkündung der Testpflicht für Reiserückkehrer aus Risikogebieten (veröffentlicht am 7.8.2020): Link
  • Referentenentwurf zur Verordnung der Testpflicht für Reiserückkehrer aus Risikogebieten (vom 7.8.2020): Link
  • Masern-Impfpflicht laut Masernschutzgesetz: Link