Infektionsschutzgesetz: Änderung bezieht sich nur auf Einreisende
Eine Webseite behauptet, eine Änderung eines Paragrafen des Infektionsschutzgesetzes habe „unabsehbare Folgen für die Bevölkerung“. Das stimmt nicht. Es geht um eine ganz spezifische Gruppe von Menschen und die Änderung ist auch nicht „weitreichend“.
„Grundrechte in Nacht-und-Nebel-Aktion weiter eingeschränkt“, titelte die Webseite Report24 am 25. Juni über einem Artikel. Es seien „erneut weitreichende Änderungen am umstrittenen Infektionsschutzgesetz beschlossen“ worden, „mit unabsehbaren Folgen für die Bevölkerung“. Laut dem Analysetool Crowdtangle wurde der Text 4.200 Mal auf Facebook geteilt.
Es fehlt jedoch relevanter Kontext: Es geht nicht um eine neue Einschränkung, sondern um eine Verlängerung von Befugnissen für die Bundesregierung, Regeln für Einreisende aus Risikogebieten zu beschließen. Diese Information fehlt im Artikel von Report24, die Worte „Einreise“ und „Risikogebiet“ kommen nicht vor.
Was hat der Bundestag am Infektionsschutzgesetz geändert?
Was stimmt: Der Bundestag hat am 24. Juni eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes beschlossen. Darüber hatten wir am 25. Juni berichtet. Die Änderung war, dass die Bundesregierung auch noch bis zu einem Jahr nach dem Ende der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ Einreiseregeln festlegen kann. Zum Beispiel, dass Einreisende einen negativen Corona-Test oder eine Impfung nachweisen müssen, solange sie aus einem Risikogebiet kommen.
Bisher endete diese Befugnis der Bundesregierung laut §36 Absatz 12 des Infektionsschutzgesetzes unmittelbar mit dem Ende der epidemischen Lage – und nicht erst ein Jahr später.
Einreisende könnten neue Virusvarianten einschleppen
Der Artikel von Report24 stützt sich auf die Beschlussempfehlung für den Bundestag, in der die Worte „Einschränkung der Grundrechte“ enthalten sind. Dass dort noch einmal auf die Einschränkung der Grundrechte hingewiesen wird, liegt am sogenannten Zitiergebot. Demnach muss Gesetzen oder Gesetzesänderungen, die die Grundrechte einschränken können, ein expliziter Hinweis beigefügt werden – auch wenn es sich nur um kleine Ergänzungen zu bereits bestehenden Gesetzen handelt.
Wie uns ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums per E-Mail schrieb, ist der Sinn der Gesetzesänderung, zu verhindern, dass Einreisende aus Risikogebieten neue Varianten des Coronavirus nach Deutschland einschleppen. Auch dann, wenn die epidemische Lage in Deutschland beendet sei, sei die Gefahr durch neue Varianten nicht gebannt. Mit der Gesetzesänderung solle vermieden werden, dass Einreisende neue oder bereits bestehende Virusvarianten „wieder nach Deutschland eintragen“. Auch der Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler, Mitglied des Ausschusses Gefahrenabwehrrecht des Deutschen Anwaltvereins, interpretiert den Hintergrund der Änderung so.
Weder „weitreichende Änderung“ noch „unabsehbare Folgen für die Bevölkerung“
Wir haben ihn zudem gefragt, ob die Änderung noch andere Absätze des Infektionsschutzgesetz betrifft. Er schrieb per E-Mail, es seien nur die Absätze des Paragrafen geändert worden, in denen es um Einreisebestimmungen geht. Die Änderung schränkt also keine Grundrechte neu ein, sondern verlängert lediglich bereits bestehende Befugnisse der Regierung. Achelpöhler schreibt: „Eine neue Gewichtung von Belangen des Infektionsschutzes in Bezug auf Grundrechte lässt sich der Vorschrift nicht entnehmen.“
Von „weitreichenden Änderungen“ mit „unabsehbaren Folgen für die Bevölkerung“ kann also keine Rede sein: Die Bevölkerung insgesamt ist von der Änderung gar nicht betroffen, sondern nur Einreisende aus Risikogebieten – für maximal ein Jahr nach Ende der epidemischen Lage. Mit der Änderung wurden keine neuen Grundrechtsbeschränkungen eingeführt.