Faktencheck

Nein, TV-Sender haben ein veraltetes Raketenfoto aus der Ukraine nicht im falschen Kontext gezeigt

Mit einer Collage vermeintlicher TV-Mitschnitte wird drei Sendern verzerrte Berichterstattung vorgeworfen – zu Unrecht. Denn die Collage ist nicht nur mehrere Jahre alt, die Bilder sind zudem manipuliert.

von Caroline Lindekamp

Faktencheck-Collage Rakete Ostaukraine
Eine Collage zeigt die vermeintliche Berichterstattung von drei Fernsehsendern, die für Nachrichten aus unterschiedlichen Nachrichten angeblich dasselbe Foto verwenden haben sollen. Das stimmt jedoch nicht. (Quelle: Facebook; Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Drei TV-Sender hätten dasselbe Bild einer Rakete verwendet, aber unterschiedliche Angaben dazu gemacht, wo das Bild entstanden sei.
Bewertung
Manipuliert. Die Collage kursiert seit 2014. Die TV-Sender haben das Material so nie ausgestrahlt. Die Bilder sind gefälscht.

Im April kursierte auf Facebook eine Fotocollage von drei angeblichen Fernsehberichten über einen Raketenangriff. Es wird behauptet, die Sender hätten dasselbe Bild für Berichte aus verschiedenen Ländern verwendet. Mal hätten sie es als „russische Bombe in der Ukraine“, mal als „ukrainische Bombe in Russland“ oder als „israelischen Bombe in Gaza“ bezeichnet. Der TV-Sender ganz links in der Collage ist ukrainisch, der in der Mitte russisch, und auf der rechten Seite ist der arabische Sender Al-Jazeera. Die Collage soll offenbar zeigen, dass Medien verzerrt und falsch berichteten. 

Die Gratis-Wochenzeitung Südthüringer Rundschau aus dem Landkreis Hildburghausen hat die Collage als sogenannten Netzfund in ihrer Ausgabe vom 20. April 2022 abgedruckt. Das Foto der Zeitung wurde mehrfach auf Facebook geteilt und fand auf TikTok als Video rund 7.000 Zuschauer. Zudem kursierte das Bild in Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Ukraine offenbar auch in Tschechien.

Unsere Recherche zeigt: Die Collage enthält manipulierte Bilder; die TV-Sender strahlten die Aufnahme der Rakete nie so aus, wie behauptet.

Die manipulierte Collage war bereits 2014 in Umlauf, jetzt kursiert sie erneut. Auch ein Foto der Südthüringer Rundschau, die die Collage am 20. April 2022 veröffentlicht hatte, wurde in den Sozialen Netzwerken geteilt. (Quelle: Facebook; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Das Originalbild entstand 2014 in der Ostukraine

Über eine Google-Bilderrückwärtssuche fanden wir mehrere Medienberichte, wonach die Collage mit den Logos der TV-Sender Kanal 5 in der Ukraine, Rossija 24 in Russland und des Nachrichtensenders Al-Jazeera bereits im Jahr 2014 auftauchte. 

Schon damals stellte sich die Frage nach der Herkunft der Originalaufnahme. Ein Foto der Nachrichtenagentur Reuters von September 2014 zeigt: Es handelt sich um eine Aufnahme aus dem ostukrainischen Dorf Dmytrivka. Sie ist zwar aus einer anderen Perspektive aufgenommen, doch etwa der Riss in dem Fahrzeug und die Position der Rakete stimmen überein.

Ein Foto der Nachrichtenagentur Reuters liefert Informationen zur Herkunft des Bildes aus dem Jahr 2014 in der Ostukraine (Quelle: Reuters und Facebook; Screenshots und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Eine weitere Bilderrückwärtssuche liefert zudem mehrere Schnappschüsse von Personen, die neben der Rakete und dem Militärfahrzeug posieren, und die ebenfalls im Jahr 2014 veröffentlicht wurden. Weder das Foto der Rakete noch die Bildmontage sind also aktuell. Stattdessen kursieren sie seit mehr als sieben Jahren im Netz. 

TV-Sender strahlen ihr Programm nicht im Hochformat aus 

Wir fanden keine Belege, dass die TV-Sender die Bilder so ausgestrahlt haben, wie auf Facebook behauptet. Bei genauer Betrachtung der Montage fallen mehrere Ungereimtheiten auf. 

Zunächst der Zuschnitt der Bilder: Im Gegensatz zu der Collage spielen die drei Sender ihr Programm nicht im Hoch- sondern im Querformat aus. Zwar greifen sie in ihrer Berichterstattung durchaus auch auf schmalere Formate zurück, doch damit ändert sich nicht die Positionierung ihrer Logos oder die Breite der Bildunterschriften.

Wenn beispielsweise Al-Jazeera hochformatige Fotos einblendet, erscheinen diese mittig im Bildschirm mit Freiraum zu beiden Seiten. Das Logo bleibt hingegen in der linken unteren Ecke, sodass es sich mit dem Bild – anders als in der fraglichen Collage – nicht überschneidet:

Al-Jazeera nutzt für seine zweizeiligen Bildunterschriften inzwischen einen weiß-roten Hintergrund und zentriert hochformatiges Bildmaterial, wie zwei Screenshots der aktuellen Berichterstattung zeigen. Die Fälschung rechts hat wenig mit der Orginalaufmachung des Senders gemeinsam. (Quelle: Al-Jazeera am 20. Mai und Al-Jazeera am 19. Mai / Screenshots und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Die Senderlogos sind veraltet und an falscher Stelle

In der manipulierten Collage ist neben dem Logo auch die Bildunterschrift zentriert. Wegen des falschen Formats läuft der kurze Text bei Al-Jazeera daher in der Fälschung über drei statt wie in der Originalberichterstattung über zwei Zeilen. Zudem ist er orange hinterlegt, während der Sender die Texteinblendungen mittlerweile in Grau und Rot hervorhebt. Offensichtlich ist das Bild veraltet und zeigt keinen tatsächlichen Mitschnitt von Al-Jazeera.

Ein Abgleich mit aktueller Berichterstattung des ukrainischen Kanal 5 offenbart ähnliche Fehler. Weder die Positionierung des Logos links neben der Bildunterschrift noch die Farben von Bildunterschrift und Logo stimmen mit dem Original überein. Ein weiteres verdächtiges Detail: Kanal 5 blendet zwar die Uhrzeit ein, allerdings nicht auf die Sekunde genau wie in der manipulierten Collage.

Ein Vergleich von einer aktuellen Ausstrahlung des ukrainischen TV-Sender Kanal 5 und der gefälschten Collage offenbart einige Fehler – von der Zeitangabe über Logo bis hin zum Format. (Quelle: Kanal 5 am 19. Mai / Facebook; Screenshots und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Mit der offensichtlich manipulierten Collage soll die Berichterstattung der Medien diskreditiert werden. Auf die Fälschung sind Facebook-User bereits vor sieben Jahr hereingefallen, und auch zuletzt wurden sie so in die Irre geführt. Dabei wird bei einem Vergleich mit der tatsächlichen Berichterstattung der betroffenen Sender schnell klar: Es handelt sich nicht um Originalmitschnitte des jeweiligen TV-Programms, sondern um Fälschungen. 

Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.

Redigatur: Matthias Bau, Alice Echtermann

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Ein Foto der Nachrichtenagentur Reuters belegt die Herkunft des Fotos in der Ostukraine: Link
  • Ein Blick in die aktuellen Live-Streams der TV-Sender Kanal 5 und Al-Jazeera offenbart die Fehler in der manipulierten Collage: Link und Link
  • Schon im Jahr 2014 kursierte das gefälschte Bild und wurde von Journalisten analysiert – etwa in der NZZ: Link