Faktencheck

Keine Belege, dass die Ukraine Hilfsgelder an der Kryptobörse FTX verspekulierte

Im Netz kursiert ein Artikel des österreichischen Boulevardmediums Exxpress. Darin wird behauptet, die Ukraine habe mit Hilfsgeldern an der Kryptobörse FTX spekuliert. Da FTX inzwischen pleite ist, seien die Hilfsgelder „vernichtet“. Dafür gibt es keine Belege. Die beteiligten Firmen und das ukrainische Digitalministerium dementierten Gelder bei der Kyptobörse angelegt zu haben.

von Kimberly Nicolaus

Krypto-MÃ_nzen vor ukrainischer Flagge
Es wird behauptet, die Ukraine habe sich mit Krypto-Spenden an der Kryptobörse FTX verspekuliert, doch dafür gibt es keine Belege (Symbolbild: Picture Alliance / Daniel Kalker)
Behauptung
Die ukrainische Regierung habe Hilfsgelder an der Kryptobörse FTX verspekuliert, die jetzt pleite sei und das Geld somit „vernichtet“.
Bewertung
Unbelegt. Die Kryptobörse FTX war Teil einer Aktion des ukrainischen Digitalministeriums, die Spenden mittels Kryptowährungen ermöglicht. Es gibt keine Belege, dass Hilfsgelder dort angelegt wurden und durch die FTX-Pleite verschwunden sind. Das Ministerium und andere beteiligte Firmen dementieren den Vorwurf. FTX sei nur für die Umwandlung in konventionelle Währungen genutzt worden, das Geld sei anschließend an Hilfsorganisationen und die Nationalbank der Ukraine geflossen. Die Nationalbank bestätigte im März den Erhalt von Hilfsgeldern.

„Unfassbar! Dieser ukrainische Clown Selenskyj hat die Hilfsgelder an der Börse verspekuliert. Alle frischen Gelder sofort stoppen!“, heißt es in einem tausendfach geteilten Facebook-Beitrag. Dazu wird der Link und ein Foto eines Artikels des österreichischen Boulevardmediums Exxpress vom 13. November geteilt. Dessen Titel: „Kritik an Selenskyj: Hilfsgelder bei Bankrott der Krypto-Börse FTX vernichtet“. 

Anlass des Artikels ist die im November bekannt gewordene Insolvenz der Kryptobörse FTX. In dem Zusammenhang berichtet der Exxpress über die Spendenaktion „Aid for Ukraine“, bei der seit März Hilfsgelder in Kryptowährungen an die Ukraine gespendet werden können. Die an der Aktion beteiligte Kryptobörse FTX sollte angeblich die Hilfsgelder „vermehren“, behauptet der Exxpress. Nun sei das Geld „vernichtet“. Zudem bezieht sich der Exxpress auf eine US-amerikanische Radiosendung, laut der angeblich „Geldwäsche“ ukrainischer Hilfsgelder betrieben worden sei, durch die die Demokraten in den USA profitierten. 

Es gibt keine Belege, dass die Ukraine Hilfsgelder bei der Plattform angelegt und verloren hätte. Laut dem ukrainischen Digitalministerium wurden Spendengelder über die Kryptobörse FTX lediglich von Kryptowährungen in Fiatgeld, also die nationale Währung eines Landes, umgetauscht. Ein US-Regierungssprecher weist die international kursierende Behauptung über die angebliche „Geldwäsche“ zurück. 

Auf Facebook kursiert ein Ausschnitt eines Exxpress-Artikels, der behauptet, die Ukraine hätte mit Hilfsgeldern an der Kryptobörse FTX spekuliert und weil diese Bankrott ist, sei das Geld verloren. Dafür gibt es keine Belege. Die ukrainische Regierung hat laut eigener Aussage an dieser Börse kein Geld angelegt, sondern es nur umgetauscht.
Auf Facebook kursiert ein Ausschnitt eines Exxpress-Artikels, der behauptet, die Ukraine hätte mit Hilfsgeldern an der Kryptobörse FTX spekuliert und weil diese Bankrott ist, sei das Geld verloren. Dafür gibt es keine Belege. Die ukrainische Regierung hat laut eigener Aussage an dieser Börse kein Geld angelegt, sondern es nur umgetauscht. (Quelle: Facebook; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Die Kryptobörse FTX war an der Spendenaktion „Aid for Ukraine“ beteiligt, FTX meldete im November Insolvenz an

Am 14. März, wenige Wochen nach Ausbruch des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, gab der ukrainische Vize-Ministerpräsident und Digitalminister Mychajlo Fedorow auf Twitter die Spendenaktion „Aid for Ukraine“ („Hilfe für die Ukraine“) bekannt. Seitdem können auf einer speziellen Webseite des Ministeriums Spenden in Form von Kryptowährungen (Bitcoin, Tether, Terra, oder Ethereum) eingehen. Kryptowährungen existieren nur digital und sind nicht bei einer physischen Bank hinterlegt. Die Krypto-Spenden werden laut „Aid for Ukraine“ direkt an Hilfsorganisationen, verschiedene Ministerien sowie an die Nationalbank der Ukraine überwiesen. 

Die Aktion wurde laut der Webseite des ukrainischen Digitalministeriums in Zusammenarbeit mit dem Blockchain-Unternehmen Everstake, der Kryptobörse Kuna, beide aus der Ukraine, und der US-amerikanischen Kryptobörse FTX betrieben. Bis Anfang November war FTX als teilnehmender Partner auf der Webseite geführt, mittlerweile nicht mehr.

Über die Spendenaktion „Aid for Ukraine“ können Hilfsgelder in Kryptowährungen an die Ukraine gespendet werden. Die Kryptobörse FTX war bis zu ihrer Insolvenz am 11. November an dem Projekt beteiligt, wie eine archivierte Webversion zeigt.
Über die Spendenaktion „Aid for Ukraine“ können Hilfsgelder in Kryptowährungen an die Ukraine gespendet werden. Die Kryptobörse FTX war bis zu ihrer Insolvenz am 11. November an dem Projekt beteiligt, wie eine archivierte Webversion zeigt. (Quelle: aid-for-ukraine.io; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Wie mehrere Medien berichteten, meldete die Kryptobörse FTX Anfang November Insolvenz an. Das teilte FTX am 11. November auch auf Twitter mit. Am 13. Dezember klagte die US-Börsenaufsicht SEC den FTX-Gründer Sam Bankman-Fried wegen Betrugs an. Er habe Investoren mit falschen Versprechen in die Irre geführt und Gelder veruntreut. Der Gründer war einen Tag zuvor in den Bahamas festgenommen worden

Ukrainisches Digitalministerium: Spendengelder wurden nicht an der Kryptobörse FTX angelegt, sondern nur getauscht

Es gibt keine Belege für die Behauptungen, die Ukraine habe sich an der Kryptobörse „verspekuliert“. Das ukrainische Digitalministerium sowie die beteiligten Firmen Kuna und Everstake dementieren, dass Hilfsgelder an der Kryptobörse FTX angelegt worden seien. 

Der stellvertretende ukrainische Minister für digitale Transformation, Alex Bornyakow, schrieb am 14. November auf Twitter, dass die Ukraine keine Gelder bei FTX investiert habe. Man habe FTX genutzt, um Kryptopspenden in nationale Währungen umzuwandeln. Laut dem Gründer der ukrainischen Kryptobörse Kuna, Michael Chobanian, gebe es eine Menge Verschwörungen um „Aid for Ukraine“ und FTX. Auch er betont, es seien „keine Kryptowährungen auf FTX gespeichert“ worden. 

Das Blockchain-Unternehmen Everstake schrieb am 15. November zudem auf Twitter, dass die Kryptobörse FTX nur wenige Male im März genutzt worden sei, um Krypto-Spenden in konventionelle Währungen umzuwandeln. Die Nationalbank der Ukraine habe den Empfang der Spenden bestätigt. 

Tatsächlich meldete die Nationalbank am 11. März, dass von den bis dato „1.455.965 Millionen Dollar gesammelten Spenden eine Million US-Dollar bereits auf dem Konto der Nationalbank eingegangen“ seien.

Laut einem Twitter-Beitrag von „Aid for Ukraine“ seien 54 Millionen der bisher eingenommenen 60 Millionen Dollar Spenden für humanitäre und militärische Zwecke verwendet worden. Der aktuellste Bericht auf der Webseite ist von Juli. Schon am 17. August teilte der Digitalisierungsminister eine Übersicht, wofür man die 54 Millionen Dollar eingesetzt habe: Unter anderem für militärische Ausrüstung und Medikamente. 

Auf Facebook kursiert ein Ausschnitt eines Exxpress-Artikels, der behauptet, die Ukraine hätte mit Hilfsgeldern an der Kryptobörse FTX spekuliert und weil diese Bankrott ist, sei das Geld verloren. Dafür gibt es keine Belege. Die ukrainische Regierung hat laut eigener Aussage an dieser Börse kein Geld angelegt, sondern es nur umgetauscht.
Auf Facebook kursiert ein Ausschnitt eines Exxpress-Artikels, der behauptet, die Ukraine hätte mit Hilfsgeldern an der Kryptobörse FTX spekuliert und weil diese Bankrott ist, sei das Geld verloren. Dafür gibt es keine Belege. Die ukrainische Regierung hat laut eigener Aussage an dieser Börse kein Geld angelegt, sondern es nur umgetauscht. (Quelle: Facebook; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Übrigens: Der Exxpress verweist in seinem Artikel auch auf einen Bericht der Plattform „CoinDesk“ von Anfang März, laut dem wenige Stunden nach Start der Spendenaktion schon ein Großteil der Summe „eingezahlt worden“ seien. Aus dem Bericht geht klar hervor, dass die Kryptobörse FTX die Krypto-Beiträge nur umwandle, um sie anschließend bei der Nationalbank der Ukraine einzuzahlen.

Wir haben die Nationalbank der Ukraine und die Kryptobörse FTX kontaktiert und um eine aktuelle Stellungnahme zu den Behauptungen über die angebliche Veruntreuung und den Verlust von Krypto-Spenden gebeten. Bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung haben wir jedoch keine Rückmeldungen erhalten. 

Keine Belege für angeblichen „Geldwäscheprozess“ und Unterstützung der Demokraten in den USA

Das Gerücht um die angebliche Veruntreuung von Hilfsgeldern über FTX wurde zuerst in den USA verbreitet. Am 11. November veröffentlichte die US-amerikanische Radiosendung „Hal Turner Radio Show“ einen Beitrag, laut dem „Geldwäsche“ betrieben worden sei, indem Gelder in die Ukraine geschickt und dann über FTX an die Demokraten in den USA zurückgeschleust worden seien. Hal Turner ist bekannt dafür, Hass und Verschwörungstheorien zu verbreiten. Exxpress griff die vermeintliche Meldung von Hal Turner auf, so schwappte die Behauptung in den deutschsprachigen Raum.

Ein Sprecher des Pentagon sagte gegenüber der AFP, für den Vorwurf gebe es keine Beweise. Ein Experte für Außenpolitik sagte gegenüber USA Today zudem, dass alle offiziellen US-Hilfen, die an die Ukraine geschickt werden, über offizielle Kanäle laufen müssten und nicht mit einer Kryptowährungsfirma wie FTX in Verbindung gebracht würden. Es gebe keine Belege dafür, dass FTX die Krypto-Spenden aus den USA für die Demokraten gewaschen habe. 

Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.

Redigatur: Matthias Bau, Sophie Timmermann 

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Tweet der Kryptobörse FTX über die Insolvenzanmeldung, 11. November 2022: Link (archiviert)
  • Tweet von Everstake, 15. November 2022: Link (archiviert)
  • Tweet von Alex Bornyakow, stellvertretender ukrainischer Minister für digitale Transformation, 14. November 2022: Link (archiviert)
  • Tweet von Michael Tschobanian, Gründer der Kryptobörse Kuna, 13. November 2022: Link (archiviert)