Faktencheck

Schwarze Fäden an Abstrichstäbchen für Corona-Tests sind Stofffasern – keine „Parasiten“

Es kursieren zahlreiche Videos in Sozialen Netzwerken, in denen schwarze Fäden auf Abstrichstäbchen von Corona-Tests gefunden werden und behauptet wird, es handele sich dabei um sogenannte „Morgellons“ oder Parasiten. CORRECTIV.Faktencheck hat selbst Teststäbchen untersuchen lassen. Das Experiment zeigt: Es sind Stofffasern.

von Sarah Thust , Uschi Jonas

Bei dem dunklen Faden, den wir auf einem Antigen-Schnelltest-Tupfer gefunden haben, handelt es sich um eine blaue Stofffaser, wie hier unter dem Mikroskop zu erkennen ist. (Foto-Credits: Mark Benecke / virusonline.de / Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Bei dem dunklen Faden, den wir auf einem Antigen-Schnelltest-Tupfer gefunden haben, handelt es sich um eine blaue Stofffaser, wie hier unter dem Mikroskop zu erkennen ist. (Foto-Credits: Mark Benecke / virusonline.de / Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Winzige schwarze Fäden auf Teststäbchen von Antigen- oder PCR-Tests seien „Morgellons“, Parasiten, Roboter oder Metallfäden.
Bewertung
Falsch. Es kann zwar sein, dass sich dunkle Fäden auf den Teststäbchen finden. Dabei handelt es sich jedoch um Stofffasern.

In Sozialen Netzwerken kursieren aktuell zahlreiche Videos, in denen Menschen Abstrichstäbchen von verschiedenen Corona-Antigen-Schnelltests und teilweise von PCR-Tests unter die Lupe halten und darauf dunkle Fäden entdecken, die sich angeblich von allein bewegen. Daraus entspinnen die Filmenden wilde Theorien, worum es sich handeln könnte: Die Rede ist vor allem von Parasiten, sogenannten Morgellons, Robotern oder „Metallfäden mit Widerhaken“. Bereits im Januar kursierten ähnliche Behauptungen in den USA, in Deutschland tauchten sie Ende März auf.

Wir haben mit Herstellern und Behörden gesprochen und zudem selbst zwei Tupfer für Corona-Schnelltests von einem Biologen im Labor untersuchen lassen. Unsere Recherchen zeigen: Es handelt sich nicht um Lebewesen, Roboter oder Metallfäden, sondern lediglich um Stofffasern, von denen keine nachweisliche Gesundheitsgefahr ausgeht. Sie bewegen sich nicht von selbst, sondern durch elektrostatische Aufladung oder den Luftzug.

Was genau wird in den Videos gemacht?

Sowohl bei PCR-Tests als auch bei Antigen-Schnelltests erfolgt die Probenentnahme laut Empfehlung des Robert-Koch-Instituts (RKI) aus den oberen Atemwegen über einen Nasen-Rachen-Abstrich mit einem Tupfer (ähnlich einem Wattestäbchen). Das RKI schreibt dazu: „Bei Abstrichen ist zu beachten, dass für den Virusnachweis geeignete Tupfer verwendet werden (‘Virustupfer’ mit entsprechendem Transport-Medium oder notfalls trockene Tupfer mit kleiner Menge NaCl-Lösung; keine Agar-Tupfer).“

In den Videos, die sich in Sozialen Netzwerken verbreiten, werden diese Teststäbchen unter Mikroskope gelegt. Zu sehen sind dann auf den weißen Tupfern dunkle Fäden, die sich teilweise zu bewegen scheinen. In manchen Videos pusten die Menschen dabei auf die Fäden oder halten eigenen Angaben zufolge eine „Wärmequelle“ daran.

In manchen Videos sind die Hersteller der verwendeten Antigen-Schnelltests erkennbar. Wir konnten zwei identifizieren:  Testsealabs (zum Beispiel hier) und Abbott (zum Beispiel hier).

Was sagen die Hersteller und Behörden?

Die Antigen-Schnelltests von Testsealabs sind in Deutschland über mehrere Vertriebshändler erhältlich (Test-ID: AT082/20). Wir haben einen der Vertriebshändler, die Brawa GmbH, kontaktiert und nachgefragt, woraus der Tupfer besteht. Ein Sprecher teilte uns am 26. März telefonisch mit, es handele sich um Nylon und das Produkt werde vor dem Verpacken durch Bestrahlung sterilisiert. „Das Produkt ist sicher und erfüllt die in Deutschland vorgeschriebene Standards.“ 

Auch die gezeigten Antigen-Schnelltests von Abbott sind in Deutschland verfügbar (Test-ID AT005/20). Eine Pressesprecherin von Abbott schrieb uns in einer E-Mail: „Die Tupfer werden gemäß der EU-Zulassung des Tests steril angeliefert. Abbott kann nicht überprüfen, was nach der Öffnung einer Packung mit dem Test bzw. Tupfer geschieht.“ Die Teststäbchen bestünden zudem aus Nylon.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), das eine Datenbank der Antigen-Schnelltests führt, teilte uns auf Anfrage mit: „Bei den Behauptungen über verunreinigte Teststäbchen, die derzeit vor allem in den Sozialen Medien kursieren, handelt es sich um Falschinformationen.“ 

Was sind die „schwarzen Fäden“ und warum bewegen sie sich? Ein Experiment 

Mark Benecke ist Sachverständiger für biologische Spuren, Forensiker und Kriminalbiologe. Gemeinsam mit ihm haben wir Teststäbchen von zwei Antigen-Schnelltests aus der Apotheke untersucht. Sie waren weder von Testsealabs noch von Abbott, enthielten aber ganz ähnliche Teststäbchen. In einem Videocall haben wir uns mit Benecke unterhalten, und er hat uns die Tupfer unter dem Mikroskop gezeigt. 

Bei einem der zwei Teststäbchen fiel Folgendes auf: Einzelne Fasern lösten sich von dem Tupfer, und unter dem Mikroskop waren auch dunkle Fasern sichtbar. Als Benecke das Teststäbchen unters Mikroskop legt, sagt er: „Sobald man es berührt, gehen Fasern ab.“ Als Laie könne man deshalb denken, der Tupfer falle auseinander oder löse sich teilweise auf. Das sei jedoch kein Problem. 

Das Teststäbchen des ersten von uns untersuchten Schnelltests unter dem Mikroskop. Einzelne Fasern lösen sich. (Foto-Credit: Mark Benecke/ virusonline.de)
Das Teststäbchen des ersten von uns untersuchten Schnelltests unter dem Mikroskop. Einzelne Fasern lösen sich. (Foto-Credit: Mark Benecke/ virusonline.de)

Faser bewegt sich durch Luftzug oder elektrostatische Ladung

„Da ist schon die erste dunkle Faser“, beschreibt Benecke das Experiment weiter. „Diese Faser ist zusammengedreht und sieht anders aus als die anderen. Die weißen Fasern sind alle gerade, die dunkle Faser bewegt sich.“ Dafür gibt es laut Benecke zwei Erklärungen: „Entweder, weil ich rede, sprich durch den Luftzug, oder weil elektrostatische Kräfte wirken.“ Zum besseren Verständnis vergleicht Benecke das Phänomen mit Haaren, die irgendwo scheinbar kleben bleiben, weil sie elektrostatisch geladen sind, oder Konfetti, das dadurch auf Luftballons hängen bleibt. 

Die dunkle Faser auf dem Teststäbchen des ersten von uns untersuchten Schnelltests (Foto-Credit: Mark Benecke/ virusonline.de)
Die dunkle Faser auf dem Teststäbchen des ersten von uns untersuchten Schnelltests (Foto-Credit: Mark Benecke/ virusonline.de)

Doch warum bewegt sich nur diese dunkle Faser und die weißen nicht? „Das liegt daran, weil die dunkle Faser nicht reingebaut ist. Gut erklären kann man das am Vergleich mit einer Klobürste, deren Borsten in die Bürste gesteckt werden, einige davon fallen raus. Aber die schwarze Faser ist nie da reingesteckt worden.“ 

Gesichert lässt sich nicht sagen, woher die dunkle Faser kommt, aber: „Es könnte zum Beispiel eine Faser sein, die in der Fabrik, in der die Tupfer produziert werden, herumfliegt und sich zum Beispiel von der Arbeitskleidung der Angestellten dort gelöst hat“, sagt Benecke. Die weißen Fasern würden sich nicht elektrostatisch aufladen, weil sie entweder noch fest in dem Tupfer stecken, oder, selbst wenn sie sich gelöst haben, daran kleben. 

Unter dem Mikroskop ist erkennbar: Die dunkle Faser ist kein Lebewesen

Der Biologe ist zudem sicher, dass es sich bei der gefundenen Stofffaser um keinen Wurm, Parasiten oder ein sonstiges Lebewesen handelt: „Jedes Lebewesen muss bestimmte Organe haben, zum Beispiel braucht jedes Leben eine Art Mund, Tiere brauchen Muskeln, um sich fortzubewegen, Pflanzen bestehen aus bestimmten faserigen Bestandteilen, viele Lebewesen haben kleine Haare oder Borsten und so weiter.“ All das konnte Benecke beim Mikroskopieren der dunklen Faser die sich unter starker Vergrößerung als blau herausstellte nicht finden.

Die dunkle Faser auf dem untersuchten Teststäbchen stark vergrößert unter dem Mikroskop (Foto-Credit: Mark Benecke / virusonline.de)
Die dunkle Faser auf dem untersuchten Teststäbchen stark vergrößert unter dem Mikroskop (Foto-Credit: Mark Benecke / virusonline.de)

Sind die Stofffasern gefährlich?

Solche Stofffasern aufzunehmen sei für den menschlichen Körper komplett ungefährlich, erklärt Benecke: „Wir atmen den ganzen Tag Fasern ein. Der Schleim unserer Schleimhäute und die Härchen in der Lunge transportieren diese wieder ab.“ Und er fügt hinzu: „Das einzige, was in einer staubfreien Umgebung hergestellt wird, sind Computerchips. Die Umgebung, in der die Stäbchen hergestellt werden, muss weder staubfrei, noch fusselfrei, noch steril sein. Das ist überhaupt nicht notwendig.“ 

Stattdessen würden Wattestäbchen und Tupfer nach der Herstellung erst sterilisiert. „Dafür wird zum Beispiel das Gas Ethylenoxid drübergeleitet, um alle Keime, Viren und Bakterien abzutöten.“ Gefährlich sei das nicht, denn zum einen sei das nur ein Gas, zum anderen sei die Menge an Etyhlenoxid sehr gering, wie Benecke auch ausführlich in einem Video auf Youtube erklärt. Benecke vergleicht die Gefahr mit dem Besuch einer Tankstelle: „Das, was man dort an giftigen Stoffen einatmet, ist das Vielfache davon.“ 

Es gibt aber auch noch andere Möglichkeiten. Testealabs gab uns gegenüber an, die Stäbchen mit Bestrahlung zu sterilisieren. 

Eine Pressesprecherin des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm) teilte uns mit, dass Antigen-Schnelltests nur dann als Medizinprodukt in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn Sie ein sogenanntes Konformitätsverfahren durchlaufen haben, an dessen Ende eine CE-Kennzeichnung steht. „In diesem, einer Zulassung gleichwertigen Verfahren, muss der Hersteller nachweisen, dass sein Produkt sicher ist und die technischen und medizinischen Leistungen auch so erfüllt, wie sie von ihm beschrieben werden.“ 

Dieser Prozess erfolgt nicht beim BfArM, sondern eigenständig durch die Hersteller, gegebenenfalls unter Einbezug einer sogenannten Benannten Stelle, wie beispielsweise Tüv oder Dekra.

Wir haben beim TÜV Rheinland nachgefragt, ob es sein dürfe, dass ein Fussel an den verpackten Teststäbchen hängt. „Nein, die Teststäbchen müssen steril verpackt sein“, schrieb uns Pressesprecher Ralf Diekmann am Montag in einer Whatsapp-Nachricht.

Was sind „Morgellons“?

In sehr vielen Videos ist die Rede von sogenannten „Morgellons“. Die existieren aber in der behaupteten Form nicht. Mutmaßlich verbirgt sich hinter der „Morgellons-Krankheit“ eine psychosomatische Erkrankung der Betroffenen, die im Zusammenhang mit einer Hauterkrankung (Dermatose) stehen kann. 

Bei anderen steckten eine Allergie oder auch beispielsweise Bakterien wie Borrelien dahinter, erläuterte uns Benecke. Erkrankte hätten das Gefühl, es würden sich Fasern unter oder an der Haut befinden, die Juckreiz auslösen oder ein krabbelndes oder beißendes Gefühl auf der Haut. Doch letztlich seien auch das nur Stofffasern, erklärt Benecke. Die Symptome gingen statt auf die Fusseln auf andere Erkrankungen zurück. 

Ob die „Morgellons-Krankheit“ ausschließlich psychische Ursachen hat oder doch durch äußere Bedingungen verursacht werden kann, ist nicht ganz klar, wie beispielsweise US-Wissenschaftler 2018 in einem Artikel schilderten. 

Redigatur: Alice Echtermann, Till Eckert