Faktencheck

Nein, Studien zeigen nicht, dass eine höhere Impfquote zu mehr Todesfällen führt

Der österreichische „Wochenblick“ behauptet, Studien würden belegen, dass mehr Impfungen zu mehr Todesfällen führen würden. Das stimmt nicht.

von Matthias Bau

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Anders als im Netz behauptet, gibt es keine Hinweise darauf, dass Impfungen zu mehr Todesfällen führen. Im Gegenteil: Daten zeigen, dass es trotz einer größeren Anzahl von Neuinfektionen als im Vorjahr zu keinem gleichermaßen starken Anstieg bei den Todesfällen durch Covid-19 kommt. (Symbolbild: Pexels / Lara)
Behauptung
Studien zeigten, dass eine höhere Impfquoten zu einer höheren Sterblichkeit führe.
Bewertung
Falsch. Die herangezogenen Studien zeigen nicht, dass mehr Impfungen zu mehr Todesfällen führen.

Am 14. Dezember veröffentlichte der österreichische Wochenblick (hier) einen Artikel mit der Überschrift „Schock-Studien: Höhere Impfquoten führen zu höherer Sterblichkeit“. Doch die angeblichen Belege, die im Text genannt werden, beweisen nicht, dass es angeblich einen Zusammenhang zwischen Impfquote und Sterblichkeit gibt. 

Infektion mit Covid-19 ist durch eine Impfung nicht ausgeschlossen

Zunächst bezieht sich der Artikel des Wochenblick auf eine Studie, die am 30. September im European Journal of Epidemiology veröffentlicht wurde und Daten aus 68 Ländern und 2947 Landkreisen in den USA untersucht. Sie habe festgestellt, so wird behauptet, „dass die Zahl der Corona-Infektionen mit der Höhe der Impfrate sogar ansteige“. Das steht aber nicht in der Studie. 

Eines der Ergebnisse der Studie gibt der Wochenblick korrekt wieder: Die Forscher stellten fest, dass es „keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen dem Anteil der vollständig geimpften Bevölkerung und der Zahl der Neuinfektionen mit Covid-19 innerhalb von sieben Tagen“ zu geben scheine. Das wird am Beispiel verschiedener Länder (Israel, Portugal, Island) verdeutlicht. Davon, dass eine höhere Impfquote zu mehr Infektionen führe, ist in der Studie jedoch nichts zu lesen. 

Wie wir bereits in mehreren Faktenchecks berichtet habe, schützen Impfungen wirksam vor schweren Covid-19-Verläufen. Da die Wirksamkeit der Impfstoffe mit der Zeit nachlässt, wird eine Auffrischungsimpfung empfohlen wird, wie wir in einem Faktencheck vom 12. November berichtet haben. Daten der Johns-Hopkins-Universität für Deutschland deuten zudem darauf hin, dass es trotz einer größeren Anzahl an Infektionen mit Covid-19 als noch im letzten Jahr keinen gleichermaßen starken Anstieg der Todesfälle gibt.

Oben: Die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland seit Pandemiebeginn. In der Mitte: Die Zahl der Todesfälle. Unten: Die Anzahl der verabreichten Impfdosen. Trotz höherer Fallzahlen als im Vorjahr steigt die Zahl der Todesfälle nicht gleichermaßen an.
Oben: Die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland seit Pandemiebeginn. In der Mitte: Die Zahl der Todesfälle. Unten: Die Anzahl der verabreichten Impfdosen. Trotz höherer Fallzahlen als im Vorjahr steigt die Zahl der Todesfälle nicht gleichermaßen an. (Quelle: Johns-Hopkins-Universität / Screenshot vom 20. Dezember und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)

Wissenschaftler stellten keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Impfung und Sterberate fest

Als weiteren Beleg für die Behauptung, dass eine hohe Impfquote zu einer höheren Sterblichkeit führe, zieht der Wochenblick eine Analyse heran, die von den Psychologen Rolf Steyer und Gregor Kappler für die Abgeordnete des Thüringer Landtages, Ute Bergner, durchgeführt wurde. Bergner hatte die Studienergebnisse am 17. November im Thüringer Landtag vorgestellt. Wir haben uns mit der angeblichen „Studie“ bereits am 7. Dezember in einem Faktencheck auseinandergesetzt. 

Die Arbeit, trägt den Titel: „Je höher die Impfquote, desto höher die Übersterblichkeit“ und ist drei Seiten lang. Darin haben die Forscher für die Kalenderwochen 36 bis 40 (6. September bis 10. Oktober) untersucht, ob es in den einzelnen Bundesländern einen statistischen Zusammenhang zwischen der Impfquote und der zu diesem Zeitpunkt registrierten Übersterblichkeit gab. Es wurde also nicht untersucht, ob eine hohe Impfquote die Ursache für eine erhöhte Sterblichkeit ist, sondern lediglich, ob die beiden Faktoren in irgendeiner Weise zusammenhängen könnten.

In einer Stellungnahme schreiben die Autoren, bei ihrer Arbeit handele sich nicht um eine fundierte wissenschaftliche Studie, sondern lediglich um eine Notiz. Die Arbeit zeige nicht, dass es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Impfquote und der Sterberate gebe: „Unsere Notiz beweist keineswegs, dass eine erhöhte Impfquote zu einer erhöhten Sterbewahrscheinlichkeit führt.“ Weiter schreiben sie: Schon für die Kalenderwoche 41 sei der angebliche Zusammenhang „nahezu gleich null“. Es gebe viele Gründe, „welche die gefundene positive Korrelation erklären könnten, ohne einen negativen Effekt der Impfquote auf die Übersterblichkeit zu implizieren“.

In einer Pressemitteilung vom 9. Dezember schreibt das Statistische Bundesamt: „Die Corona-Wellen haben in Deutschland zu einer Übersterblichkeit geführt.“ In Deutschland seien zwischen März 2020 und November 2021 mehr Menschen gestorben, als zu erwarten gewesen wäre, auch wenn man die Alterung der Bevölkerung in die Berechnungen mit einbeziehe. 

Über Falschbehauptungen des Wochenblick haben wir in der Vergangenheit bereits mehrfach berichtet (zum Beispiel hier und hier). In einem ausführlichen Hintergrundbericht haben wir analysiert, wie das Medium versuchte, die diesjährige Bundestagswahl durch gezielte Falschinformationen zu beeinflussen.

Redigatur: Steffen Kutzner, Till Eckert

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Studie zum Zusammenhang von Impfquote und Covid-19-Neuinfektionen im European Journal of Epidemiology „Increases in COVID-19 are unrelated to levels of vaccination across 68 countries and 2947 counties in the United States“: Link
  • Arbeit von Rolf Steyer und Gregor Kappler „Je höher die Impfquote, desto höher die Übersterblichkeit“: Link
  • Stellungnahme von Rolf Steyer und Gregor Kappler: Link
  • Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 9. Dezember 2021: Link