Faktencheck

Falsche Untertitel: In diesem japanischen Video geht es nicht um Deutschlands Bevölkerung, sondern um Kernkraft und China

In Sozialen Netzwerken verbreitet sich ein Video aus Japan mit gefälschten deutschen Untertiteln. Deutschland wolle angeblich seine eigene Bevölkerung „entsorgen“, heißt es darin. Darum geht es in dem Video aber gar nicht, sondern um Kernkraft und Nuklearwaffen in Japan und China.

von Sarah Thust

Video aus Japan
Die Untertitel in diesem Video aus Japan sind erfunden – es zeigt ein Gespräch über Kernkraft und Radioaktivität (Quelle: Facebook; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Ein Video zeige, wie in Japan über das Verhalten der Deutschen berichtet werde.
Bewertung
Manipuliert. Dem japanischen Ton im Video wurden erfundene deutsche Untertitel und Bilder aus Deutschland hinzugefügt, die im Original nicht zu sehen sind. In dem Interview ging es nicht um Deutschland, sondern um Japans Umgang mit Kernkraft. Es kursiert seit 2012.

„Kann von euch jemand Japanisch?“, fragte ein Nutzer am 15. Juni auf Facebook. Dazu veröffentlichte er – wie viele andere Facebook-Profile – ein knapp vierminütiges Interview auf Japanisch mit deutschen Untertiteln. Darin stellt laut Untertitel angeblich ein Journalist sein Buch über Deutschland mit dem Titel „Der Selbstmordpakt“ vor. In dem Buch soll es darum gehen, „wie das deutsche Volk sich selbst entsorgt“. 

Das Video bedient das Narrativ der rechten Szene in Deutschland, die deutsche Bevölkerung werde durch Menschen aus anderen Ländern „ausgetauscht“. Der Clip mit den gefälschten Untertiteln verbreitet sich seit Jahren immer wieder, mindestens seit 2012

Die Untertitel sind frei erfunden: Die Moderatorin und der Mann im Video redeten über das Kernkraftwerk in Fukushima und spekulierten damals über ein angebliches Nuklearwaffen-Versteck von China; von Deutschland ist keine Rede. 

In der manipulierten Version ist außerdem ein Abschnitt über die Steuerpolitik des damaligen japanischen Premierministers zu hören, der von einer anderen Sprecherin gesprochen wird. Dazu werden angebliche Bilder aus Deutschland eingeblendet, die in der Originalsendung nicht zu sehen waren.

Die japanischen Begriffe für „Deutschland“ oder „Deutsche“ kommen im gesamten Video nicht vor 

Wir haben das Gespräch im Video zunächst mithilfe der Transkriptionssoftware Trint transkribieren lassen und den japanischen Text anschließend mit Google Translate übersetzt. Die Übersetzungen sind nicht optimal, doch fest steht: Die Worte „Deutschland“ oder „Deutsche“ kommen im gesamten Video nicht vor – stattdessen geht es um Kernkraft in Japan und China. Es handelt sich um ein TV-Programm der japanischen Partei Happiness Realization Party. Der Mann, der interviewt wird, ist zudem kein Journalist, sondern Leiter des Verlagsbüros der Partei. 

Der Inhalt des Videos ist völlig anders, wie der folgende Textstellenvergleich zeigt. Links sind die erfundenen Untertitel zu sehen, rechts die deutsche Übersetzung des japanischen Transkripts via Google Translate. 

Die linke Spalte der Tabelle zeigt einige Auszüge der falschen deutschen Untertitel im Video, die rechte Spalte zeigt eine grobe Übersetzung des tatsächlich Gesagten
Die linke Spalte der Tabelle zeigt einige Auszüge der falschen deutschen Untertitel im Video, die rechte Spalte zeigt eine grobe Übersetzung des tatsächlich Gesagten (Tabelle und Markierungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Zu denselben Ergebnissen kamen auch die Faktenchecker von Mimikama und der AFP. Journalisten des AFP-Büros in Tokio übersetzten den auf Facebook geteilten Ausschnitt. Darin werde von einer angeblich unter der Erde gelegenen Nuklearwaffenbasis Chinas gesprochen.

Das Original-Video stammt aus dem Jahr 2011 und ist etwa 50 Minuten lang. Es ist auf dem Youtube-Kanal der japanischen Happiness Realization Party zu finden. Aus der Beschreibung des Videos geht hervor, dass es um die Gefahr von Radioaktivität durch das Kernkraftwerk in Fukushima geht. 

Es werden Fotos aus Deutschland eingeblendet, die im Original-Video aus Japan überhaupt nicht vorkommen

Die Untertitel sind nicht das Einzige, was an dem Clip manipuliert wurde. Ab Minute 1:32 werden unter anderem Bilder von deutschen Fußballern und schwarzen Menschen eingeblendet. Dieser Abschnitt ist in dem Original-Video nicht zu finden. Einige der eingeblendeten Fotos stammen nicht einmal aus Deutschland, wie die Untertitel suggerieren, sondern aus London und eins aus Kenia

Falsche Fotos im Video verwendet
Diese Bilder werden in dem Video eingeblendet – sie sind in dem Originalvideo jedoch nicht zu finden. Einige Aufnahmen (rechts) stammen zudem gar nicht aus Deutschland. (Quelle: Facebook; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Zudem ist in dem betreffenden Abschnitt eine andere Sprecherin zu hören, die über ein völlig anderes Thema spricht: die Steuerpolitik des damaligen japanischen Premierministers Yoshihiko Noda. 

Redigatur:  Sophie Timmermann, Steffen Kutzner