Nein, dieses Foto zeigt nicht, wie eine Windkraftanlage mit Chemikalien enteist wird
Auf Facebook kursiert ein Foto, das angeblich zeigen soll, wie ein Hubschrauber Chemikalien versprüht, um eine Windkraftanlage zu enteisen. Das ist falsch. Das Bild ist mehrere Jahre alt, stammt aus Schweden und der Hubschrauber versprüht heißes Wasser.
Ein Foto zeigt die vereisten Rotorblätter eines Windrads und einen Hubschrauber, der offenbar eine Flüssigkeit versprüht. Seit Anfang Februar kursiert dieses Foto auf Facebook (zum Beispiel hier, hier oder hier) und wurde bereits mehrere tausend Mal geteilt. In einem Beitrag heißt es zum Beispiel: „Ein Hubschrauber versenkt jede Menge Kerosin um giftiges Frostschutzmittel auf unsere Ökorettung zu sprühen“. In einem anderen Beitrag wird behauptet, es handle sich um eine Aufnahme aus Deutschland.
Unsere Recherchen zeigen: Das Foto stammt nicht aus Deutschland, sondern aus Schweden und ist mehrere Jahre alt. Zu sehen ist eine Enteisung mit heißem Wasser, und nicht mit Chemikalien. In Deutschland findet eine solche Art der Enteisung laut dem Bundesverband Windenergie nicht statt.
Das Foto zeigt die „äußerst unübliche Enteisung“ eines Windrades in Schweden
Auf unsere Anfrage erläutert der Geschäftsführer des Bundesverbands Windenergie e.V. (BWE), Wolfram Axthelm, in einer E-Mail: „Die Aufnahme zeigt die äußerst unübliche Enteisung eines Windrades im Jahr 2016 in Schweden. Dabei wurde heißes Wasser eingesetzt. Eine solche Enteisung wird in Deutschland grundsätzlich nicht durchgeführt.“ Dies teilt der Verband ebenfalls in einer Pressemitteilung mit.
Über eine Bilderrückwärtssuche bei Google für das Jahr 2016 in Zusammenhang mit dem Stichwort „Enteisung Windkraftanlage“ auf Schwedisch („Avisning av vindkraftverk“) stoßen wir auf zahlreiche Treffer für das verbreitete Foto.
Über eine Google-Suche nach Artikeln zu diesem Thema auf Schwedisch mit den Stichwörtern „Windkraft Enteisung mit heißem Wasser“ („vindkraft avisning med varmt vatten“) stoßen wir auf einen Artikel der Webseite NyTeknik, der exakt das auf Facebook verbreitete Foto zeigt. Der Artikel stammt vom 25. Januar 2015, in der Bildunterschrift steht: „Durch heißes Wasser schmilzt das Eis auf der Turbine. Das Bild wurde während eines Tests im Windpark Uljabuouda im letzten Winter aufgenommen.“
Mutmaßlich stammt das Foto folglich bereits aus 2014; das bestätigt auch eine weitere Bilderrückwärtssuche für den Zeitraum 2014 mit dem Stichwort „Schweden“. Unsere Recherche bestätigt, dass der genannte Windpark in Schweden existiert (Kartenansicht). Als Bild-Quelle wird in dem Artikel von NyTeknik „Alpine Helicopter“ angegeben. Eine Firma mit diesem Namen ist im Norden von Schweden zu finden.
Bundesverband Windenergie: Rotorblätter vereisen in Deutschland kaum
In Deutschland spielten vereiste Rotorblätter „eine untergeordnete Rolle“, sagt BWE-Geschäftsführer Axthelm: „Bei normalen Wetterlagen kommt es selbst im Winter kaum vor. Tritt doch Vereisung auf, werden die Anlagen automatisch abgeschaltet und erst wieder in Betrieb genommen, wenn der Eisansatz abgetaut ist.“
2021 sei es in der Mitte Deutschlands durch eine seit vielen Jahren „einmalige Wetterlage“ – mit Regen bei sehr niedrigen Temperaturen und anschließend anhaltenden Minusgraden – zu einer Besonderheit gekommen. „Deshalb standen vor allem in Hessen die Anlagen einige Tage still. Die so entstehenden Verluste sind zu vernachlässigen.“
Bundesverband Windenergie: Chemische Mittel werden zur Enteisung nicht eingesetzt
Eine größere Rolle als in Deutschland spiele die Eisbildung an Windenergieanlagen in der Schweiz, Österreich und Skandinavien. Axthelm erklärt: „Die Hersteller bieten dafür spezielle Cold-Climate-Anlagen an. Diese beinhalten unter anderem Blattheizungen, die den Eisansatz verhindern können. Außerdem gibt es Sensoren, die den Eisansatz erkennen und die Anlage frühzeitig abschalten. Solche Anlagen werden auch in eisansatzgefährdeten Gebieten in Deutschland gebaut. Chemische Mittel werden nicht eingesetzt.“
Auch die Faktenchecker von Mimikama und der AFP haben bereits Artikel zu diesem Thema veröffentlicht. Die AFP zitiert eine wissenschaftliche Mitarbeiterin des Umweltbundesamts, die sagt: „Wenn es einen solchen Einsatz von Hubschraubern und Chemikalien zur Enteisung von Windrädern überhaupt als Methode in Deutschland geben würde, müssten die Betreiber das bereits im Rahmen der Genehmigung beantragen.“ So sei das beispielsweise auch für den Einsatz für Löschmittel im Rahmen des Brandschutzes der Fall. Solche Anträge von Windkraftanlagen-Betreibern seien dem Umweltbundesamt jedoch „überhaupt nicht bekannt“.
Redigatur: Sarah Thust, Till Eckert
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck: