Faktencheck

Nein, von den Grünen vorgeschlagenes Klimaministerium würde nicht gegen die Verfassung verstoßen

Auf Facebook verbreitet sich die Behauptung, ein von den Grünen vorgeschlagenes Klimaministerium mit Vetorecht gegen bestimmte Gesetze wäre verfassungswidrig. Das stimmt nicht.

von Matthias Bau

Titelbild_Baerbock
Annalena Baerbock bei der Vorstellung des Klimaschutz-Sofortprogramms der Grünen am 3. August. Im Hintergrund: Robert Habeck (Quelle: Picture Alliance / DPA / Kay Nietfeld)
Behauptung
Die Grünen planten ein Klimaschutzministerium mit Vetorecht gegen Gesetze. Die Exekutive erhalte so Macht über die Legislative. Das verstoße gegen die Gewaltenteilung und sei verfassungswidrig.
Bewertung
Größtenteils falsch
Über diese Bewertung
Größtenteils falsch. Die Grünen haben zwar ein Klimaschutzministerium mit Vetorecht vorgeschlagen, allerdings geht es dabei um die Erarbeitung von Gesetzen durch die Bundesregierung, als die Exekutive. Die Kompetenzen der Legislative sind von dem Vorschlag nicht berührt und die Gewaltenteilung nicht gefährdet. Die Tätigkeiten des Ministeriums wären somit nicht verfassungswidrig.

Auf Facebook verbreitet der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, die Behauptung, die Grünen planten ein Klimaschutzministerium, das Gesetze verhindern könne. „Die Exekutive mit Vetorecht gegen die Legislative. Die Staatsgewalt geht dann nicht mehr vom Volk aus. Das ist verfassungswidrig“, heißt es auf dem Bild mit Text. Wie die DPA berichtet, teilten auch Friedrich Merz (CDU) und Karsten Hilse (AfD) ähnliche Behauptungen.

Unsere Recherche zeigt: Die Grünen haben zwar in einem Klimaschutz-Sofortprogramm ein Klimaschutzministerium ins Spiel gebracht, das mit einem Veto-Recht, also einem Einspruchsrecht ausgestattet sein soll. Das Ministerium soll aber keine Gesetze im Bundestag oder im Bundesrat verhindern können. Vielmehr geht es um die Erarbeitung von Gesetzen, bevor sie im Bundestag oder im Bundesrat landen. Ähnliche Rechte besitzen bereits jetzt das Finanz-, Innen- und Justizministerium. Ein Konflikt zwischen der Legislative, sprich der gesetzgebenden Gewalt in Form des Bundestags und der Exekutive, sprich der ausführenden Gewalt in Form der Bundesregierung und der zugehörigen Bundesministerien, besteht damit nicht.

Dieses Bild mit Text wird auf Facebook verbreitet
Dieses Bild mit Text wird auf Facebook verbreitet (Quelle: Facebook / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Grüne schlagen Klimaschutzministerium und Klima-Task-Force vor

Am 3. August stellten die Bundesvorsitzenden der Grünen, Annalena Baerbock und Robert Habeck, ein Klimaschutz-Sofortprogramm vor. Darin heißt es: „Um Abstimmungsprozesse innerhalb der Ministerien zu verschlanken und zu beschleunigen, wird in den ersten 100 Tagen eine Klima-Task-Force der Bundesregierung im Wochenrhythmus tagen. Die Federführung hierfür wird im Klimaschutzministerium liegen. Dieses Ministerium wird zusätzlich mit einem Vetorecht gegenüber den anderen Ressorts ausgestattet, sollten Gesetze vorliegen, die nicht Paris-konform sind.“

Wie Annalena Baerbock in einer Pressekonferenz erklärte, solle sich die Regierung bei der Erarbeitung von Gesetzen die Frage stellen: Wie wirkt sich ein Gesetz auf die CO2-Emissionen aus? Ist es mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar? Mit dem Pariser Klimaabkommen verpflichteten sich 196 Staaten und die Europäische Union im Dezember 2015 dazu, die Klimaerwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. 

Soweit ist die Behauptung korrekt, die Grünen haben ein Klimaministerium mit Vetorecht gefordert. Allerdings hat das nichts damit zu tun, dass die Gewaltenteilung zwischen der Legislative (gesetzgebende Gewalt) und der Exekutive (vollziehende Gewalt) aufgehoben würde. Denn es geht lediglich um die Vorbereitung von Gesetzen innerhalb der Exekutiven und nicht um deren Beschluss durch die Legislative. 

Gewaltenteilung und Gesetzgebungsprozess in Deutschland

Im Facebook-Beitrag heißt es, wenn die Pläne der Grünen umgesetzt würden, gehe die „Staatsgewalt“ nicht mehr vom Volk aus. Das sei deswegen so, weil die Exekutive ein Vetorecht gegenüber der Legislative habe. Aber was bedeutet das überhaupt? 

Die sogenannte Gewaltenteilung ist in Deutschland im Grundgesetz verankert. Dort heißt es in Artikel 20: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ Die rechtsprechende Gewalt (Gerichte) wird auch Judikative, die vollziehende Gewalt auch Exekutive (Bundesregierung) und die gesetzgebende Gewalt (Bundestag und Bundesrat) auch Legislative genannt, wie der Deutsche Bundestag auf seiner Webseite erklärt. 

Bildliche Darstellung der Gewaltenteilung in Deutschland
Bildliche Darstellung der Gewaltenteilung in Deutschland (Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung / Andreas Piehl)

Gesetze für ganz ganz Deutschland können alleine vom Bundestag und vom Bundesrat, also der Legislative, beschlossen werden. Erarbeitet werden sie in der Regel von der Bundesregierung und den zugehörigen Bundesministerien, also der Exekutive. Daran ändert auch der Vorschlag der Grünen nichts. Sie schlagen lediglich andere Regeln für die Erarbeitung von Gesetzen innerhalb der Exekutiven vor. Die Arbeit des Bundestages oder des Bundesrates bleibt davon unberührt. 

Vetorechte, wie sie die Grünen für das von ihnen geplante Klimaministerium vorschlagen, sind nicht neu: Bereits jetzt hat zum Beispiel das Finanzministerium ein solches Recht. In der Geschäftsordnung der Bundesregierung heißt es dazu: „Beschließt die Bundesregierung in einer Frage von finanzieller Bedeutung gegen oder ohne die Stimme des Bundesministers der Finanzen, so kann dieser gegen den Beschluß ausdrücklich Widerspruch erheben.“ In einem solchen Fall, muss in einer weiteren Sitzung erneut über den Gesetzesentwurf abgestimmt werden. Auch das Innen- und das Justizministerium haben solche Rechte.

Redigatur: Till Eckert, Uschi Jonas

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Klimaschutz-Sofortprogramm der Grünen: Link (PDF)
  • Pressekonferenz mit Annalena Baerbock und Robert Habeck zum Klimaschutz-Sofortprogramm der Grünen: Link
  • Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland: Link 
  • Geschäftsordnung der Bundesregierung: Link
  • Pariser Klimaabkommen: Link (PDF/Englisch)