Faktencheck

„Ob es das Virus gibt oder nicht“ – Zitat von RKI-Chef Lothar Wieler aus dem Kontext gerissen

RKI-Chef Lothar Wieler habe die Existenz des Coronavirus infrage gestellt, wird in einem Facebook-Beitrag suggeriert. Das angeführte Zitat von Wieler ist jedoch aus dem Kontext gerissen und verfälscht seine eigentliche Aussage.

von Steffen Kutzner

Prof. Dr. Lothar H. Wieler, Präsident Robert-Koch-Institut
RKI-Chef Lothar Wieler am 14. Oktober bei der Bundespressekonferenz. (Quelle: Picture Alliance / SZ Photo / Metad)
Behauptung
Lothar Wieler stelle die Existenz des Coronavirus infrage.
Bewertung
Fehlender Kontext
Über diese Bewertung
Fehlender Kontext. RKI-Chef Lothar Wieler hat die Existenz des Virus nicht infrage gestellt, sondern bezog sich in seiner Aussage darauf, was man aus der Pandemie lernen könne.

Der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, habe gesagt: „Wir haben viel gelernt, unabhängig davon, ob es das Virus gibt oder nicht.“ Das wird mit einem auf Facebook verbreitetem Meme dargestellt. Wieler hat das zwar in einem Interview so gesagt – doch der Satz wird verkürzt und aus dem Kontext gerissen.

Einer der Facebook-Beiträge mit dem Bild von Lothar Wieler. (Quelle: Facebook / Screenshot vom 14. Dezember 2020 und Schwärzungen: CORRECTIV)

Auf dem verbreiteten Bild ist zu erkennen, dass es aus der Sendung Phoenix persönlich stammt. Wie wir von einer früheren Recherche wissen, war Lothar Wieler dort am 15. Oktober zu Gast. Das Interview wurde am selben Tag auf dem Youtube-Kanal von Phoenix hochgeladen.

Was genau hat Lothar Wieler gesagt?

Auf die Frage des Interviewers „Was heißt es, wenn Sie sagen: ‚Wir werden lernen müssen, mit diesem Virus zu leben?‘ Heißt das unter Umständen Corona-Beschränkungsmaßnahmen, Masken über Jahre?“ (ab Minute 27:41) antwortete Lothar Wieler mit folgender Aussage: 

„Ich denke, dass wir mit der Einführung von Impfstoffen ein entscheidendes Werkzeug bekommen, mit dem wir die Krankheit beherrschen und die Krankheitslast so reduzieren können, dass wir wieder zu einem Leben kommen, wie es vor Corona war. Ich hoffe allerdings auch, dass wir eine Reihe von Dingen gelernt haben, die vielleicht sowohl für die Umwelt als auch für andere ökologische Aspekte weiter so gehalten werden, unabhängig davon, ob es dieses Virus gibt oder nicht. Denn wir haben ja, glaube ich, auch viel gelernt, wie wir unsere Gesellschaft auch besser in die Zukunft führen können in der Zeit.“

Wieler bezieht sich also auf die Dinge, die unsere Gesellschaft während der Pandemie zum Beispiel über die Umwelt gelernt habe. Woran genau er dabei dachte, erwähnt Wieler nicht. 

Gesellschaftliche Lerneffekte sollten bestehen bleiben

Mit der umgangssprachlichen Formulierung „unabhängig davon, ob es dieses Virus gibt oder nicht“ bezieht sich Wieler auf diese vorteilhaften umweltbezogenen Lerneffekte, die sich aus der Bekämpfung des Virus ergeben hätten. Seine Hoffnung sei, dass diese bestehen bleiben, auch wenn das Virus nicht mehr als Bedrohung vorhanden ist. 

Das Interview wurde aufgezeichnet, bevor es einen Impfstoff gab. Wieler hat nicht die Existenz des Virus angezweifelt oder infrage gestellt, sondern von einem Zukunftsszenario gesprochen, in dem das Virus effektiv durch Impfstoffe bekämpft werden kann.

Auch eine Faktencheckerin von AFP hat die Behauptung bereits widerlegt.

Redigatur: Sarah Thust, Till Eckert

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck: 

  • Interview mit Lothar Wieler vom 15. Oktober 2020 auf Phoenix: Link
  • Artikel des Umweltbundesamtes zu ökologischen Auswirkungen des Lockdowns: Link