Faktencheck

Doch, in Lettland dürfen auch Ungeimpfte im Supermarkt einkaufen

In Sozialen Netzwerken verbreitet sich die Behauptung, in Lettland dürften Ungeimpfte künftig keinen Supermarkt betreten. Das ist falsch: Ungeimpfte haben Zugang zu Geschäften, die Grundnahrungsmittel verkaufen – wenn auch nicht zu allen.

von Sarah Thust

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In Geschäften, die hauptsächlich lebensnotwendige Güter wie Lebensmittel verkaufen, muss in Lettland kein Impfnachweis vorgelegt werden (Archivfoto von Dezember 2020: Picture Alliance / Russian Look / Victor Lisilsyn)
Behauptung
In Lettland dürften Ungeimpfte künftig keinen Supermarkt mehr betreten.
Bewertung
Falsch. In Geschäften, die hauptsächlich lebensnotwendige Güter wie Lebensmittel verkaufen, muss kein Impfnachweis vorgelegt werden. Sie sind auch weiterhin für Personen ohne Corona-Impfung zugänglich.

„In Lettland dürfen Ungeimpfte künftig keinen Supermarkt mehr betreten“, schrieb die Internetseite Epoch Times am 11. Oktober. Der Text wurde inzwischen gelöscht, ein Facebook-Beitrag, der den Artikel bewirbt, existiert aber noch. Die Behauptung verbreitet sich weiter auf anderen Internetseiten und in Sozialen Netzwerken. Auch in Kurzberichten vom Stern und dem Deutschlandfunk taucht so ein Satz auf.

Die Überschrift des Epoch Times-Artikels ist irreführend: Geschäfte, in denen Lebensmittel 70 Prozent des Sortiments ausmachen, sind auch weiterhin für Ungeimpfte zugänglich. Lettland hat wegen einer starken Zunahme der Corona-Fälle einen dreimonatigen Gesundheitsnotstand ausgerufen, der aktuell noch andauert. Für nicht geimpfte Personen bestehen dadurch Einschränkungen – so muss beispielsweise in der Gastronomie ein Impf- oder Genesungsnachweis vorgelegt werden. Vom 21. Oktober bis 15. November 2021 gilt zudem ein strenger Lockdown. Der Artikel beruhte offenbar auf einer Agenturmeldung, die mittlerweile korrigiert wurde.

Artikel über Lettland
Auf Facebook warb die Epoch Times im Oktober mit dem Artikel über Lettland, der eine Falschmeldung ist (Quelle: Facebook / Screenshot am 2. November: CORRECTIV.Faktencheck)

In Lettland gilt aktuell ein „Gesundheitsnotstand“, der Einschränkungen für Ungeimpfte mit sich bringt

Zum Hintergrund: In Lettland begann am 11. Oktober ein dreimonatiger Gesundheitsnotstand, der aktuell noch andauert. Dazu schreibt die Deutsche Botschaft in Riga, der Hauptstadt Lettlands, unter anderem: „Nur Geimpfte und Genesene haben gegen Vorlage des digitalen grünen Zertifikats der EU Zugang zur Innen- und Außengastronomie, erleichterte Zugänge zu Veranstaltungen und Geschäften sowie mehr Freiheiten bei privaten Treffen in Räumlichkeiten.“ Von Supermärkten ist dort nicht die Rede. Auf der Webseite heißt es lediglich, dass Geschäfte, die „Lebensmittel, Hygienewaren“ oder „Tiernahrung“ verkaufen, im Zeitraum vom 21. Oktober bis zum 15. November von 6 bis 19 Uhr geöffnet haben. 

Die Meldung, dass Ungeimpfte in lettischen Supermärkten nicht einkaufen dürften, verbreitete sich international. Wir fanden sie auf mehreren englischsprachigen Webseiten (hier und hier) – in einem Fall wird die Nachrichtenagentur AFP als Quelle angegeben. Unter dem Text der Epoch Times steht ebenfalls die Abkürzung „afp“. 

Quelle ist offenbar eine Agenturmeldung, die einen Fehler enthielt und korrigiert wurde

Offenbar hatte die AFP zu dem Thema wirklich einen Text veröffentlicht. Das zeigt auch eine Google-Suche, die zu einem Bericht der Berliner Zeitung vom 11. Oktober führt, dass Lettland den dreimonatigen Gesundheitsnotstand ausgerufen habe. Auch hier wird AFP als Quelle angegeben. Der Bericht wurde offenbar verändert – in der ursprünglichen Fassung lautete die Überschrift: „Lettland: Ungeimpfte dürfen nicht mehr in den Supermarkt“. 

In der aktuellen Version steht jedoch am Textende ein Korrekturhinweis: „In einer früheren Version dieses Textes hieß es ‘Wer nicht geimpft ist, darf in Lettland künftig keinen Supermarkt mehr betreten.’ Diese Information stammt von der Nachrichtenagentur AFP, ist jedoch nicht korrekt. Wir haben den entsprechenden Teil entfernt.“

Der Geschäftsführer und Chefredakteur der AFP in Deutschland, Andreas Krieger bestätigte uns per E-Mail am 4. November, es habe eine Meldung gegeben, in der die Regeln verkürzt wiedergegeben wurden. Die Meldung sei nun entsprechend korrigiert worden.

Laut Recherchen der AFP, schrieb er weiter, dürften Ungeimpfte nicht alle Supermärkte und Einkaufszentren betreten. „Sie dürfen jedoch Lebensmittel, Medikamente, Druckerzeugnisse, Kraftstoffe und Elektronikartikel in Geschäften einkaufen, die diese Artikel überwiegend in ihrem Sortiment haben; sie müssen beim Einkauf das Geschäft durch einen separaten Eingang betreten und auf demselben Weg wieder verlassen.“ Er verwies dazu auf die Verordnung 720 des Ministerkabinetts zur Ausrufung des Ausnahmezustands vom 9. Oktober 2021 (hier Englisch übersetzt). 

Auszug aus der Verordnung 720 des Ministerkabinetts zur Ausrufung des Ausnahmezustands vom 9. Oktober 2021 aufgrund der Corona-Pandemie
Auszug aus der Verordnung 720 des Ministerkabinetts zur Ausrufung des Ausnahmezustands vom 9. Oktober 2021 aufgrund der Corona-Pandemie (Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Lettland: Ungeimpfte haben im Oktober nur Zugang zu Geschäften, die Grundnahrungsmittel verkaufen

Wir haben beim lettischen Gesundheitsministerium nachgefragt, ob in Supermärkten eine Impfung erforderlich ist, – erhielten aber von dort keine Antwort. Über das International Fact-Checking Network IFCN erfuhren wir von einer Faktencheck-Organisation aus Lettland mehr über die dortigen Corona-Regeln. 

Die Faktenchecker wiesen auf einen Beitrag des öffentlichen Rundfunks Latvian Television hin. Der Sender berichtete am 10. Oktober unter Berufung auf ein Dokument des Außenministeriums: „Personen, die nicht gegen Covid-19 geimpft sind oder die Krankheit nicht hatten, haben nur Zugang zu Geschäften, die Grundnahrungsmittel verkaufen“. 

In einer Pressemitteilung, die wir mithilfe des Online-Übersetzers „DeepL“ übersetzt haben, teilte die lettische Supermarktkette Maxima mit, dass ihre Geschäfte für Geimpfte und Ungeimpfte offen bleiben. 

übersetzung pressemitteilung maxima lettland
Übersetzung aus der Mitteilung der lettischen Supermarktkette Maxima, wonach auch Ungeimpfte dort weiter einkaufen dürfen (Quelle: DeepL / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Redigatur: Matthias Bau, Till Eckert

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Häufig gestellte Fragen in Bezug auf Covid-19 in Lettland, Deutsche Botschaft Riga, archiviert am 3. November 2021: Link
  • Verordnung 720 des Ministerkabinetts in Lettland zur Ausrufung des Ausnahmezustands vom 9. Oktober 2021 (Englisch): Link
  • Pressemitteilung der Supermarktkette Maxima vom 10. Oktober 2021: Link