Faktencheck

Hochwasser in Stolberg: Nein, dieser Brief belegt nicht, dass Betroffene nur 250 Euro Soforthilfe erhalten

Auf Facebook kursiert ein Brief aus Stolberg, der angeblich belegen soll, dass Menschen, die die Soforthilfe der Stadt von 250 Euro erhalten haben, später leer ausgingen. Das zeigt der Brief aber nicht. Betroffene können die Soforthilfe der Stadt zwar nur einmal beantragen, es gibt aber auch andere Hilfsprogramme wie die „Soforthilfe NRW“.

von Sarah Thust

Hochwasser 2021 in Deutschland
Wer in Stolberg die Hochwasser-Soforthilfe I erhalten hat, erhält keine Soforthilfe II – darauf weist die Stadt auch im Antrag hin (Symbolbild: Picture Alliance / Photothek / Florian Gaertner)
Behauptung
Ein Brief zeige, dass in Stolberg die Soforthilfe II abgelehnt werde, wenn man 250 Euro durch die Soforthilfe I erhalten habe; der Schaden der Betroffenen sei aber viel höher.
Bewertung
Fehlender Kontext
Über diese Bewertung
Fehlender Kontext. Die Stolberger Hochwasser-Soforthilfen I und II beinhalten exakt denselben Geldbetrag – ausgezahlt wird die Soforthilfe aber pro Haushalt nur einmal. Betroffene in Stolberg können darüber hinaus weitere Hilfen beantragen, zum Beispiel die „Soforthilfe NRW“ (einmalig 1.500 Euro pro Haushalt oder mehr).

Auf Facebook verbreitet sich der Beitrag einer Frau, die laut ihrer Profilbeschreibung aus Stolberg kommt. Sie veröffentlichte am 23. August ein Foto eines Briefs vom Sozialamt Stolberg. Dazu schreibt sie: „Die Hochwasserhilfe 2 wird abgelehnt, weil man ja die Ersthilfe von 250 Euro erhalten habe. Wurde nur nirgends gesagt, dass man damit seinen Anspruch verwirkt.“ Der Beitrag wurde mehr als 2.500 Mal auf Facebook geteilt.

Andere Menschen griffen den Beitrag auf Facebook auf und interpretierten ihn weiter. „Die Opfer der Flutkatastrophe sind verarscht worden“, schreibt einer.Wer damals die Soforthilfe von 250 bis 300 Euro bekommen hat, geht nun vollkommen leer aus.“ Damit wird suggeriert, dass die vom Hochwasser betroffenen Menschen nicht mehr als 250 Euro bekommen könnten. Das stimmt nicht.

Unsere Recherche ergab: Das Schreiben ist echt, die Kommentare dazu sind jedoch irreführend. In Stolberg wird tatsächlich ein Antrag auf die Hochwasser-Soforthilfe II abgelehnt, wenn man bereits Soforthilfe I erhalten hat. Die Summen, die im Rahmen der Soforthilfe I und II ausgezahlt werden, sind gleich hoch. Die Menschen gehen aber später nicht „leer aus“, da weitere Hilfen beispielsweise in Nordrhein-Westfalen beantragt werden können.

Städtische Soforthilfe in Stolberg betrug für Einzelpersonen 250 Euro

Am 22. und 23. Juli standen laut Medienberichten viele Menschen an den Ausgabestellen in Stolberg Schlange, weil die ersten Hochwasser-Soforthilfen bar ausgezahlt wurden. Im August teilte die Stadt auf ihrer Webseite mit, dass jeder, der beim ersten Mal keine Soforthilfe erhalten hat, „Hochwasser-Soforthilfe II“ beantragen könne. Es handelte sich also um eine Wiederholung der ersten Maßnahme, nicht um eine Ergänzung.

Auszug aus den Informationen über die Soforthilfe II
Auszug aus den Informationen über die Soforthilfe II (Quelle: Webseite der Stadt Stolberg / Screenshot und Markierung am 27. August: CORRECTIV.Faktencheck)

Die Summe, die Betroffene in Stolberg erhalten, ist bei Soforthilfe I oder Soforthilfe II jeweils gleich hoch. Einzelpersonen bekommen laut der Webseite der Stadt 250 Euro, kleinere Familien 500 Euro und größere Familien 750 Euro. 

Der Brief ist echt – und die Stadt steht in Kontakt mit der Frau, die ihn erhalten hat 

Der Brief vom 18. August, den die Facebook-Nutzerin veröffentlichte, stammt laut der auf dem Schreiben erkennbaren E-Mail-Adresse vom Sozialamt Stolberg. Es handelt sich um eine Ablehnung des Antrags auf die „Stolberger Hochwasser-Soforthilfe II“. Die Antragstellerin habe bereits Soforthilfe I erhalten und sei „somit von der Zahlung der Soforthilfe II ausgeschlossen“, heißt es als Begründung. 

Ausschnitt des auf Facebook veröffentlichten Fotos des Briefs vom Sozialamt Stolberg
Ausschnitt des auf Facebook veröffentlichten Fotos des Briefs vom Sozialamt Stolberg (Quelle: Facebook, Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Das Schreiben ist echt und die Beschwerde der Frau ist der Stadt bekannt, wie uns ein Sprecher des Büros des Bürgermeisters am 27. August in einer E-Mail mitteilte. „Die Soforthilfe II wurde zu Recht abgelehnt, da Soforthilfe I bereits gewährt wurde. Die Dame hat also städtische Soforthilfen erhalten.“

Weitere Hilfe des Landes Nordrhein-Westfalen kann beantragt werden

Das Sozialamt habe diese Woche zweimal mit der Frau telefoniert – dieser sei nun zusätzlich zur Soforthilfe I die Soforthilfe NRW gewährt worden, teilte uns der Sprecher weiter mit. 

Die Soforthilfe des Landes Nordrhein-Westfalen beträgt 1.500 Euro pro Haushalt, dazu kommen 500 Euro für jede weitere Person im Haushalt. Maximal werden 3.500 Euro ausgezahlt.

Wir haben versucht, die Frau auf Facebook zu erreichen, erhielten aber bisher keine Antwort.

Ausschnitt der E-Mail eines Sprechers des Büros des Bürgermeisters von Stolberg vom 27. August
Ausschnitt der E-Mail eines Sprechers des Büros des Bürgermeisters von Stolberg vom 27. August (Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Stadt Stolberg informiert über Kriterien für Soforthilfe

Bereits am 22. Juli schrieb die Stadt Stolberg, die städtische Soforthilfe sei eine erste Maßnahme – die Auszahlung weiterer Hilfen aus Landes- und Bundesmitteln folge, sobald das Geld zur Verfügung stehe. 

Es stimmt außerdem nicht, dass die Stadt Stolberg Menschen nicht darüber informiere, dass Soforthilfe I und II nicht beide bezogen werden können. Wer den Antrag auf Soforthilfe II ausfüllt, muss schriftlich versichern, dass der Haushalt „noch keine Leistungen aus der Stolberger Hochwasser-Soforthilfe I (Barauszahlung) erhalten hat“ (PDF, Download). 

Auszug Antrag Soforthilfe Hochwasser Stolberg
Im Absatz 2.1. im Antragsformular für die Soforthilfe II muss der Antragssteller versichern, dass er keine Soforthilfe I erhalten hat (Quelle: Webseite der Stadt Stolberg / Screenshot am 26. August: CORRECTIV.Faktencheck)

Die Stadt schreibt auch auf ihrer Webseite: „Anspruchsberechtigt (für Soforthilfe II) sind sämtliche Adressen im Stolberger Stadtgebiet, die einen Hochwasserschaden zwischen 1.000 Euro und 5.000 Euro glaubhaft machen können. […] Alle Personen und Haushalte, die bereits Leistungen im Rahmen der Hochwasser-Soforthilfe I (22.07. u. 23.07.) erhalten haben, sind von der Hochwasser-Soforthilfe II ausgeschlossen.“

Fazit: Es stimmt, dass man die Soforthilfe II der Stadt Stolberg nicht bekommen kann, wenn man bereits Soforthilfe I erhalten hat. Die beiden Maßnahmen beinhalten jedoch exakt denselben Geldbetrag. Die Menschen, die vom Hochwasser betroffen sind, können laut der Stadt Stolberg außerdem noch weitere Hilfsangebote, zum Beispiel des Landes NRW, beantragen. Sie gehen also nicht „leer aus“, wenn sie die Soforthilfe I bereits erhalten haben. 

Redigatur: Steffen Kutzner, Alice Echtermann