Faktencheck

Covid-19-Impfstoffe schützen Geimpfte wirksam – der Schutz lässt aber mutmaßlich nach mehreren Monaten nach

In einem Beitrag des „Deutschland Kuriers“ wird behauptet, Impfstoffe gegen Covid-19 würden Geimpfte nicht schützen. Das stimmt nicht. Die hohe Schutzwirkung der Impfung wurde in Studien nachgewiesen. Allerdings lässt sie nach bisherigen Erkenntnissen nach mehreren Monaten nach.

von Till Eckert

Coronavirus - Booster-Impfung gegen Covid-19
Der „Deutschland Kurier“ behauptet, Covid-19-Impfungen würden Geimpfte nicht schützen. Das ist falsch. (Symbolbild: Thirdman / Pexels / CC0)
Behauptung
Covid-19-Impfstoffe würden Geimpfte nicht schützen.
Bewertung
Größtenteils falsch
Über diese Bewertung
Größtenteils falsch. Impfungen schützen Geimpfte vor einer Covid-19-Erkrankung, die geschätzte Wirksamkeit gegen schwere Verläufe beträgt bei der Delta-Variante laut RKI 90 Prozent. Für bestimmte Personengruppen wird aber nach sechs Monaten eine Auffrischungsimpfung empfohlen, da der Schutz mit der Zeit nachlässt.

„Um Geimpfte zu schützen, sollen Ungeimpfte sich gefälligst mit dem Stoff schützen, der die Geimpften nicht schützt“, wird in einem Facebook-Beitrag des Deutschland Kuriers vom 2. November behauptet. Er wurde bisher mehr als 3.300 Mal geteilt. 

Die ironische Aussage suggeriert, dass Covid-19-Impfungen völlig wirkungslos seien. Das ist falsch: Die Wirksamkeit der Covid-19-Impfstoffe wurde in klinischen Studien mit tausenden Menschen überprüft. Sie führen nachweislich zu weniger symptomatischen Infektionen, Krankenhauseinweisungen und Todesfällen. Zu 100 Prozent schützt jedoch keiner der Impfstoffe. 

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt seit Anfang Oktober eine Auffrischimpfung, sprich Drittimpfung (oder Zweitimpfung nach Johnson und Johnson) für Menschen über 70 Jahren und bestimmte Risikogruppen. Der Grund: Der Impfschutz lasse mit der Zeit nach. Das zeigte zum Beispiel eine Preprint-Studie aus Großbritannien

„Im höheren Alter fällt die Immunantwort nach der Impfung insgesamt geringer aus und Impfdurchbrüche können häufiger auch zu einem schweren Krankheitsverlauf führen“, schreibt die Stiko. Die Auffrischungsimpfung sollte frühestens sechs Monate nach der letzten Impfung erfolgen. 

Eine Studie aus Israel, die Ende Oktober im Fachmagazin The Lancet veröffentlicht wurde, weist auf die Wirksamkeit dieser sogenannten Booster-Impfungen hin. Menschen, die ein drittes Mal geimpft wurden, wurden viel seltener hospitalisiert und starben seltener an Covid-19 als Menschen, deren zweite Impfung mindestens fünf Monate zurücklag.   

Alle Covid-19-Impfstoffe schützen die meisten Menschen wirksam vor einem schweren Krankheitsverlauf

Falsche Behauptungen über eine angeblich schlechte Wirksamkeit der Impfung sind nicht neu, wir haben dazu bereits mehrere Faktenchecks veröffentlicht (hier oder hier). 

Aktuell sind in der EU vier Impfstoffe gegen das Coronavirus zugelassen. Laut Daten des für die Zulassung von Impfstoffen in Deutschland zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), liegt die Wirksamkeit der Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna laut den klinischen Studien, die für die Zulassung durchgeführt wurden, bei bis zu 95 Prozent. Bei Astrazeneca seien es bis zu 80 Prozent, bei Johnson & Johnson bis zu 70 Prozent. 

Beim Thema Wirksamkeit tritt jedoch leicht ein Missverständnis auf: Eine 95-prozentige Wirksamkeit bedeutet nicht, dass 95 Prozent derjenigen, die geimpft werden, vor einer Infektion mit dem Coronavirus geschützt sind, oder dass „95 von 100 Geimpften“ geschützt sind. Darüber klärte bereits im Dezember 2020 das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung auf.

Denn die Angabe der Wirksamkeit bezieht sich nicht nur auf die Gruppe der Geimpften, sondern auf einen Vergleich von Ungeimpften und Geimpften. Die Experten erklären das anhand eines Beispiels: „In einer Saison mit geringer Verbreitung des Grippevirus liegt die Wirksamkeit der Grippeschutzimpfung etwa bei 50 Prozent. Diese Zahl bedeutet aber nicht, dass 5 von 10 Geimpften vor der Grippe geschützt sind. Sie bedeutet, dass von je 100 Personen ohne Impfung zwei eine bestätigte Influenzainfektion bekamen, und von je 100 Personen mit Impfung nur eine.“ 95 Prozent Wirksamkeit bedeutet also, dass in der Gruppe der Geimpften 95 Prozent weniger Infektionen auftraten als bei den Ungeimpften.

Darüber hinaus schreibt das Robert-Koch-Institut (RKI), dass alle Impfstoffe wirksam vor einem schweren Verlauf der Krankheit schützen – und somit auch das Risiko verringern, daran zu sterben. Im aktuellen Wochenbericht vom 11. November schreibt das RKI, dass „bei vollständiger Impfung die allermeisten geimpften Personen wirksam vor einer schweren Erkrankung“ geschützt seien (PDF, Seite 4).

Covid-19-Impfstoffe schützen auch in Bezug auf die Delta-Variante vor einem schwerem Verlauf

Aktuell dominiert in Deutschland die sogenannte Delta-Variante des Coronavirus, die ansteckender ist als die ursprüngliche Variante. Das RKI schreibt, damit werde auch eine reduzierte Wirksamkeit der Immunantwort in Verbindung gebracht. „Studien deuten darauf hin, dass nach vollständiger Impfung ein sehr guter Schutz vor schweren Krankheitsverläufen durch Delta besteht. Bei einer unvollständigen Impfserie (eine von zwei Dosen) ist die Wirksamkeit gegen milde Verläufe jedoch verringert.“ Weiter schreibt das RKI, es gebe Hinweise, „dass die Effektivität gegen die Delta-Variante bezüglicher jeglicher Infektion schneller abnimmt als die Effektivität gegenüber anderen Varianten.“

Das RKI betont zudem (Stand 2. November), dass nach aktuellem Kenntnisstand die Covid-19-Impfstoffe von Biontech/Pfizer, Moderna und Astrazeneca eine „hohe Wirksamkeit von etwa 90 Prozent gegen eine schwere Covid-19-Erkrankung (z. B. Behandlung im Krankenhaus) und eine Wirksamkeit von etwa 75 Prozent gegen eine symptomatische SARS-CoV-2-Infektion mit Delta“ zeigten. Für den Impfstoff von Johnson & Johnson gibt das RKI aktuell an, dass das Vakzin mit 65-prozentiger Wirksamkeit vor einer Erkrankung schützt. 

Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der nicht oder nicht vollständig geimpften Bevölkerung weiterhin als hoch ein, die Gefahr für vollständig Geimpfte wird als moderat eingestuft (Stand 2. November).

Update vom 15. November: Wir haben Informationen aus dem aktuellen Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts vom 11. November ergänzt, wonach bei vollständiger Impfung „die allermeisten Menschen“ wirksam vor einer schweren Erkrankung geschützt seien.

Redigatur: Steffen Kutzner, Alice Echtermann

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Empfehlung der STIKO für Auffrischungsimpfung: Link
  • Preprint-Studie aus Großbritannien zum Nachlassen des Impfschutzes: Link
  • Studie aus Israel zur Wirksamkeit der Booster-Impfungen: Link
  • Informationen des Paul-Ehrlich-Instituts zur Wirksamkeit der Impfstoffe: Link
  • Einschätzung des Robert-Koch-Instituts zur Wirksamkeit der Impfstoffe: Link