Faktencheck

Hauptgrund für die hohen Benzin- und Dieselpreise ist der gestiegene Rohölpreis

Auf Facebook wird aktuell ein Foto einer Anzeigetafel mit hohen Spritpreisen verbreitet. Es wird suggeriert, die Grünen seien an den Preisen schuld. Doch damit machen die Menschen es sich zu einfach: Die Ursachen sind vor allem die gestiegene Rohöl-Nachfrage, aber auch zwei politische Entscheidungen der Bundesregierung.

von Uschi Jonas

Die Spritpreise steigen seit Monaten. Grund dafür ist vor allem die Entwicklung am Rohölmarkt. (Symbolbild: Unsplash / Julian Hochgesang)
Die Spritpreise steigen seit Monaten. Grund dafür ist vor allem die Entwicklung am Rohölmarkt. (Symbolbild: Unsplash / Julian Hochgesang)
Behauptung
Ein Foto zeige eine aktuelle Spritpreis-Anzeige aus Saarbrücken. Es wird suggeriert, die Grünen seien für die hohen Preise verantwortlich.
Bewertung
Fehlender Kontext
Über diese Bewertung
Fehlender Kontext. Die Spritpreise sind für den Tag in Saarbrücken realistisch, allerdings lediglich für Tankstellen an einer Autobahnraststätte. Der Preisanstieg liegt zum einen am gestiegenen Ölpreis, aber auch an der CO2-Abgabe, die die noch amtierende Bundesregierung eingeführt hat, und der wieder angehobenen Mehrwertsteuer.

Heute in Saarbrücken. Für alle die Schwachköpfe, die Grün gewählt haben. Hoffentlich seid ihr alle Pendler, schreibt ein Facebook-Nutzer am 7. Oktober zum Foto der Spritpreis-Anzeige einer Tankstelle. Der Liter Diesel-Kraftstoff kostete demnach rund 1,84 Euro, der Preis für einen Liter „Super“ lag bei rund 1,99 Euro. Der Beitrag wurde mehr als 2.550 Mal geteilt. 

Unseren Recherchen zufolge ist der Spritpreis für diesen Tag in Saarbrücken realistisch. Die Schuld dafür allein den Grünen zuzuschieben, lässt aber wesentlichen Kontext aus. Ursache für die hohen Preise sind vor allem der gestiegene Rohölpreis, aber auch Beschlüsse der noch amtierenden Bundesregierung aus SPD, CDU und CSU. 

Spritpreise unterscheiden sich je nach Tankstelle und Region stark

Dieses Foto einer Spritpreis-Anzeige wurde mehr als 2.550 Mal auf Facebook geteilt (Quelle: Facebook / Screenshot und Schwärzungen: CORRECTIV.Faktencheck)
Dieses Foto einer Benzinpreis-Anzeige wurde mehr als 2.550 Mal auf Facebook geteilt (Quelle: Facebook / Screenshot und Schwärzungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Der Facebook-Beitrag ist vom 7. Oktober, angegeben wird als Ort Saarbrücken. Auf der Webseite „Benzinpreis.de kann man sich tagesaktuell Spritpreise der teuersten und günstigsten Tankstellen in einer Region anzeigen lassen. Am 19. Oktober, also knapp zwei Wochen nach dem Facebook-Beitrag, lag der Preis für einen Liter Diesel bei den beiden teuersten Tankstellen im Saarland bei rund 1,88 Euro. Der Liter „Super“ und „Super E10“ kostete dort jeweils rund zwei Euro. 

Die Tankstellen liegen beide in Saarbrücken, und zwar an einer Raststätte der Autobahn A6. Eine davon ist eine Esso-Tankstelle – das Foto auf Facebook zeigt der Aufschrift auf der Anzeigetafel zufolge ebenfalls eine Esso-Tankstelle („Synergy ist eine spezifische Kraftstoffbezeichnung von Esso). Ob es sich um dieselbe Tankstelle an der A6 handelt, lässt sich aber nicht mit Sicherheit sagen.

Die Preise auf dem Bild sind also plausibel, aber vergleichsweise hoch. Im Durchschnitt lag der Preis für einen Liter Diesel am 19. Oktober bei 1,56 Euro, im Vergleich dazu lag er am 5. Januar 2021 bei rund 1,22 Euro und am 20. Oktober 2020 bei rund 1,04 Euro. Seit November 2020 steigt der Diesel-Preis stetig. 

Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Blick auf den Preis für einen Liter „Super E10“: Auch hier steigt der Durchschnittspreis seit November 2020 stetig an. Am 19. Oktober 2021 bei rund 1,67 Euro. 

Fast so hoch wie aktuell waren die Spritpreise in den vergangen Jahren nur einmal im Herbst 2018 – damals kostete der Liter Diesel im November rund 1,45 Euro und der Liter „Super E10“ im Oktober durchschnittlich 1,54 Euro.

Die Entwicklung des Preises für einen Liter „Super E10“ (blau) und Diesel (orange) seit Oktober 2020 (Quelle und Darstellung: Mineralölwirtschaftsverband)
Die Entwicklung des Preises für einen Liter „Super E10“ (blau) und Diesel (orange) seit Oktober 2020 (Quelle und Darstellung: Mineralölwirtschaftsverband)

Gestiegene Rohöl-Nachfrage ist der Hauptgrund für Preisanstieg von Benzin und Diesel

Wir haben beim Allgemeinen Deutschen Automobil-Club (ADAC) und beim Mineralölwirtschaftsverband nachgefragt, welche Faktoren aktuell den Spritpreis beeinflussen. Die Antwort: Hauptursache für die aktuell hohen Kraftstoffpreise ist der deutlich gestiegene Ölpreis. Dieser habe sich innerhalb eines Jahres fast verdoppelt, erklärt uns ein Pressesprecher des Mineralölwirtschaftsverbands: „Ursache dafür ist die mit dem Abebben der Corona-Pandemie gestiegene globale Rohöl-Nachfrage bei begrenztem Angebot.“

Hinzu komme, dass Öl in Weltregionen außerhalb Europas aktuell zunehmend als Ersatz für Gas eingesetzt werde, zum Beispiel in Kraftwerken. Der Grund dafür: Der Gaspreis war zuletzt noch stärker gestiegen als der Ölpreis. Eine Rolle dabei spielt auch der internationale Wechselkurs, wie der Pressesprecher erläutert: Dass der Euro gegenüber dem US-Dollar leicht an Wert verloren habe, verteuert Öl zusätzlich im Euro-Raum, weil der Rohstoff in Dollar abgerechnet wird. Dieser Aspekt macht allerdings zur Zeit nur zwei Prozent aus.“

Auch der ADAC bestätigt, dass für die Entwicklung der Kraftstoffpreise neben dem Rohölpreis auch der Wechselkurs von Dollar und Euro ausschlaggebend sei. Eine Pressesprecherin des ADAC schreibt uns dazu: Der Rohölpreis ist derzeit zwar niedriger als 2012 – ein Barrel der Sorte Brent kostet derzeit rund 83 US-Dollar – der Dollar jedoch deutlich stärker als vor neun Jahren. Das verteuert Öleinfuhren nach Europa. Beim Diesel sorgt zusätzlich die jahreszeitbedingte starke Nachfrage nach Heizöl für eine Verteuerung an den Zapfsäulen.“ 

Auch die aktuelle Ferienzeit in einigen Regionen Deutschlands und die Tatsache, dass immer mehr Arbeitnehmende aus dem Home Office zurück in den Büroalltag kehren, könnten eine steigenden Nachfrage nach Sprit verursachen. Tankstellenbetriebe würden „sicher die Chance nutzen, um ihr Defizit aus dem Beginn der Pandemie etwas zu minimieren“, so die Sprecherin des ADAC. 

CO2-Abgabe und wieder angehobene Mehrwertsteuer beeinflussen Spritpreise ebenfalls

Politisch spielen außerdem vor allem zwei Dinge eine entscheidende Rolle: Die Wiederanhebung des Mehrwertsteuersatzes und die Einführung der CO2-Abgabe auf Kraftstoffe. 

Im Rahmen des Klimaschutzprogramms hatte die Bundesregierung 2019 beschlossen, eine CO2-Bepreisung für Verkehr und Wärme ab 2021 einzuführen. Im Oktober 2020 stimmte der Bundestag mit den Stimmen von Union, SPD und Grünen einem Gesetz zu, das eine höhere CO2-Abgabe auf Kraftstoffe einführte, als ursprünglich angedacht. 

Die Bundesregierung schrieb dazu im November 2020: Der neue CO2-Preis wird den Verbrauch von fossilen Heiz- und Kraftstoffen teurer machen. Damit wird die Nutzung klimaschonender Technologien wie Wärmepumpen und Elektromobilität, das Sparen von Energie und die Nutzung erneuerbarer Energie lohnender. 

Im Januar 2021 trat der CO2-Preis auf Kraftstoffe erstmals in Kraft. Unternehmen, die diese fossilen Kraftstoffe auf den Markt bringen, müssen seit Januar entsprechende Emissionszertifikate erwerben, wodurch sich für die Verbraucherinnen und Verbraucher ebenfalls die Preise erhöhten. Dem Sprecher des Mineralölwirtschaftsverbands zufolge machte der CO2-Aufschlag 7 bis 8 Cent pro Liter Kraftstoff aus. Und er ergänzt: „Ohne den CO2-Aufschlag wäre der Dieselpreis nicht auf einem Allzeithoch. Der CO2-Aufschlag steigt zum 1.1.2022 um weitere 1 bis 2 Cent je Liter.“ 

Grundsätzlich beeinflusse die Einführung der CO2-Abgabe die Kraftstoffpreise, bestätigt auch die ADAC-Sprecherin. Die aktuelle Erhöhung sei jedoch vor allem marktbedingt“, wie oben beschrieben

Auch die Tatsache, dass die auf Kraftstoffe erhobene Mehrwertsteuer zum 1. Januar 2021 wieder von 16 auf 19 Prozent angehoben worden war, beeinflusste die Preise. Das spielte jedoch vor allem zu Jahresbeginn eine Rolle. Die Bundesregierung hatte eine befristete Senkung der Mehrwertsteuer vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2020 beschlossen, um der Konjunktur nach der Corona-Krise neuen Schub zu geben. Laut ADAC ließ das Ende dieser Regelung die Benzin- und Dieselpreise zu Beginn 2021 zusätzlich um ein paar Cent steigen. 3 bis 4 Cent mache das je Liter Kraftstoff aus, bestätigt auch der Sprecher des Mineralölwirtschaftverbands. 

Mit den Grünen oder den Ergebnissen der Bundestagswahl haben die steigenden Spritpreise folglich nichts zu tun, sondern mit dem Rohölpreis, dem schwachen Euro und politischen Entscheidungen der noch amtierenden Bundesregierung.

Spritpreise variieren je nach Region und Standort stark

Übrigens: Die Benzin- und Dieselpreise variieren regional und je nach Standort stark. Am selben Tag, den wir für die Überprüfung des Tankstellen-Fotos auf Facebook betrachtet haben (19. Oktober), lag der niedrigste Preis für einen Liter Diesel bei rund 1,49 Euro an einer Tankstelle im saarländischen Illingen – also 39 Cent unter dem Preis der Autobahntankstellen in Saarbrücken. Für den Liter „Super“ zahlte man an einer Tankstelle im saarländischen Blieskastel rund 1,64 Euro, also 36 Cent weniger.

Die Gründe für die regionalen Differenzen sind vielschichtig. Der Sprecher des Mineralölwirtschaftsverbands erklärt: „Die Preisgestaltung ist den Anbietern frei überlassen, und die Preise sind für Autofahrer weithin sichtbar. Hinzu kommen Internet und Tank-Apps mit laufend aktualisierten Preisen. Das Ergebnis ist ein intensiver Wettbewerb der Stationen mit schwankenden Preisen, die von Tankstelle zu Tankstelle und von Region zu Region unterschiedlich ausfallen. Die Tankstellen geben aufgrund dieses Wettbewerbs nur die gestiegenen Einkaufspreise weiter.” 

Die Sprecherin des ADAC ergänzt zudem, dass Pendlerströme und der lokale Wettbewerb relevante Faktoren seien, aber vielleicht auch mehr freie Tankstellen, die den Wettbewerbsdruck auf größere Konzerne erhöhen könnten. Hinzu kommt: „Grundsätzlich ist es im städtischen Umfeld etwas billiger als auf dem Land, im städtischen Raum gibt es zumeist mehr Tankstellen, und damit mehr Wettbewerb.”

Redigatur: Steffen Kutzner, Alice Echtermann

Update 26. Oktober 2021: Wir haben weitere Erklärungen zur CO2-Bepreisung ergänzt.