Faktencheck

Beiträge im Netz bringen Mord an Shinzo Abe fälschlich mit Covid-19-Politik in Verbindung

Nach der Ermordung des ehemaligen japanischen Premierministers Shinzo Abe bringen Beiträge in Sozialen Netzwerken seinen Tod mit seinem angeblichen politischen Umgang mit der Covid-19-Pandemie in Verbindung. Abe war jedoch nicht mehr im Amt, als die Impfkampagne in Japan anlief.

von Sophie Timmermann

Former PM Shinzo Abe speaks about current world situation
Der ehemalige japanische Premierminister Shinzo Abe starb Anfang Juli nach einem Attentat (Bild von Dezember 2021: Picture Alliance / Associated Press / Kunihiko Miura)
Behauptung
Der ermordete japanische Premierminister Shinzo Abe habe die Anweisungen des WEF nicht befolgt. Er habe keine Impfstoffe vorgeschrieben, 1,6 Millionen Impfdosen zurückgeschickt und den Bürgern Ivermectin gegeben. Es wird ein Zusammenhang mit dem Attentat auf Abe suggeriert.
Bewertung
Größtenteils falsch
Über diese Bewertung
Größtenteils falsch. Abe war nicht mehr Premierminister, als Japans Impfkampagne gegen Covid-19 begann. Dass die Impfung in Japan nicht Pflicht ist, geht auf eine Gesetzesänderung vor fast 30 Jahren zurück. Im August 2021, ein Jahr nach Abes Rücktritt, sendete das japanische Gesundheitsministerium Chargen des Moderna-Impfstoffes zurück, nachdem darin Verunreinigungen festgestellt wurden. Die japanische Regierung hat Ivermectin nicht als Mittel gegen Covid-19 zugelassen.

Auf Facebook und Telegram wird ein Bild des ehemaligen japanischen Premierministers Shinzo Abe mit einem englischsprachigen Text verbreitet. Dieser besagt: „Der ermordete japanische Premierminister hat die Anweisungen des WEF nicht befolgt. Er hat keine Impfstoffe vorgeschrieben, 1,6 Millionen Dosen zurückgegeben und Bürgern Ivermectin gegeben. Macht Sinn.“ Das Bild suggeriert, dass Shinzo Abes Tod mit seinem politischen Umgang mit Covid-19 zusammenhänge. 

Abe verstarb am 8. Juli, kurz nachdem ein Mann auf einer Veranstaltung auf ihn geschossen hatte. Kurze Zeit später verbreiteten sich online die ersten Beiträge mit dem Bild. Doch die Behauptungen sind entweder falsch oder betreffen politische Entscheidungen, die nach Abes Amtzeit getroffen wurden und auch nicht in die Entscheidungsgewalt des Premierministers fallen.

Telegram-Beitrag zu Abe
International verbreitet sich das Bild, das Abes Tod fälschlich mit Covid-19-Vorschriften in Verbindung setzt (Quelle: Telegram; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Abe war nicht mehr Premierminister, als in Japan die Impfkampagne anlief

Unklar ist, was mit der Aussage gemeint ist, Abe habe die Anweisungen des Weltwirtschaftsforums (WEF) nicht befolgt. Das WEF war in der Vergangenheit immer wieder Gegenstand von Verschwörungserzählungen, gibt aber keine Impfempfehlungen, oder impfbezogene Anweisungen an Staaten. 

Die Behauptung, Abe habe die Impfung nicht verpflichtend gemacht, ergibt zeitlich keinen Sinn. Abe trat aus Gesundheitsgründen Ende August 2020 als Premierminister zurück. Erst ein halbes Jahr später, im Februar 2021, startete das Land mit einer Impfkampagne gegen Covid-19 unter Abes damaligem Nachfolger Yoshihide Suga. 

Es stimmt, dass es in Japan keine Impfpflicht gibt. Dies geht jedoch auf eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 1994 zurück, die die allgemeine Impfpflicht in dem Land beendete. Daten der japanischen Regierung zufolge sind aktuell 80,9 Prozent der japanischen Bevölkerung zweimal geimpft. 

In Japan wurden im August 2021 verunreinigte Impfdosen von Moderna entdeckt und zurückgeschickt

Es stimmt, dass Japan im letzten Jahr 1,6 Millionen Impfdosen zurückgab. Dies geschah jedoch ein knappes Jahr nach Abes Rücktritt. Der Kontext: Ende August 2021 wurden verunreinigte Ampullen in Chargen des Impfstoffes von Moderna gefunden. Daraufhin sendete das japanische Gesundheitsministerium die Impfstoff-Dosen zurück. Wie Reuters berichtete, untersuchte das Gesundheitsministerium in diesem Zusammenhang den Tod zweier Männer, die kurz zuvor eine Impfung mit dem Moderna-Impfstoff bekommen hatten. 

Japan hat Ivermectin nicht gegen Covid-19 eingesetzt

Bereits im Oktober 2021 kursierte im Netz die Behauptung, Japan habe angeblich Ivermectin zur Behandlung von Covid-19 zugelassen. Wir wir in einem Faktencheck im November 2021 berichteten, stimmt das nicht. Die japanische Behörde für Arzneimittel und Medizinprodukte führt Ivermectin weiterhin nicht als zugelassenes Arzneimittel im Kampf gegen Covid-19 auf. 

Ivermectin ist ein Medikament, das zwar auch vereinzelt gegen Parasiten beim Menschen eingesetzt wird, vor allem aber als Entwurmungsmittel bei Pferden und Kühen bekannt ist. In den USA und in Deutschland verbreitet sich seit Monaten die Behauptung, Ivermectin könne eine Covid-19-Infektion verhindern oder heilen. Dafür gibt es keine Belege.

The Japan Times berichtete zum Motiv des Täters, er habe aus Wut über Abes vermeintliche Verbindungen zur konservativen „Vereinigungskirche“ gehandelt. Die Kirche habe nach Aussage des Täters seine Mutter, die Mitglied ist, in eine finanzielle Misslage gebracht. 

Redigatur: Steffen Kutzner, Viktor Marinov

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Informationen zur Impfung gegen Covid-19, japanisches Gesundheitsministerium: Link (Englisch) 
  • Entwicklung der Impfpolitik in Japan, Gesundheitsministerium: Link (Englisch)
  • Zugelassene Mittel zur Bekämpfung von Covid-19 in Japan, japanische Behörde für Arzneimittel und Medizinprodukte: Link (Englisch)
  • Zahlen und Daten zum Impffortschritt in Japan, Büro des Premierministers: Link (archiviert, Japanisch)