Behauptungen über „Brustkrebs-Symptome“ bei Frauen nach Corona-Impfung führen in die Irre
Einige Expertinnen und Experten raten von einer Brustkrebs-Untersuchung kurz nach einer Corona-Impfung ab. Der Grund ist harmlos: Nach einer Corona-Impfung – wie auch bei anderen Impfungen – können Lymphknoten im Achselbereich vorübergehend anschwellen und bei der Untersuchung auffallen. Ein Beweis für eine gesundheitliche Gefahr durch die Impfung ist das nicht.
Seit einigen Monaten kursieren in Sozialen Netzwerken Beiträge, in denen suggeriert wird, durch eine Corona-Impfung könne man Brustkrebs oder dieselben Symptome wie bei Brustkrebs bekommen.
Am 25. Mai berichtete auch die österreichische Internetseite Wochenblick: „Schock nach Covid-Impfung: Vorsorge-Röntgen zeigt bei geimpften Frauen Brustkrebs-Symptome“. Im US-Bundesstaat Utah habe eine Gruppe von Ärzten die „beunruhigende Entdeckung“ gemacht, dass nach einer Corona-Impfung die Lymphknoten in den Brüsten „entzündliche Veränderungen“ aufweisen würden, die ein „Anzeichen für Krebs“ seien. Der Artikel suggeriert, die geschwollenen Lymphknoten seien ein Hinweis auf eine Gesundheitsgefahr durch den Covid-19-Impfstoff.
Damit wird ein falscher Eindruck erzeugt. Geschwollene Lymphknoten sind eine gewöhnliche Reaktion des Immunsystems auf verschiedene Krankheiten oder auch Impfungen und treten gelegentlich als Nebenwirkung der Covid-19-Impfung auf. Sie können laut Ärztinnen und Ärzten allerdings zu einem falschen Brustkrebs-Verdacht führen, da bei Brustkrebs ebenfalls die Lymphknoten in den Achseln anschwellen. Darum sollte der Zeitpunkt der letzten Impfung bei solchen Untersuchungen berücksichtigt werden.
Schon im Februar kursierten Beiträge auf Facebook und Telegram, in denen suggeriert wurde, Brustkrebs sei eine „Nebenwirkung“ von Corona-Impfstoffen (hier, hier oder hier). Teilweise wurden dazu Röntgenbilder verbreitet, wie die AFP berichtete.
Über eine Rückwärtssuche nach dem Röntgenbild bei Google fanden wir es in einem Artikel eines Gesundheitsmagazins aus den USA von 2016. Demzufolge zeigt das Bild ein Mammogramm der Brust einer Frau – eine verdächtige Region wurde markiert, es handelte sich aber nicht um Brustkrebs. Das Foto hat also keinen Bezug zu Covid-19-Impfungen.
Aktuell verbreiten Facebook-Nutzer außerdem einen Auszug aus einem anderen Blog-Beitrag, in dem von angeblichen Brustkrebs-Symptomen die Rede ist und Stimmung gegen Impfungen gemacht wird. Der Bericht von Wochenblick wurde unter anderem von dem österreichischen FPÖ-Politiker Peter Wurm auf Facebook geteilt.
Beiträge verweisen auf ein Brustkrebszentrum in den USA – aber reißen Aussagen aus dem Kontext
In dem Text von Wochenblick – und noch deutlicher in Sozialen Netzwerken – wird suggeriert, diese Art der Lymphknoten-Schwellung sei ungewöhnlich und gefährlich. Das sei sie nicht, sagt Brett Parkinson. Parkinson ist medizinischer Leiter des „Intermountain Healthcare’s Breast Care Center“, einem Brustkrebszentrum in Salt Lake City, Utah. Er und das Zentrum werden in den Beiträgen als Quelle für die Behauptungen genannt.
Als Beleg dienten offenbar eine Pressemitteilung und ein Video vom 9. Februar 2021. Darin geht es um neue Mammografie-Richtlinien bei „Intermountain Healthcare“. Eine Mammografie ist eine Röntgenuntersuchung der Brust, mit der Brustkrebs entdeckt werden kann. Laut „Intermountain Healthcare“ sollen Frauen mit der Mammografie bis vier Wochen nach der letzten Covid-19-Impfdosis warten.
Geschwollene Lymphknoten sind keine exklusiven „Brustkrebs-Symptome“. Brett Parkinson erklärt laut der Pressemitteilung: „Diese Art von Schwellung (…) kann auch durch andere Impfungen oder Krankheiten auftreten, da Lymphknoten als Teil der Immunreaktion des Körpers anschwellen können.“ Das wird auch im Text von Wochenblick erwähnt, die Beiträge auf Telegram und Facebook lassen diesen Kontext jedoch weg.
Radiologin: Es gibt keine Brustkrebsgefahr im Zusammenhang mit den Covid-19-Impfstoffen
Mit der Empfehlung, nach der letzten Impfdosis vier Wochen zu warten, passte das Brustkrebszentrum seine Richtlinien an die der US-amerikanischen Gesellschaft für Mammografie (SBI) an. Diese waren aufgestellt worden, weil geschwollene Lymphknoten bei Frauen beobachtet wurden, die kurz zuvor gegen Covid-19 geimpft wurden. Diese Nebenwirkung trat offenbar etwas häufiger auf als bei anderen Impfungen, beispielsweise gegen Influenza. Von einer Gesundheitsgefahr ist aber nicht die Rede.
In der Pressemitteilung von „Intermountain Healthcare“ heißt es: „Wir haben Verfahren, um zu bestätigen, wenn geschwollene Lymphknoten tatsächlich Krebs sind, aber wir wollen nicht, dass ein Patient den unangemessenen Stress und die Angst der Folge-Untersuchungen aushalten muss, wenn das nicht nötig ist.“
Die Radiologin Lisa Ann Mullen, die laut eigener Angabe auf Mammografie spezialisiert ist, schreibt auf der Internetseite Hopkins Medicine: „Das Wichtigste, was Patienten wissen sollten, ist, dass es keine Gefahr von Brustkrebs im Zusammenhang mit dem Covid-19-Impfstoff gibt.“
In Deutschland finden Mammografien auch ohne zeitlichen Abstand statt
Wir haben uns die Lage in Deutschland angesehen: Auch hier weisen mehrere Institutionen darauf hin, dass Corona-Impfungen Brustkrebs-Untersuchungen beeinflussen könnten. Der Krebsinformationsdienst in Deutschland informierte darüber am 15. April.
Aktuell weist beispielsweise die Krankenkasse AOK auf ihrer Internetseite darauf hin, dass Frauen ihren Arzt oder ihre Ärztin darüber informieren sollten, wenn sie vor kurzem eine Corona-Schutzimpfung erhalten haben. Im Referenzzentrum Mammografie Münster werden Mammografie-Untersuchungen auch weiterhin direkt nach Corona-Impfungen durchgeführt.
Fazit: Hinweise zu Mammografien belegen keinen Zusammenhang zwischen Corona-Impfung und Brustkrebs
Die Zitate aus den Beiträgen stammen zwar aus offiziellen Statements, sie wurden jedoch aus dem Zusammenhang gerissen. Es wird suggeriert, durch die Covid-19-Impfung könne man Brustkrebs bekommen, oder die gleichen Symptome wie bei Brustkrebs. Tatsächlich geht es aber nur um geschwollene Lymphknoten, die bei vielen Krankheiten und Impfungen auftreten können.
Es gibt keinerlei Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Corona-Impfungen und Brustkrebs. In den Sicherheitsberichten des Paul-Ehrlich-Instituts, in denen unerwünschte Ereignisse nach Covid-19-Impfungen in Deutschland dokumentiert werden, werden Brustkrebs oder Krebs allgemein nicht erwähnt.
„Intermountain Healthcare“ in den USA wollte mit den neuen Richtlinien zu Mammografien bei geimpften Frauen lediglich falsche Verdachtsmomente vermeiden. Deshalb sollten Frauen dort nach einer Impfung vier Wochen warten, bis die Brustkrebs-Untersuchung durchgeführt wird. In Deutschland wird das teilweise anders gehandhabt. Mammografien werden auch direkt nach Impfungen durchgeführt und Patientinnen werden lediglich gebeten, auf den Impftermin hinzuweisen, damit die Untersuchungsergebnisse besser eingeordnet werden können.
Redigatur: Steffen Kutzner, Alice Echtermann
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- Pressemitteilung von „Intermountain Healthcare“ zu den neuen Mammografie-Richtlinien: Link (Englisch)
- Was ist eine Mammografie? Link
- Mitteilung des Krebsinformationsdienstes zum Thema „Corona-Impfung kann Brustkrebs-Untersuchungen beeinflussen“ (15. April 2021): Link
- Beitrag der Radiologin Lisa Ann Mullen bei Hopkins Medicine (29. März 2021): Link (Englisch)
- Stellungnahme der Gesellschaft für Mammografie, SBI in den USA (9. März 2021): Link (Englisch)
- Sicherheitsberichte des Paul-Ehrlich-Instituts: Link