Faktencheck

Behauptung über angeblich nicht zugelassenen nachhaltigen Diesel von Bosch kursiert erneut im Netz

Das Bundesumweltministerium verweigere Bosch die „Zulassung“ für synthetischen Diesel, heißt es aktuell auf Facebook. Die Behauptung ist alt und größtenteils falsch. Bosch ist ein Autozulieferer, aber kein Kraftstoffhersteller. Zudem gibt es kein Zulassungsverfahren für Kraftstoffe.

von Sarah Thust

Tankstelle
Auf Facebook kursiert die Behauptung, Deutschland verweigere Bosch die Zulassung für synthetischen Diesel, weil man sich auf Elektromobilität festgelegt habe. Das stimmt so nicht. (Symbolbild: picture alliance / Hao Qunying / Costfoto)
Behauptung
Das Bundesministerium verweigere Bosch die Zulassung für synthetischen Diesel, weil sich Deutschland auf Elektromobilität festgelegt habe.
Bewertung
Größtenteils falsch
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Größtenteils falsch. Der Autozulieferer Bosch stellt keinen synthetischen Diesel her, und es gibt keine Zulassungsverfahren für Kraftstoffe.

Aktuell wird eine altbekannte Falschmeldung wieder auf Facebook verbreitet: Das „Bundesministerium“ verweigere Bosch die Zulassung für „100 Prozent synthetischen Diesel“, weil sich Deutschland auf Elektromobilität festgelegt habe. Der zehntausendfach geteilte Beitrag ist ursprünglich von November 2019, Kopien davon tauchten jedoch kürzlich wieder auf Facebook auf (hier oder hier).

Die Behauptung ist größtenteils falsch. In einer ähnlichen Form haben wir sie bereits 2019 überprüft. Sie bezog sich damals auf den Kraftstoff „Care-Diesel“, der angeblich von der Bundesregierung blockiert wurde. 

Bosch hat keine „Zulassung“ für einen „synthetischen Diesel“ beantragt 

Der Autozulieferer Bosch ist kein Kraftstoffhersteller und deshalb auch nicht für die Zulassung von Kraftstoffen zuständig, erklärte Bosch-Sprecher Joern Ebberg gegenüber CORRECTIV.Faktencheck telefonisch. Vereinzelt nutze Bosch den Biokraftstoff „Care“. Im Facebook-Beitrag sei vermutlich dieser Biokraftstoff gemeint, sagte Ebberg. 

In dem aktuell kursierenden Facebook-Beitrag wird behauptet, Bosch sei die Zulassung für synthetischen Diesel verweigert worden.
In dem aktuell kursierenden Facebook-Beitrag wird behauptet, Bosch sei die Zulassung für synthetischen Diesel verweigert worden. (Quelle: Facebook / Screenshot vom 7. April 2021 und Unkenntlichmachung: CORRECTIV.Faktencheck)

„Care“-Diesel ist ein synthetischer Kraftstoff aus Rest- und Abfallstoffen (wie altem Öl und Fettresten). Er wird von dem finnischen Unternehmen Neste hergestellt und in Deutschland vom Unternehmen Tool-Fuel vertrieben. Es handelt sich dabei um einen alternativen Diesel-Kraftstoff fürs Auto, der aus hydriertem Pflanzenöl besteht (HVO). „Als Rohstoff zur Produktion von HVO können unterschiedliche Pflanzenöle (Palmöl, Rapsöl etc.) oder Abfallfett der Lebensmittelindustrie, Fischerei und Schlachtereien dienen“, schrieb Frank Brühning, Pressesprecher des Verbandes für Biokraftstoffe CORRECTIV.Faktencheck im Jahr 2020. 

Es gibt keine Zulassungsverfahren für Kraftstoffe in Deutschland

In Deutschland gibt es kein staatliches Genehmigungsverfahren für Kraftstoffe, wie das Bundesumweltministerium auf seiner Webseite schreibt. Kraftstoffe, die in Deutschland an der Tankstelle verkauft werden, müssen aber dennoch bestimmte Normen erfüllen. Diese Normen werden in die Bundesimmissionsschutz-Verordnung aufgenommen. 

Antwort des Bundesumweltministeriums auf die Frage, ob es eine Zulassung für Kraftstoffe in Deutschland gibt
Antwort des Bundesumweltministeriums auf die Frage, ob es eine Zulassung für Kraftstoffe in Deutschland gibt (Quelle: Häufig gestellte Fragen zu alternativen Kraftstoffen, Bundesumweltministerium / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Die 10. Bundesimmissionsschutz-Verordnung stelle sicher, „dass nur Kraftstoffe verkauft werden dürfen, für die die Fahrzeughersteller einen einwandfreien Betrieb garantieren. Für Kraftstoffe, die vollständig aus Altspeiseöl bestehen, geben die Fahrzeughersteller derzeit keine Freigabe für PKW-Motoren. Wer Kraftstoffe ohne Herstellerfreigabe verwendet, kann sich bei Fahrzeugschäden daher nicht auf die Garantie berufen.“

Die gesetzlichen Regelungen erlauben eine Beimischung hydrierter Pflanzenöle von bis zu 26 Prozent

Die Qualitätsanforderungen sind in Deutschland per DIN-Norm geregelt. Für normale Dieselkraftstoffe gelten die Anforderungen der Norm DIN EN 590

Die „Paraffinischen Dieselkraftstoffe aus Synthese oder Hydrierungsverfahren“, zu denen auch „Care-Diesel“ gehört, seien ebenfalls normiert, allerdings in der DIN EN 15940, erklärte uns Christopher Stolzenberg vom Bundesumweltministerium im Januar 2020. Sie habe keinen Einzug in das Bundes-Immissionsschutzgesetz gefunden. Die Bundesregierung habe sich aufgrund fehlender Freigaben der Autohersteller dagegen entschieden. 

In Reinform wird „Care-Diesel“ für Autos in Deutschland also nicht verkauft. Das Unternehmen Tool-Fuel bestätigte uns Anfang 2020, es gebe in Deutschland bisher keine PKW, die eine Herstellerfreigabe für den alternativen Diesel haben. 

Die gesetzlichen Regelungen jedoch erlauben eine Beimischung von hydrierten Pflanzenölen zu normalem Diesel für Autos von bis zu 26 Prozent, erklärte Stolzenberg weiter. Zudem darf bis zu sieben Prozent Biodiesel aus Altspeiseölen hinzugefügt werden. Insgesamt also bis zu 33 Prozent. Das ist auch immer noch aktuell (hier und hier).

Ein solcher gemischter Kraftstoff ist zum Beispiel R33 Blue von Shell – er besteht zu 33 Prozent aus Biokomponenten, ist laut Shell für alle Dieselfahrzeuge zugelassen und in Deutschland seit 2019 im Einsatz

Müssen Biokraftstoffe zugunsten von Elektromobilität zurückstecken?

Für die Behauptung des Facebook-Beitrags, alternative Kraftstoffe würden in Deutschland blockiert, um die Elektromobilität zu bevorzugen, gibt es keine Belege. Alternative Kraftstoffe wie Biokraftstoffe, synthetische oder strombasierte Kraftstoffe werden aktuell durch die Treibhausgas-Minderungsquote (THG-Quote) des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gefördert. 

Um die Treibhausgas-Bilanz ihrer Kraftstoffe zu verbessern, mischen die Hersteller ihnen alternative Kraftstoffe bei, erklärt Christopher Stolzenberg vom Umweltministerium uns Ende März per E-Mail: „Als Erfüllungsoptionen können die verpflichteten Unternehmen Biokraftstoffe, synthetische oder strombasierte Kraftstoffe einsetzen. Elektrischer Strom, der in Straßenfahrzeugen eingesetzt wird, ist ebenfalls als Erfüllungsoption zugelassen.“

Sollte sich die Elektromobilität „dynamischer“ entwickeln als erwartet, stellt laut Stolzenberg ein Mechanismus im Gesetz sicher, dass die Quote angehoben wird und „auch weiterhin eine große Menge an alternativen Kraftstoffen gefördert bzw. eingesetzt werden, da alternative Kraftstoffe auch in Zukunft notwendig sein werden, um notwendige THG-Minderungen im Fahrzeugbestand zu erreichen“.

Auszug aus der E-Mail von Christopher Stolzenberg vom Umweltministerium
Auszug aus der E-Mail von Christopher Stolzenberg vom Umweltministerium (Screenshot vom 8. April 2021: CORRECTIV.Faktencheck)

Stößt „Care“-Diesel wirklich nur ein Drittel der Schadstoffe von normalem Diesel aus?

„Care“-Diesel ist nach Herstellerangaben zu 100 Prozent regenerativ, da er aus Abfällen erstellt werde. Allerdings fielen für die Herstellung des Kraftstoffes Strom, Gas und Transportkosten an. So kommen CO2-Einsparungen zwischen 50 und 90 Prozent (je nach verwendetem Rohstoff) im Vergleich zu normalem Diesel zustande, wie der Hersteller des Treibstoffs Neste auf seiner Homepage schreibt

Frank Brühning, Pressesprecher des Verbands der Deutschen Biokraftstoffindustrie, schreibt, die Aussage, der Kraftstoff verursache nur ein Drittel der Schadstoffe, die ein Diesel ausstößt, sei so pauschal falsch. „Mit Palmöl als Rohstoff erreicht HVO [hydriertes Pflanzenöl wie bei „Care-Diesel“, Anm. d. Red.] eine Einsparung des CO2-Ausstoßes von ca. 70 Prozent. Wird Abfallöl, also beispielsweise Frittieröl genutzt, kommt man auf etwa 90 Prozent.“ Allerdings könne mit der Minderung des Schadstoffausstoßes auch gemeint sein, dass weniger Ruß und NOx (Stickstoffoxide) ausgestoßen werden. „HVO kann auch die Ruß- und NOx-Emissionen deutlich reduzieren.“

Fazit

Der Facebook-Beitrag bringt einige Fakten durcheinander. Bosch stellt keinen synthetischen Diesel-Kraftstoff her, das Unternehmen nutzt laut eigenen Angaben lediglich „Care“-Diesel (aus Öl- und Fettresten) in einigen Fahrzeugen. 

Es stimmt, dass „Care“-Diesel bisher in Deutschland nicht an der Tankstelle erhältlich ist, der Grund ist jedoch nicht, dass eine Zulassung verweigert wird. Ein Zulassungsverfahren für Kraftstoffe gibt es in Deutschland nicht. Hydrierte Pflanzenöle werden zudem bereits normalen Kraftstoffen beigemischt. 

Redigatur: Matthias Bau, Alice Echtermann

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck: 

  • Zehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes: Link
  • Normen DIN EN 590 (Link) und DIN EN 15940 (Link)
  • Häufig gestellte Fragen zu alternativen Kraftstoffen, Bundesumweltministerium: Link
  • Bundesforschungsministerium zu synthetischen Kraftstoffen: Link
  • Pressemitteilung von Bosch, dass Geschäftsführer mit regenerativem Diesel fahren (10. Dezember 2018): Link
  • Informationen über „Care“-Diesel (Januar 2019): Link