Faktencheck

Nein, Argentinien setzt die Covid-19-Impfstoffe von Moderna und Pfizer nicht bis 2023 aus

Zur Impfung gegen das Coronavirus kursiert eine Falschmeldung im Internet: Argentinien setze die Impfstoffe von Moderna und Pfizer bis zum Jahr 2023 aus, heißt es auf Twitter, Facebook und Telegram. Das stimmt nicht.

von Sarah Thust

Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer
In Argentinien werden seit Monaten die Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer eingesetzt, erst kürzlich wurde eine neue Lieferung von Pfizer-Impfdosen bestellt (Symbolbild: Picture Alliance / Zuma Press / Dinendra Haria)
Behauptung
Argentinien setze die Impfstoffe von Moderna und Pfizer bis zum Jahr 2023 aus, da vermehrt Fälle von Thrombosen und anderen Nebenwirkungen beobachtet wurden.
Bewertung
Falsch. In Argentinien wurden die Impfungen mit keinem der beiden Impfstoffe ausgesetzt. In dem in den Beiträgen verlinkten spanischen Video geht es nicht um Argentinien und es ist von April 2021.

In Sozialen Netzwerken kursiert aktuell ein Video mit der Behauptung, Argentinien setze die Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer bis zum Jahr 2023 aus, da vermehrt Fälle von Thrombosen beobachtet worden seien. Ein englischer Twitter-Beitrag dazu tauchte am 26. Oktober auf und wurde 880 Mal geteilt, bevor er kürzlich von Twitter gelöscht wurde. Am 27. Oktober wurden ähnliche Beiträge auf Deutsch auf Facebook und Telegram veröffentlicht (hier, hier und hier). Insbesondere auf Telegram wurde der Beitrag bisher mehr als 226.000 Mal angesehen. 

Es handelt sich um eine Falschmeldung, die mutmaßlich auf einer falschen Übersetzung des Videos beruht, das auf Spanisch ist. Die Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer werden aktuell in Argentinien eingesetzt und die Impfungen wurden nicht gestoppt. Eine Informationsseite der argentinischen Regierung, die sie auflistet, wurde seit September nicht verändert. 

Keine Hinweise, dass Impfungen mit Moderna oder Pfizer/Biontech in Argentinien ausgesetzt wurden

Auf der Webseite der argentinischen Regierung wird der Impfstoff von Moderna seit August als einer der im Land verwendeten Impfstoffe aufgeführt. Wir konnten online weder Medienberichte zu einer Aussetzung finden, noch gibt es eine Pressemitteilung dazu auf der Webseite der argentinischen Regierung. 

Der Impfstoff von Biotech/Pfizer wurde laut amtlicher Genehmigung bereits am 22. Dezember 2020 in Argentinien zugelassen – zunächst für ein Jahr. Auch hier fanden wir auf der Webseite der Regierung oder im Internet keine Belege, dass die Impfungen ausgesetzt worden seien. Am 27. Oktober meldete das Gesundheitsministerium zudem, dass eine neue Lieferung mit Pfizer-Impfstoffen im Land angekommen sei und eine weitere erwartet werde.

Falschmeldung, in Argentinien seien die Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer ausgesetzt worden – und das stimmt nicht
Auf Facebook verbreitet sich die Falschmeldung, in Argentinien seien die Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer ausgesetzt worden – und das stimmt nicht (Quelle: Facebook / Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Zum Beitrag wird ein Video von RT auf Spanisch geteilt – darin geht es aber nicht um Argentinien

In den Beiträgen mit der Behauptung in Sozialen Netzwerken ist ein Video verlinkt. Es handelt sich um einen alten Beitrag des russischen Mediums RT auf Spanisch vom 16. April 2021. Darin geht es aber nicht um Argentinien – und es wird auch nicht behauptet, dass die Impfstoffe dort bis 2023 ausgesetzt wurden. 

In dem Video sagt ein Nachrichtensprecher von RT auf Spanisch, eine Studie aus Oxford zeige, dass das Risiko einer Thrombose nach Impfungen mit den Impfstoffen von Moderna und Pfizer ähnlich hoch sei wie bei Astrazeneca. 

Danach kommt ein britischer Berater namens Anthony Webber zu Wort und erklärt (laut der spanischen Übersetzung im Video): „Jetzt“ (also im April 2021) sei seiner Ansicht nach der richtige Zeitpunkt, um die Impfungen zu stoppen und abzuwarten, ob unerwünschte Nebenwirkungen auftreten. Ohne sich auf ein konkretes Land zu beziehen, behauptet Webber, die Impfstoffe seien bis 2023 nur „experimentell“ zugelassen.

Zum Verständnis: Im März 2021 wurde über mehrere Fälle von Thrombosen nach Impfungen mit dem Corona-Impfstoff von Astrazeneca in verschiedenen Ländern berichtet. Bei Thrombosen können Blutgefäße durch ein Blutgerinnsel verstopfen. Manche Länder setzten daraufhin die Impfungen mit diesem Impfstoff vorübergehend aus, darunter auch Deutschland

Anthony Webber bei RT Spanisch
Der Sender blendet einen Interviewausschnitt mit Anthony Webber ein. „Analista“ bedeutet übersetzt Analytiker. (Quelle: RT / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Oxford-Studie: Risiko für Thrombosen ist nach einer SARS-CoV-2-Infektion wesentlich höher als nach einer Impfung

In der Studie der Universität Oxford, um die es im Video von RT geht, beschäftigten sich Forschende mit der Frage, wie hoch das Risiko einer Hirnvenenthrombose (CVT) oder einer Pfortaderthrombose (PVT, in einer Vene, die zur Leber führt) bei einer Covid-19-Erkrankung im Vergleich zum Risiko nach einer Corona-Impfung ist. Dafür wurden Gesundheitsdaten von mehr als 500.000 Covid-19-Infizierten, vor allem aus den USA, mit Daten von mehr als 300.000 Menschen verglichen, die mit dem Moderna- oder Pfizer-Impfstoff geimpft wurden. 

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass das Thromboserisiko (für CVT und PVT) nach einer Covid-19-Diagnose „signifikant höher“ sei als bei Personen, die einen der beiden mRNA-Impfstoffe erhielten. Den Impfstoff von Astrazeneca konnten die Forschenden nicht überprüfen, da dieser in den USA nicht verwendet wurde. 

Die Universität Oxford hat ebenfalls im April eine Pressemitteilung zu der Studie herausgegeben, in der dieser Vergleich gezogen wird. Darin steht, dass Hirnvenenthrombosen nach den Impfungen mit Moderna oder Pfizer bei etwa vier von einer Million geimpften Menschen vorkämen. Bei Astrazeneca liege die Quote bei etwa fünf von einer Million. Im Vergleich dazu ist das Risiko nach einer Covid-19-Infektion zehnmal beziehungsweise achtmal höher. Diese Zahlen zitiert RT nicht in dem Video, aber in einem Artikel zum Thema. Was RT allerdings auch dort nicht erwähnt: Die Angaben zum Impfstoff von Astrazeneca stammten aus der europäischen EMA-Datenbank. Diese erfasst lediglich Verdachtsfälle von Nebenwirkungen, wie wir bereits im April berichteten

Auch in Deutschland kein Hinweis, dass es mehr Thrombosen nach Impfungen mit Moderna- oder Pfizer/Biontech-Impfstoffen gibt

In dem kurzen Video, das in Sozialen Netzwerken kursiert, fehlt dieser ganze Kontext. Der Bezug zu Argentinien ist erfunden oder ein Missverständnis durch eine falsche Übersetzung aus dem Spanischen. 

Daten aus Deutschland weisen nicht auf eine Zunahme von Thrombosen nach Impfungen mit Moderna- oder Pfizer/Biontech-Impfstoffen hin. Den Daten im aktuellen Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), das für die Zulassung von Impfstoffen in Deutschland zuständig ist, ist nichts dergleichen zu entnehmen. Es seien zwar nach Impfungen mit dem Astrazeneca-Impfstoff in Deutschland bis zum 30. September mehr Sinusvenenthrombosen (Hirnvenenthrombosen) gemeldet worden als statistisch zu erwarten wären. Aber bei allen anderen Impfstoffen (von Biontech/Pfizer, Moderna, Johnson & Johnson) sei hier kein „Risikosignal“ sichtbar. 

Redigatur: Alice Echtermann, Tania Röttger

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Informationsseite der argentinischen Regierung zu den eingesetzten Corona-Impfstoffen, zuletzt geändert und archiviert am: 8. April 2021 (Link), 23. August 2021 (Link), 28. Oktober 2021 (Link)
  • Amtliche Genehmigung für den Impfstoff von Biontech/Pfizer am 22. Dezember 2020: Link
  • Studie der Universität Oxford, „Cerebral venous thrombosis and portal vein thrombosis: a retrospective cohort study of 537,913 Covid-19 cases“ (aktualisierte Fassung): Link
  • Pressemitteilung der Universität Oxford zur Studie vom 15. April 2021: Link
  • Sicherheitsbericht für Deutschland vom Paul-Ehrlich-Institut vom 26. Oktober 2021 (inklusive Daten bis 30. September 2021): Link