Faktencheck

Nein, in Ottawa wurden keine Menschen durch Polizeipferde totgetrampelt

Nach Zusammenstößen von Demonstranten mit der Polizei in der kanadischen Hauptstadt Ottawa am Freitag geht ein Gerücht viral: Eine Frau und ein Mann seien von Polizisten auf Pferden niedergeritten worden und gestorben. Das ist falsch. Allerdings wurde die Frau bei dem Vorfall verletzt. 

von Alice Echtermann

Polizeipferde in Ottawa
In Ottawa wurden Polizeipferde bei Demonstrationen eingesetzt (Foto vom 19. Februar 2022: Picture Alliance / Justin Tang / Zumapress)
Behauptung
Eine Frau und ein Mann seien in Ottawa am 18. Februar durch Polizeipferde zu Tode getrampelt worden.  
Bewertung
Falsch. Bei dem Polizeieinsatz mit Pferden sind keine Menschen gestorben. Die Frau, die im Video zu Boden stürzte, wurde jedoch Berichten zufolge wegen einer Verletzung im Krankenhaus behandelt.     

Am Freitag, 18. Februar, kam es in Kanadas Hauptstadt Ottawa laut Medienberichten zu Zusammenstößen zwischen Gegnern der Corona-Maßnahmen und der Polizei. Wochenlang hatten die Demonstrierenden in der Stadt Straßen blockiert, am vergangenen Freitag begann die Polizei mit der Räumung. Anschließend verbreiteten sich Gerüchte in Sozialen Netzwerken, es seien zwei Menschen von Polizeipferden zu Tode getrampelt worden. 

Videos, die auf Twitter und Youtube kursieren, zeigen, dass Polizistinnen und Polizisten auf Pferden durch eine Menschenmenge reiten. Zwei Personen kollidieren mit einem Pferd und stürzen zu Boden: ein Mann mit einer braunen Jacke und eine Frau mit einer roten Jacke. Ein Pferd springt über sie hinweg. 

Nach diesem Vorfall verbreitete sich in Sozialen Netzwerken zunächst auf Englisch die falsche Behauptung, beide Menschen seien gestorben. In einem Video, das am 19. Februar auf Youtube hochgeladen wurde, sagt ein Mann, der vor Ort gewesen sein soll, dass zwei Menschen gestorben seien, nachdem sie von den Polizeipferden niedergetrampelt wurden – eine „ältere Frau“ sei im Krankenhaus gestorben, ein Mann habe nach dem Vorfall einen Herzanfall erlitten. 

Am 20. Januar griff die deutsche Bloggerin Samira Kley den Vorfall auf und schrieb auf Twitter: „Der Mann, der in Kanada von einem Polizeipferd niedergetrampelt wurde, ist tot.“ Ihr Beitrag wurde mehr als 1.300 Mal geteilt. 

Die Polizei Ottawa stellte jedoch klar, dass niemand gestorben sei – und es gibt Aufnahmen, die die angeblich verstorbene Frau nach dem Vorfall zeigen. 

So verbreitete sich die Falschinformation, in Ottawa seien Menschen durch Polizeipferde zu Tode getrampelt worden

Das Gerücht, die Frau sei im Krankenhaus gestorben, wurde vor allem durch die amerikanische Journalistin Sarah Carter befeuert, die für Fox News arbeitet. Carter entschuldigte sich inzwischen auf Twitter für die Verbreitung falscher Informationen.  

Die Polizei Ottawa erklärte bereits am Abend des 18. Februar (Ortszeit) auf Twitter, man wisse nichts von Verletzungen. Alle gestürzten Personen seien wieder aufgestanden und fortgegangen. Kurze Zeit später ergänzte sie, niemand sei schwer verletzt worden oder infolge des Polizeieinsatzes gestorben. 

Auch kanadische Medien (hier und hier) berichteten darüber. CTV News aus Ottawa schrieb, dass Sanitäter keine Todesfälle verzeichnet hätten – es seien an dem Tag 18 Personen mit nicht-lebensgefährlichen Verletzungen in Krankenhäuser gebracht worden. 

Tweet der Polizei Ottawa zu den Gerüchten über die Todesfälle (veröffentlicht am 18. Februar spät abends nach Ortszeit in Kanada) (Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Das Gerücht über den angeblichen Tod der gestürzten Frau verselbstständigte sich jedoch im Internet. Am 19. und 20. Februar erschienen englischsprachige Blog-Artikel (hier und hier), in denen behauptet wurde, ihr Name sei Roberta Paulsen. Auch das stimmt nicht. 

Die Frau wurde bei dem Sturz verletzt

Es kursieren Videos im Netz, die die Frau nach dem Vorfall zeigen – auf Twitter wurde am 20. Februar ein Foto von ihr im Krankenhaus verbreitet. Außerdem sieht man in einem Youtube-Video einen Bildausschnitt, wie sie nach dem Sturz weggeht. Auch in dem ursprünglich geteilten Twitter-Video ist zu erkennen, dass sich die Frau kurz nach dem Sturz wieder aufrichtet und ein Polizist sich zu ihr herunter beugt.

Youtube-Video mit Richtigstellung
Youtube-Video, in dem klargestellt wird, dass die Frau nicht gestorben sei. Zu erkennen ist sie an ihrer roten Jacke mit den schwarzen Schulter-Teilen und der schwarzen Kapuze. (Quelle: Youtube; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

In den Beiträgen wird der mutmaßlich richtige Name der Frau genannt: Candice Sero. Das Krankenhaus-Foto wurde von einer Frau, die angibt, die Nichte der Betroffenen zu sein, auf Facebook veröffentlicht. Es existieren auch Aufnahmen von ihr, die offenbar vor dem Vorfall entstanden sind – sie trägt darauf dieselbe Kleidung: eine rote Jacke mit schwarzen Schulter-Teilen und darunter einen schwarzen Kapuzenpullover mit weißer Schrift. 

Candice Sero in einem Youtube-Video
Aufnahme von der Frau, die vor dem Vorfall entstanden ist (Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Eine Untersuchung des Polizeieinsatzes wurde eingeleitet

Die Verletzung der Frau wird von der „Special Investigations Unit Ontario“ (SIU) untersucht, wie diese auf Twitter bekannt gab. Die SIU ist eine zivilgesellschaftliche Organisation, die sich mit Fällen von mutmaßlicher Polizeigewalt beschäftigt. In einer Pressemitteilung schrieb sie am 20. Februar, nach ersten Informationen sei es am Freitagnachmittag zu einem Zusammenstoß zwischen einem Polizeibeamten auf einem Pferd und einer 49-jährigen Frau gekommen. Die Frau habe eine gemeldete schwere Verletzung. Auf Twitter heißt es, die Schulter der Frau sei ausgerenkt worden. 

In einer Videoaufnahme ist zu sehen, dass auch der Mann, der vor dem Pferd zu Boden stürzte, sich danach aufrichtete. Wir haben bei der Polizei Ottawa nachgefragt, was über den Mann bekannt ist. Doch die Pressestelle teilte uns mit, es sei der Polizei nicht gestattet, den Vorfall zu kommentieren, nach dem eine Untersuchung durch die SIU eingeleitet wurde. Unsere Anfrage bei der Pressesprecherin der SIU blieb bisher unbeantwortet.

Redigatur: Sophie Timmermann, Matthias Bau 

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Video von dem Vorfall in Ottawa am 18. Februar 2022 auf Twitter: Link
  • Weiteres Video von dem Vorfall auf Youtube: Link
  • Foto der Frau im Krankenhaus auf Facebook: Link (archiviert)
  • Pressemitteilung der Special Investigations Unit Ontario vom 20. Februar 2022: Link (archiviert)
  • Bericht von CTV News: Link