Faktencheck

Berlin: In Moabiter Wahllokal fehlte Schlüssel für Urnenschloss – nach 22 Minuten war das Problem behoben

Ein Tiktok-Nutzer behauptet, er habe bei der Berlin-Wahl nicht wählen können, weil das Schloss zur Urne gefehlt habe. Von der Landeswahlleitung und vom Bezirk heißt es: Der Schlüssel sei nicht auf Anhieb gefunden worden – 14 Minuten nach Wahllokal-Öffnung sei aber ein Ersatzschloss inklusive neuem Schlüssel geliefert worden. Ab 8:22 Uhr hätten dann alle Anwesenden wählen können.

von Gabriele Scherndl

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Am 12. Februar 2023 wurde die Berlin-Wahl wiederholt. Beim ersten Wahltermin im September 2021 gab es zahlreiche Pannen. (Quelle: Wolfgang Kumm / Picture Alliance / DPA)
Behauptung
Ein Tiktok-Nutzer habe bei der Berlin-Wahl nicht wählen können, weil in einem Wahllokal in Moabit das Schloss für die Urne gefehlt habe. Über eine Stunde habe man kein Schloss auftreiben können.
Bewertung
Teilweise falsch
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Teilweise falsch. Laut Landeswahlleitung und dem Bezirksamt Berlin Mitte fehlte zwar zu Beginn der Schlüssel, nach 14 Minuten sei aber ein neues Schloss samt Schlüssel gebracht worden. Ab 8:22 Uhr sei die Stimmabgabe dann ordnungsgemäß möglich gewesen.

„Pannen über Pannen“, steht in einem Tiktok-Video, das fast 200.000 Menschen angezeigt wurde. Ein Mann erzählt darin von seiner Erfahrung bei der Wiederholungswahl in Berlin am 12. Februar: Er habe in einem Wahllokal in Berlin-Moabit nicht wählen können, weil es kein Schloss für die Wahlurne gegeben habe. Das Video wurde auch auf anderen Kanälen in Sozialen Netzwerken verbreitet.

Die Landeswahlleitung ist dafür zuständig, zu kontrollieren, ob die Wahl in Berlin korrekt abgelaufen ist. Auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck stellt die Wahlleitung die Lage anders dar: Ja, zu Beginn habe man in dem Wahllokal zwar den Schlüssel zum Vorhängeschloss nicht gefunden, sodass es nicht an der Urne angebracht werden konnte. 14 Minuten nach Wahlbeginn sei aber ein neues Schloss samt Schlüssel gebracht worden. Alle, die wollten, hätten dann auch ab 8.22 Uhr wählen können, heißt es vom zuständigen Bezirksamt.

Screenshot eines Tiktok-Videos, in dem es um die Wiederholung der Berlin-Wahl geht.
Ein Tiktok-Nutzer behauptet, er habe wegen einer organisatorischen Panne bei der Wahlwiederholung in Berlin nicht wählen können. Laut Landeswahlleitung stimmt das so nicht. (Quelle: Tiktok; Screenshot / Schwärzungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Landeswahlleitung bestätigt fehlenden Schlüssel, nach 14 Minuten sei aber ein neues Schloss gebracht worden

Eine Wahl, die nicht reibungslos funktioniert, ist brisant, besonders im Fall der Berlin-Wahl am 12. Februar 2023. Denn die war eine Wiederholung der eigentlichen Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen im September 2021. Diese erklärte der Berliner Verfassungsgerichtshof für ungültig, weil es so viele Pannen gab, dass damit das Ergebnis in Zweifel stand.

Dementsprechend verstimmt reagierten Nutzerinnen und Nutzer auf das Tiktok-Video eines Mannes, der behauptet, er habe wegen einer Unregelmäßigkeit im Wahllokal nicht wählen können. Als Grund nennt der Ersteller des Videos ein fehlendes Schloss für die Urne. „Seit einer Stunde warten die auf das Vorhängeschloss“, sagt er. Das Video wurde am 12. Februar 2023 um 8:45 Uhr auf Tiktok hochgeladen – also eine Dreiviertelstunde nachdem die Wahllokale geöffnet hatten. Er müsse nun zur Arbeit – ohne dass er seine Stimme abgeben konnte, sagt der Mann.

Er nennt im Video die Nummer des Wahlkreises: Es soll sich um das Lokal mit der Nummer 416 in Moabit handeln. Das ist die Heilige-Geist-Kirche in der Moabiter Perleberger Straße, wie uns ein Sprecher des Bezirksamt Berlin Mitte sagt. Der Vergleich mit Bildern auf Google Maps zeigt, dass das Video tatsächlich dort aufgenommen wurde. 

Das Video wurde tatsächlich in Berlin-Moabit aufgenommen, wie ein Vergleich mit Aufnahmen von Google Maps zeigt
Das Video wurde tatsächlich in Berlin-Moabit aufgenommen, wie ein Vergleich mit Aufnahmen von Google Maps zeigt (Quellen: Tiktok, Google Maps; Screenshot, Collage und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Wir haben das Video auch dem Landeswahlleiter geschickt und nachgefragt, ob in diesem Wahllokal Unregelmäßigkeiten auffielen und ob die Urne ordnungsgemäß verschlossen gewesen sei. Der Sachverhalt sei bekannt, schreibt Timon Richter, Mitarbeiter in der Geschäftsstelle. Er erklärt den Ablauf so: Das Wahllokal habe pünktlich um 8 Uhr geöffnet, aber die Bezirkswahlleitung sei informiert worden, dass der Schlüssel zum Vorhängeschloss der Urne nicht auffindbar gewesen sei. Somit konnte die Urne nicht ordnungsgemäß verschlossen werden. Um 8:14 Uhr sei dann aber ein neues Schloss samt Schlüssel in das Wahllokal gebracht worden. „Zu diesem Zeitpunkt standen drei bis vier Wähler vor dem Wahllokal, die dann in das Wahllokal gingen und ordnungsgemäß wählen konnten“, schreibt Richter.

Diese Darstellung bestätigt auch Christian Zielke, Sprecher im zuständigen Bezirksamt Berlin-Mitte. Er sagt, nachdem um 8:14 Uhr das neue Schloss gebracht worden sei, hätte um 8:22 Uhr die Stimmabgabe begonnen. Das sei „ärgerlich und bedauerlich“ und „sollte nicht passieren“, aber niemand habe „stundenlang warten müssen“, sagt er uns am Telefon und widerspricht somit der Darstellung des Tiktok-Nutzers.

Landeswahlordnung legt fest, dass Wahlurnen verschlossen sein müssen

Immer wieder tauchen nach Wahlen Bilder von vermeintlich manipulierten Wahlurnen auf. Nach den Wahlen im September 2021 etwa kursierten Bilder einer Wahlurne mit aufgeschnittenem Papiersiegel. Wie in unserem Faktencheck nachzulesen ist, war das aber kein Problem: Das Siegel stammte von einer alten Wahl, die Urne war dennoch verschlossen.

In der Berliner Landeswahlordnung sind die Details dazu geregelt, wie eine Wahlurne verschlossen sein muss: „Vor Beginn der Wahl hat der Wahlvorstand sich davon zu überzeugen, dass die Wahlurne leer ist; sie ist sodann zu verschließen. Den Schlüssel nimmt der Wahlvorsteher oder die Wahlvorsteherin an sich.“ Ergänzend schilderte uns Timon Richter von der Landeswahlleitung: „Wenn die Schlüssel fehlen, kann eine Urne auch durch Klebesiegel verschlossen werden.“

Nach der Wahlwiederholung am 12. Februar deutete alles zunächst auf eine weitgehend pannenfreie Wahl hin. Zwei Tage nach der Wahl wurde aber klar: Laut mehreren Medienberichten wurden einige hunderte Briefwahlstimmen nicht ausgezählt, das solle noch nachgeholt werden. Die SPD landete bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus mit nur 105 Stimmen vor den Grünen auf Platz zwei, am meisten Stimmen erhielt die CDU. 

Redigatur: Steffen Kutzner, Uschi Jonas