Faktencheck

Silvester in Berlin: Gewalt-Video aus Schöneberg ist nicht aktuell, sondern vier Jahre alt

Im Internet kursiert das Video eines Polizeieinsatzes, das in der vergangenen Silvesternacht in Berlin aufgenommen worden sein soll. Zu sehen sind aber Ausschreitungen vom Jahreswechsel 2018/2019, nicht jene vom vergangenen Silvester.

von Gabriele Scherndl

titelbild-silvester-berlin-schoeneberg
Nutzerinnen und Nutzer behaupten, dieses Video zeige die vergangene Silvesternacht. Die Aufnahmen stammen allerdings vom Jahreswechsel 2018/2019, auch damals kam es zu Auseinandersetzungen in Berlin-Schöneberg. (Quelle: Facebook; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Ein Video zeige Auseinandersetzungen der Polizei mit einer Gruppe Menschen in Berlin in der Silvesternacht 2022/2023.
Bewertung
Falscher Kontext
Über diese Bewertung
Falscher Kontext. Das Video entstand zwar in Berlin, allerdings schon vor vier Jahren, es ist nicht aktuell.

Seit dem Jahreswechsel debattiert Deutschland über die eskalierte Silvesternacht in Berlin. Laut Medienberichten hatten Menschen Einsatzkräfte mit Böllern attackiert und Dutzende verletzt. Die Ausschreitungen sind mit zahlreichen Videos belegt, die Medien seither veröffentlicht haben. Von den 145 zwischenzeitlich festgenommenen Personen haben, so zitieren Medien die Polizei, zwei Drittel nicht die deutsche Staatsbürgerschaft. Diskutiert wird nun also über zweierlei: weitere Böller-Verbotszonen und Integration

Doch die Diskussion wird auch mit Falschinformationen angeheizt. Einige Videos, die momentan die Runde machen, sind veraltet. Eines stammt etwa aus Hongkong und wurde schon 2019 aufgenommen, wie wir in einem Faktencheck berichteten. Das Faktencheck-Team der DPA veröffentlichte einen Text über ein Video vom Jahreswechsel 2015/2016, das ebenfalls erneut verbreitet wird. 

Ein weiteres Video, das auf Facebook und Telegram kursiert, zeigt zwar tatsächlich Berlin, ist aber schon vier Jahre alt. Manche Nutzerinnen und Nutzer behaupten, es sei aktuell. Ein Beitrag der ehemaligen Tagesschau-Sprecherin Eva Hermann dazu wurde auf Telegram 125.000 Mal gesehen.

Der Screenshot eines Facebook-Beitrags. Darin wird ein Video von Epoch Times geteilt.
Ein Nutzer behauptet, dieses Video stamme vom Jahreswechsel 2022/2023 in Berlin. Das stimmt nicht, es ist vier Jahre alt. (Quelle: Facebook; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Mehrere Medien veröffentlichten das Video schon im Januar 2019

In den Videos ist das Logo der Epoch Times eingeblendet, ein Medium, das dem rechten Spektrum zugeordnet wird. Über eine Google-Suche stoßen wir auf den Originalbeitrag auf der Webseite der Epoch Times. Er stammt vom 5. Januar 2019. 

Auch andere Medien berichteten über die Aufnahme, so schrieb etwa die Bild am 3. Januar 2019 über „heftige Gewaltexzesse gegen die Berliner Polizei“. Polizeikräfte und Fahrzeuge seien mit Feuerwerkskörpern beschossen worden, die Polizei habe 27 Menschen festgenommen. Die FAZ veröffentlichte das Video Anfang 2019 und schrieb, im Berliner Steinmetzkiez in Schöneberg seien laut Polizei zwei Jugendliche wegen schweren Landfriedensbruchs festgenommen worden. Ob die Szene diesen Vorgang zeige, sei noch nicht endgültig geklärt, heißt es weiter. Die Polizei zweifle aber nicht an der Echtheit des Videos.

Links ein Ausschnitt aus dem Video, rechts Bilder von Google Maps. Am Gebäude und dem Namen der Kneipe ist zu erkennen, dass das Video tatsächlich in Berlin entstand.
Links ein Ausschnitt aus dem Video, rechts Bilder von Google Maps. Am Gebäude und dem Namen der Kneipe ist zu erkennen, dass das Video tatsächlich in Berlin entstand. (Quellen: Facebook, Google Maps; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

In den Videos, die aktuell auf Facebook und Telegram verbreitet werden, sieht man ab Minute 1:35 immer wieder das Schild einer Kneipe. Es handelt sich dabei um die Sportkneipe Kupferkanne, sie befindet sich in Berlin-Schöneberg an der Ecke Steinmetzstraße/Alvenslebenstraße. Das Video wurde also tatsächlich in Berlin aufgenommen, es stammt aber vom Jahreswechsel 2018/2019.

Redigatur: Matthias Bau, Viktor Marinov

Update, 18. Januar 2023: Mehrere Medien aktualisierten ihre Angaben über die Silvesternacht. Laut Tagesspiegel wurden 44 Personen wegen Delikten auf Einsatzkräfte erfasst, davon hätten 15 eine deutsche Staatsbürgerschaft, 10 eine Doppelstaatsbürgerschaft, 19 der 44 Personen seien keine Deutschen. Auch diese Zahlen seien aber als „vorläufig zu betrachten“, sagte ein Polizeisprecher dem Tagesspiegel. Die Zahl von 145 Festgenommenen habe sich auch auf andere Delikte bezogen, nicht nur auf Angriffe gegen Einsatzkräfte.

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Artikel der FAZ vom 3. Januar 2019: Link
  • Artikel der Epoch Times vom 5. Januar 2019: Link (archiviert)