Faktencheck

Keine Belege für angebliches Zitat von Schriftsteller Theodor Körner

In Sozialen Netzwerken wird dem Schriftsteller Theodor Körner ein Zitat zugeschrieben, das sich gegen die „feigen Gestalten da oben“ richtet. Doch es gibt keine Belege, dass Körner sich so äußerte.

von Paulina Thom

Gemälde von Theodor Körner
Gemälde des aufgebahrten Schriftstellers Theodor Körner, der während der Napoleonischen Kriege 1813 jung starb (Quelle: Picture Alliance / Heritage Images / The Print Collector)
Behauptung
Theodor Körner habe geschrieben oder gesagt: „Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten, vom Feinde bezahlt und dem Volke zum Spott. Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten, dann richtet das Volk und es gnade euch Gott.“
Bewertung
Falsch. Es gibt keine Belege, dass sich Theodor Körner so geäußert hat. In fast gleichem Wortlaut findet sich die Aussage aber in einem Gedicht der rechtsextremen Schriftstellerin Renate Schütte.

„Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten, vom Feinde bezahlt und dem Volke zum Spott. Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten, dann richtet das Volk und es gnade euch Gott.“ So habe sich der Schriftsteller Theodor Körner angeblich geäußert, wie aktuelle Beiträge auf Facebook (hier und hier) behaupten. Das vermeintliche Zitat kursiert in rechten und rechtsextremen Kreisen schon seit Jahren und wird offenbar genutzt, um Stimmung gegen die Regierung zu machen. Allein auf Facebook wurden die Beiträge mit dem angeblichen Zitat mehr als 14.000 Mal geteilt.

Doch es gibt keine Belege dafür, dass Körner sich so geäußert hat – er starb im Jahr 1813. Die Zeilen finden sich in fast gleichem Wortlaut in einem Gedichtband der rechtsextremen Schriftstellerin Renate Schütte.

Ein Screenshot eines Facebook-Beitrags mit dem angeblichen Zitat Körners
Theodor Körner verfasste patriotische Gedichte und Kriegslieder, den Regenten seiner Zeit stand er jedoch nicht kritisch gegenüber (Quelle: Facebook; Screenshot und Unkenntlichmachung: CORRECTIV.Faktencheck)

Laut Literaturwissenschaftler stammt das Zitat nicht von Theodor Körner 

Wir haben bei Google Scholar nach dem Zitat gesucht und sind auf den Aufsatz „Opfertod fürs Vaterland. Der literarische Agitator Theodor Körner“ von Erhard Jöst gestoßen. Jöst ist Literaturwissenschaftler und befasst sich seit den 1970er Jahren mit Theodor Körner. 

Das Zitat stamme nicht von Körner, schreibt Jöst. Es sei „eine Fälschung, die Körners agitatorischen Stil raffiniert imitiert.“ Auch inhaltlich passe das Zitat nicht zu dem Schriftsteller. Körner stand den adligen Regenten seiner Zeit nicht kritisch, sondern lobend gegenüber (Seite 30). „Theodor Körner hatte keine politische Konzeption, er träumte auch nicht von einer Revolution der Gesellschaftsordnung“, so Jöst.

Der Deutschen Presse Agentur (DPA) sagte Jöst zu dem Zitat: „Theodor Körner hat das nie geschrieben.“ Die Verse finde man weder in seinen Gedichten noch in seinen Dramen oder Prosa-Texten.

Theodor Körner von Rechtsextremen und Neonazis vereinnahmt

Der Schriftsteller Theodor Körner verfasste patriotische Gedichte und beteiligte sich freiwillig an den Kämpfen Preußens gegen Napoleon, während derer er jung verstarb. „Körners Ende ist der Anfang seiner enormen Wirkungsgeschichte“, schreibt Jöst in seinem Aufsatz (Seite 11). Er sei zu unterschiedlichen Zeiten für ganz unterschiedliche politische Zwecke vereinnahmt worden, von Militaristen über Nationalsozialisten bis hin zu Sozialisten in der DDR (Seite 24). 

Dass Theodor Körner bis heute ein Idol in rechtsextremen Kreisen ist, zeigt das angebliche Zitat. Laut Jöst kursierte es zum Beispiel 2012 auf einer Website der NPD, die mittlerweile nicht mehr online ist (Seite 29). Auch auf Plakaten bei Pegida-Demonstrationen war das Zitat zu sehen, etwa 2019 in Dresden

Zitat steht in Gedichtband einer rechtsextremen Schriftstellerin

Ein Aussteiger aus der Neonazi-Szene sagte gegenüber der DPA, die Verse seien nicht von Theodor Körner, sondern von der rechtsextremen Dichterin Renate Schütte. Bei Google findet sich ein Buch der Schriftstellerin: „Der Wind schlägt um. Gedichte“, erschienen in den 1970er Jahren beim „Kritik Verlag“ in Mohrkirch. Dieser ist bekannt für Holocaust-Leugnungen; unter anderem veröffentlichte der Verlag das Buch „Die Auschwitz-Lüge“. 

Der Name Renate Schütte taucht in mehreren Publikationen zum Rechtsextremismus in Deutschland auf. Laut dem Literaturwissenschaftler Hans-Joachim Hahn leugnet und verharmlost sie in ihren Gedichten den Holocaust (Seite 250). Der Politikwissenschafter Richard Stöss ordnet Schütte dem Rechtsextremismus der Nachkriegszeit zu (Seite 112). 

Das Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin verfügt über ein Exemplar des Buches von Schütte in der 3. Auflage. Wir haben bei Irmela Roschmann-Steltenkamp, Leiterin der Bibliothek des Zentrums, nachgefragt, ob die Zeilen tatsächlich von Schütte stammen und in ihrem Band enthalten sind. Roschmann-Steltenkamp bestätigte, dass die Zeilen in ähnlichem Wortlaut in dem Gedicht „Anklage“ von Schütte stehen. Als Beleg schickte sie uns ein Foto des Gedichts. 

Redigatur: Kimberly Nicolaus, Sarah Thust

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