Faktencheck

Sharepic aus 2018 taucht 2022 wieder auf: Nein, Deutsche Bank, Siemens und Co. bauen nicht tausende Stellen ab

Ein vier Jahre altes Sharepic über den Stellenabbau bei bekannten deutschen Firmen kursiert im Jahr 2022 erneut. Die genannten Unternehmen Siemens, Deutsche Bank, Opel, Telekom und Volkswagen dementieren.

von Gabriele Scherndl

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Dieses Sharepic macht seit 2018 die Runde, nun kursiert es erneut. Die Behauptung über den angeblichen Stellenabbau bei den deutschen Firmen ist falsch. (Quelle: Facebook; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Telekom, Siemens, Opel, Volkswagen und die Deutsche Bank entließen tausende Mitarbeiter.
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Frei erfunden. Nach eigenen Angaben hat Siemens dieses Jahr Stellen aufgebaut, die Deutsche Bank hat etwa 1.500 Stellen zugelegt. Laut der Telekom ist die Behauptung zum angeblichen Stellenabbau „komplett falsch”, Volkswagen spricht von einem „älteren Gerücht“ und auch Opel baue nicht in dem Ausmaß Personal ab.

Hinweis vom 4. März 2024: Der Faktencheck spiegelt den Stand von Dezember 2022 wieder. In den Monaten und Jahren danach gab es mehrere Berichte, laut derer in den genannten Unternehmen Stellen abgebaut werden – allerdings nicht in dem Ausmaß, wie im Sharepic angegeben.

Telekom, Siemens, Volkswagen, Opel, die Deutsche Bank: Sie alle sollen reihenweise tausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen, wird momentan auf einem Sharepic in Sozialen Netzwerken behauptet. Dort steht weiter: „Und Deutschland schreit nach ausländischen Fachkräften!?“ Mal auf dunklem, mal auf hellem Hintergrund kursiert das Sharepic mindestens seit Dezember 2018. 

Unsere Recherche zeigt: Es gibt Hinweise, dass die Zahlen vom angeblichen Stellenabbau erfunden sind. Wir haben die genannten Firmen kontaktiert. Sie alle dementieren einen aktuellen Stellenabbau in der Größenordnung.

In einem Sharepic wird behauptet, große deutsche Firmen würden tausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen.
Ein jahrealtes Sharepic macht seit Ende November wieder die Runde in Sozialen Netzwerken. (Quelle: Facebook; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Genannte Zahlen existieren in Medienberichten – kein Bezug zur aktueller Lage

Eine erste Internetrecherche mit dem Namen des jeweiligen Unternehmens und der angeblichen Zahl an entlassenen Arbeitskräften führt zu mehreren Medienberichten, in denen die genannten Zahlen tatsächlich vorkommen. Sie stehen jedoch in keinem Bezug zur aktuellen Lage, in einigen geht es nicht einmal um den Abbau von Stellen. 

Zur Telekom etwa gab es 2016 Berichte über einen Unternehmensumbau, der 15.000 Mitarbeitende betreffen würde – ein Stellenabbau sei aber nicht geplant. Laut Berichten wollte Siemens 2017 längerfristig 7.000 Mitarbeitende abbauen und 2021 wurde bekannt, dass das Unternehmen einen Geschäftsbereich abspalten werde, das betreffe etwa 7.000 Mitarbeitende – allerdings weltweit und nicht wie in den im Netz kursierenden Beiträgen suggeriert nur in Deutschland.

Bei Opel geht die Zahl von 4.000 wohl auf das Jahr 2018 zurück, damals hieß es von einem Betriebsratsvorsitzenden, so viele Mitarbeitende würden das Unternehmen bis zum Jahr 2020 verlassen. Bei Volkswagen dachte der damalige Chef Herbert Diess, laut Medienberichten aus dem vergangenen Jahr, über den Abbau von bis zu 30.000 Stellen nach, wenig später dementierte er derartige Pläne aber. In Bezug auf die Deutsche Bank gab es 2018 Berichte über einen Abbau von 7.000 Stellen.

Unternehmen dementieren Stellenabbau in dieser Höhe

Nachdem das Sharepic nun wieder kursiert, haben wir bei allen genannten Firmen angefragt, ob und wie viele Stellen sie im Jahr 2022 abgebaut haben. 

Für das Unternehmen Siemens, von dem behauptet wird, es habe 7.000 Stellen abgebaut, antwortete uns Pressesprecher Florian Martens: „Die Meldung ist falsch. Wir haben 2022 Stellen aufgebaut, nicht abgebaut.“ 

Ähnliches kommt von der Deutschen Bank. Per E-Mail schickte uns Sprecher Christian Streckert die Entwicklung der Personalzahlen: In Vollzeitstellen umgerechnet, stieg die Zahl der Mitarbeitenden von 82.969 Ende 2021 auf 84.556 im dritten Quartal 2022. Diese Zahlen sind auch in der Finanzdatenbeilage der Deutschen Bank nachzulesen. 

Telekom-Sprecher Christian Schwolow sagte uns am Telefon, die Behauptung im Sharepic, man habe 15.000 Mitarbeitende entlassen, sei „komplett falsch“. Natürlich würde sich der Personalstand durch die Altersstruktur im Konzern und durch Verkäufe verringern, man habe aber auch zahlreiche Positionen offen. Zahlen für die Personalentwicklung 2022 würden noch nicht vorliegen. Von 2020 auf 2021 (PDF-Dateien; Download) ist die Zahl der Beschäftigten laut dem Personalbericht von 89.032 auf 85.160 Beschäftigte in Deutschland gesunken.

Beschäftigtenzahlen stabil, Volkswagen spricht von „älterem Gerücht“

Für Opel meldet sich Sprecher Andreas Steiner per E-Mail. Er erklärt, dass Opel seine „Freiwilligenprogramme“ für bis zu 1.000 weitere Beschäftigte in Deutschland geöffnet habe – das bedeutet laut dem Handelsblatt: Der Konzern darf bis Ende dieses Jahres maximal 1.000 Jobs über Altersteilzeit, Vorruhestand oder Abfindungen streichen. Außerdem gelte bis Mitte 2027 eine „tarifvertraglich vereinbarte Beschäftigungssicherung“, schreibt der Sprecher. Personalzahlen für Opel legte er nicht vor, jedoch die Deutschland-Zahlen des Stellantis-Konzerns, dem Mutterkonzern Opels. Sie waren von Ende 2020 zu Ende 2021 an allen Standorten stabil.

Sprecherin Alexandra Bakir von Volkswagen nennt zwar keine konkreten Zahlen für das Jahr 2022, schreibt aber, das Unternehmen habe eine „normale Personalfluktuation“ bei gleichzeitigem Auf- und Abbau von Beschäftigung. Die Behauptung über 30.000 Entlassene sei ein „älteres Gerücht“. Bakir verweist darauf, dass bei Volkswagen bis Ende 2029 eine Beschäftigungssicherung gilt. Das bedeutet laut der Industriegewerkschaft Metall einen „weitreichenden Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen“. Aus den Geschäftsberichten von Volkswagen ist ersichtlich, dass die Zahl der im Durchschnitt in Deutschland unter Vertrag stehenden Personen von 2020 bis 2021 relativ stabil blieb.

Fazit: Wer das Sharepic mit den falschen Zahlen zum Stellenabbau großer deutscher Unternehmen ursprünglich verbreitet hat, ist unklar. Aktuell sind die Zahlen aber nicht, sie kursieren seit Jahren immer wieder im Netz. 

Wie wir bereits in einem Faktencheck berichteten, wird in pro-russischen Kanälen öfter das Narrativ verbreitet, dass die Energiekrise oder die Hilfe für die Ukraine zur Zerstörung der Industrie in Deutschland führe. So veröffentlichten einige gefälschte Facebook-Seiten im November und Dezember Beiträge mit Falschinformationen über angebliche Standortschließungen oder Konkurse großer deutscher Firmen.

Einige dieser Beiträge wurden sogar als bezahlte Werbung auf Facebook verbreitet, das ist allerdings bei diesem Sharepic laut unseren Recherchen nicht der Fall.

Redigatur: Kimberly Nicolaus, Sarah Thust