Nein, die Bundesregierung gibt nicht pro Jahr 23 Milliarden Euro für Geflüchtete aus
Der rechte Blogger Neverforgetniki behauptet: Deutschland gebe jedes Jahr 23 Milliarden Euro für Geflüchtete aus. Das ist falsch. Der Bund gab lediglich in den Jahren 2018 und 2019 je 23 Milliarden für die Bereiche Flucht und Integration aus. Ein großer Teil des Geldes wurde für die Bekämpfung von Fluchtursachen, also nicht in Deutschland, eingesetzt.
Der rechte Blogger „Neverforgetniki“ behauptet auf Twitter, Deutschland gebe „23 Milliarden pro Jahr (!) für Flüchtlinge“ aus. Seinen Tweet teilte er ebenfalls als Bild bei Facebook, wo es mehr als 2.600 Mal geteilt wurde. Auf welche Jahre er sich mit seiner Aussage bezieht, sagt er nicht.
Die Behauptung stimmt so nicht. Seit 2016 berichtet die Bundesregierung über Ausgaben für Flucht und Integration. Seitdem hat sie lediglich 2018 und 2019 je 23 Milliarden Euro für diese Bereiche ausgegeben. Ein großer Teil dieses Geldes floss zudem in die „Bekämpfung von Fluchtursachen“; 2018 waren das 7,9 Milliarden Euro und 2019 8,4 Milliarden Euro. Es wurde also für Maßnahmen verwendet, die dazu führen sollen, dass Menschen gar nicht erst zu einer Flucht gezwungen und somit zu Geflüchteten werden.
Bundesregierung berichtet seit 2016 über Ausgaben für Flucht und Integration
Die Versorgung von Geflüchteten und Asylbewerberinnen teilen sich Bund und Länder in bestimmten Bereichen. Eindeutig beziffern lassen sich nur die Ausgaben des Bundes.
Beginnend mit dem Jahr 2016 berichtet die Bundesregierung einmal jährlich dem Bundestag, wie viel Geld für „Flüchtlings- und Integrationskosten“ ausgeben wurde. Dabei unterteilen sich die Ausgaben in Unterstützungen für die Bundesländer und weitere Ausgaben des Bundes. Dazu zählen zum Beispiel Ausgaben für die Bekämpfung von Fluchtursachen.
Der Beitrag des Bloggers ist vom 1. Juli 2021. Zu diesem Zeitpunkt lagen fünf Berichte vor. In den Jahren 2016 bis 2020 lagen die Ausgaben des Bundes für die betreffenden Bereiche bei:
- 2016: 20,3 bis 21,2 Milliarden Euro
- 2017: 20,8 Milliarden Euro
- 2018: 23 Milliarden Euro
- 2019: 23,1 Milliarden Euro
- 2020: 22,5 Milliarden Euro
Die Gesamtausgaben für die Bereiche Flucht und Integration lagen also, anders als von dem Blogger behauptet, nur in zwei von fünf Berichtsjahren bei 23 Milliarden Euro. Darüber, dass die Ausgaben in diesen Jahren ein Rekordhoch erreichten, gibt es verschiedene Medienberichte. Darin wird jedoch stets erwähnt, dass ein großer Teil in die Bekämpfung von Fluchtursachen fließt.
Kosten für die Bekämpfung von Fluchtursachen steigen stetig
Weiter zeigen die Berichte der Bundesregierung, dass der Anteil der Kosten für die Bekämpfung von Fluchtursachen an den Gesamtausgaben stetig gestiegen ist. Wie hoch die Ausgaben der Bundesregierung hierfür konkret sind, geht erst ab dem Jahr 2017 aus den Berichten hervor.
Für das Jahr 2017 werden 6,8 Milliarden Euro berichtet. 2020 stiegen diese Ausgaben auf den bisher höchsten Wert von 9,9 Milliarden an. Sie lagen damit bei 44 Prozent der Gesamtausgaben (22,5 Milliarden) des vergangenen Jahres. Das ist der höchste Wert aller Berichtsjahre.
Unter dem Begriff Fluchtursachen werden die Gründe dafür zusammengefasst, die Menschen dazu zwingen, ihren Wohnort zu verlassen. Das kann bedeuten, dass sie ihr Land verlassen oder sich innerhalb ihres Landes als „Binnenvertriebene“ aufhalten.
Grund für eine Flucht können militärische Konflikte, Naturkatastrophen, aber auch Folgen des Klimawandels sein, wie die Fachkommission Fluchtursachen der Bundesregierung in ihrem Abschlussbericht vom 18. Mai 2021 darlegt (PDF zum Download, Seite 8).
Die Fachkommission Fluchtursachen empfiehlt der Bundesregierung in ihrem aktuellen Bericht unter anderem, sich bei der Entwicklungszusammenarbeit für den Aufbau von Bildungsangeboten und sozialen Sicherungssystemen zu engagieren, aber auch Anpassungen an den Klimawandel zu fördern.
Ausgaben in Deutschland kommen nicht nur Geflüchteten zugute
Weitere Posten bei den Ausgaben des Bundes, die im Finanzplan unter „Asylbedingte Belastungen des Bundeshaushalts“ genannt werden, sind zum Beispiel „Aufnahme, Registrierung und Unterbringung im Asylverfahren“, „Integrationsleistungen“ oder „Entlastungen der Länder und Kommunen“. Die tatsächlichen Zahlungen zur Entlastung der Bundesländer betrugen im Jahr 2020 rund 3,7 Milliarden Euro.
Diese Entlastungen beinhalten unter anderem finanzielle Unterstützungen für die Unterbringung von Geflüchteten in den Bundesländern (Unterkunft und Heizung), aber auch die Einrichtung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten.
Wie es in dem Bericht der Bundesregierung für das Jahr 2020 heißt, beschränken sich die Ausgaben für Betreuungsmöglichkeiten nicht auf Kinder von Geflüchteten. Die zusätzlich geschaffenen Plätze kommen allen zugute, die ihre Kinder in eine Kita schicken. Darüber berichtete auch das ZDF 2019, und wir haben dies ebenfalls in einem Faktencheck thematisiert.
Redigatur: Alice Echtermann, Steffen Kutzner
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- Bericht der „Fachkommission Fluchtursachen“ von Mai 2021: Link (PDF)
- Bericht der Bundesregierung über die Ausgaben für Flucht und Migration im Jahr 2016: Link
- Bericht der Bundesregierung über die Ausgaben für Flucht und Migration im Jahr 2017: Link
- Bericht der Bundesregierung über die Ausgaben für Flucht und Migration im Jahr 2018: Link
- Bericht der Bundesregierung über die Ausgaben für Flucht und Migration im Jahr 2019: Link
- Bericht der Bundesregierung über die Ausgaben für Flucht und Migration im Jahr 2020: Link