Nein, 1957 wurde in Deutschland keine Lufttemperatur von 56 Grad gemessen
Auf Facebook wird ein Foto einer Schlagzeile der „Bild“-Zeitung von 1957 verbreitet: Damals sei es in Deutschland angeblich 56 Grad heiß gewesen. Daraus leiten einige Nutzer ab, dass aktuelle Warnungen vor dem Klimawandel übertrieben seien. Was fehlt, ist jedoch der relevante Kontext: Diese Temperatur wurde im Inneren einer Bahnhofsuhr gemessen und nicht an der Luft.
„Wir haben diese Hitzetemperaturen schon seit ewigen Jahrzehnten. Damals noch über 50 Grad. Auf einmal heute beginnen sie mit ihrer Klimahysterie […]“, schreibt eine Nutzerin auf Facebook. Dazu teilt sie ein Foto einer Titelseite der Bild von Anfang Juli 1957. Es wird aktuell vielfach verbreitet. Dort heißt es, rot unterstrichen: „56 Grad! Ganz Deutschland ein Brutofen!“
In den Facebook-Beiträgen wird jedoch ein wichtiges Detail unterschlagen: Die 56 Grad Celsius wurden nur im Inneren einer Bahnhofsuhr gemessen.
Liest man den Artikel zu der reißerischen Überschrift, wird klar, dass es sich dabei nicht etwa um die gemessene Lufttemperatur handelte: „Bei 56 Grad im Gehäuse versagte die Bahnhofsuhr von Wanne-Eickel den Dienst“, ist im Text zu lesen.
Der bisherige Temperaturrekord in Deutschland liegt bei 41,2 Grad im Jahr 2019
Wanne-Eickel liegt in Nordrhein-Westfalen. Dort wurden im Juli 1957 nicht 56 Grad gemessen – und auch sonst nirgends in Deutschland. Die höchste jemals gemessene Temperatur in Deutschland liegt momentan (Stand: 28. Juni 2021) bei 41,2 Grad im Sommer 2019.
Am 6. Juli 1957 wurden zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen laut der Webseite „Kachelmannwetter“ eine Tageshöchsttemperatur zwischen 32 und 39 Grad gemessen.
Auch wenn einige der Facebook-Beiträge es suggerieren: Der Klimawandel wird nicht durch eine 65 Jahre alte Temperaturmessung im Inneren einer Bahnhofsuhr infrage gestellt. Einzelne sehr heiße oder kalte Tage sind keine Grundlage, um eine Temperaturentwicklung festzustellen, von Wetter an einzelnen Tagen kann nicht auf das Klima geschlossen werden. Dafür betrachten Forschende unter anderem den langfristigen Anstieg der durchschnittlichen Temperatur.
Dass die Temperatur-Mittelwerte in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen sind, belegt etwa die Statistik zur Temperaturentwicklung in Deutschland.
Der Klimawandel betrifft zudem nicht nur ein Land, sondern die ganze Erde – und auch weltweit ist die Durchschnittstemperatur seit den 1950er-Jahren gestiegen, wie sich etwa einer Statistik des Umweltbundesamtes entnehmen lässt.
Redigatur: Alice Echtermann, Uschi Jonas