Hintergrund

Diese Falschinformationen und irreführenden Gerüchte kursieren über die Bundestagswahl 2021

Vor und während der Bundestagswahl wurde in Sozialen Netzwerken vor allem über angebliche Hinweise auf Wahlbetrug spekuliert. CORRECTIV.Faktencheck hat zahlreiche irreführende Behauptungen und Falschmeldungen überprüft. Ein Überblick.

Bundestagswahl
Die Bundestagswahl 2021 war begleitet von Behauptungen über angebliche Wahlfälschung (Foto: picture alliance /DPA / Paul Zinken)

Kurz vor der Bundestagswahl und am Wahltag selbst wurden auf Facebook, Twitter und in dem Messenger Telegram zahlreiche Gerüchte verbreitet. Darunter waren angebliche Hinweise auf Wahlbetrug, die sich jedoch bei der Recherche als haltlos herausstellten. Auch Falschinformationen über den Wahl- und Auszählungsprozess waren dabei. Manchmal handelte es sich um Desinformation, teils aber auch um mutmaßliche Missverständnisse aus Unkenntnis über den Wahlprozess.

Unsere Faktenchecks zur Bundestagswahl im Überblick:

1. Behauptung: Wenn die obere Ecke des Stimmzettels abgeschnitten ist, sei er ungültig

Bewertung: Falsch. Die fehlende Ecke dient dazu, dass der Stimmzettel richtig in eine Stimmzettelschablone für Menschen mit Sehbehinderung gelegt werden kann. Der Stimmzettel ist gültig. Hier mehr lesen

2. Behauptung: Die ARD blendete schon Freitag die Ergebnisse der Bundestagswahl ein, also habe das Ergebnis vor der Wahl festgestanden

Kurz vor der Bundestagswahl geschieht der ARD ein Fehler. In einer Game-Show wurden für ein paar Sekunden vorläufige Wahlergebnisse am unteren Bildschirmrand eingeblendet. Bilder davon verbreiteten sich schnell auf Twitter und Facebook und schürten Spekulationen über Wahlbetrug.

Bewertung: Die Behauptung, das Ergebnis habe schon vorab festgestanden, ist falsch. Es handelte sich um einen technischen Test; die Wahlergebnisse, die eingeblendet wurden, waren von der ARD erfunden. Hier mehr lesen

3. Behauptung: Die diesjährigen Bundestagswahlen würden nur von vier OSZE-Beobachtern begleitet, 2017 seien es noch 59 Beobachter gewesen

Das russische Medium RT DE behauptet, die OSZE entsende in diesem Jahr viel weniger Wahlbeobachter zur Bundestagswahl nach Deutschland als 2017 und suggeriert, dies sei ein Problem. Der Bericht lässt jedoch entscheidende Details aus.

Bewertung: Teilweise falsch. Die zuständige Abteilung der OSZE entsendet seit mehreren Jahren lediglich kleine Expertenteams zu den Wahlen nach Deutschland. 2017 bestand das Team aus drei Personen, 2021 sind es vier. Ein zusätzlicher Sonderbesuch von 56 Mitgliedern der Parlamentarischen Versammlung der OSZE 2017 war keine reguläre Beobachtungsmission, sondern hatte vor allem Symbolcharakter. Hier mehr lesen 

4. Behauptung: SPD und Grüne würden versuchen, insgeheim Saskia Esken statt Olaf Scholz als Bundeskanzlerin einzusetzen

Bewertung: Frei erfunden. Die Behauptung entstand auf Grundlage eines fiktiven Szenarios in einem Medienartikel des Focus. Die Parteien dementieren. Hier mehr lesen

5. Behauptung: Eine „Antifa UG“ verschicke eine Vergütungstabelle für den „Einsatz am Wahlsonntag“

Bewertung: Frei erfunden. Das angebliche Schreiben ist eine Fälschung und kursiert seit Jahren. Hier mehr lesen

Dieses angebliche Schreiben einer „Antifa UG“ kursiert aktuell im Netz. Es handelt sich um eine Fälschung. (Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

6. Behauptung: Ein Video zeige, dass man eine Wahlurne an der Rückseite aufhebeln könne, daher sei Wahlbetrug in Deutschland ganz einfach

Bewertung: Falsch. Das Video ist kein Beleg für Wahlbetrug. Wahlurnen in Deutschland können unterschiedlich aussehen. Wichtig ist: Die Urne darf laut Bundeswahlordnung nie unbeobachtet und nicht für etwaige Manipulationsversuche zugänglich sein. Hier mehr lesen

Wahlurne
Ein Video auf Telegram zeigt, wie ein Mann eine Wahlurne aufbricht. Die Urnen für die Bundestagswahl dürfen aber nie unbeobachtet und auch nicht für etwaige Manipulationsversuche zugänglich sein (Quelle: Telegram / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

7. Behauptung: Eine Studie beweise, dass Wahlfälschung in Deutschland keine Ausnahme, sondern die Regel sei

Seit Jahren wird immer wieder eine wissenschaftliche Analyse als angeblicher Beweis herangezogen, dass bei den Bundestagswahlen zwischen 1990 und 2005 „systematisch manipuliert“ worden sei. Die Analyse hat den Titel „Auf der Suche nach Wahlunregelmäßigkeiten in einer etablierten Demokratie: Die Anwendung des Benford’s Law Test auf Bundestagswahlen in Deutschland“ und wurde 2011 von den Politikwissenschaftlern Achim Goerres und Christian Breunig verfasst. 

Bewertung: Die Behauptung ist falsch. Die Ergebnisse der mathematischen Analyse werden seit Jahren falsch interpretiert. Die Autoren haben keine Hinweise auf systematischen Wahlbetrug bei Bundestagswahlen geliefert. Hier mehr lesen

8. Behauptung: Stimmen, die per Bleistift abgegeben werden, seien ungültig

Bewertung: Falsch. Auch mit Bleistift abgegebene Stimmen sind laut Bundeswahlleiter gültig. Hier mehr lesen

9. Behauptung: In Berlin seien Briefwahlstimmen schon am Sonntagvormittag ausgezählt worden, bevor die Wahllokale geschlossen hatten

Auf Twitter wird ein Blog-Artikel verbreitet, in dem als Quelle für die Behauptung eine seit 1992 nicht mehr existierende Nachrichtenagentur der DDR angegeben wird.

Bewertung: Falsch. Der Sprecher der Landeswahlleiterin Berlin widerspricht der Behauptung – die Briefwahlstimmen würden in Berlin genauso ausgezählt wie überall: Die roten Wahlbriefe werden etwa ab 15 Uhr am Wahltag geöffnet, die blauen Stimmzettelumschläge vom Wahlschein getrennt und ungeöffnet in eine Urne geworfen. Ab 18 Uhr werden die Stimmen ausgezählt. Hier mehr lesen

10. Behauptung: Das Ergebnis der Bundestagswahl stehe bereits fest, weil im Zusammenhang mit der Briefwahl eine „Wahlbetrugs-Software“ im Einsatz sei

Bewertung: Falsch. In Deutschland ist lediglich zur Übermittlung von vorläufigen Wahlergebnissen Software im Einsatz. Damit werden alle Stimmen übermittelt, nicht nur Briefwahlstimmen. Etwaige Manipulationen der Software würden bei der Ermittlung des amtlichen Endergebnisses auffallen, da hierfür keine IT im Einsatz ist. Hier mehr lesen

11. Behauptung: Eine Wahlurne mit geöffnetem Siegel in Preußisch Oldendorf sei ein Beleg für Wahlbetrug

Vor allem auf Telegram werden zwei Fotos einer Wahlurne verbreitet. Aus der Tatsache, dass das Papiersiegel daran zerrissen ist, wird ein Hinweis auf Wahlbetrug abgeleitet. 

Bewertung: Die Behauptung ist falsch. Das Siegel stammt laut dem Bürgermeister der Stadt von einer vorigen Wahl, die Urne war die ganze Zeit verschlossen. Siegel an Wahlurnen sind nicht vorgeschrieben. Hier mehr lesen 

Die Urne
Dieses Foto eines gebrochenen Siegels an einer Wahlurne wird im Netz als vermeintlicher Beleg für Wahlbetrug verbreitet (Quelle: Telegram / Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

12. Behauptung: Dass in Göttingen auf Auszählungslisten die AfD fehlte, sei ein Hinweis auf Wahlbetrug

Bewertung: Fehlender Kontext. Tatsächlich fehlte die AfD auf den Auszählungslisten der Wahlhelfenden – diese wurden aber laut Medienberichten noch vor 18 Uhr ausgetauscht. Stimmen für die Partei wurden regulär gezählt, wie sich dem Wahlergebnis der Stadt Göttingen entnehmen lässt. Hier mehr lesen

13. Behauptung: Ein Video zeige, dass in einem Wahllokal in Umkirch die Urne nicht ausreichend versiegelt war

In Sozialen Netzwerken kursiert seit dem Tag der Bundestagswahl ein Video aus einem Wahllokal in Umkirch in Baden-Württemberg. Ein Mann betritt den Raum offenbar mit versteckter Kamera und filmt auch die Wahlkabine, was eigentlich verboten ist. Er behauptet unter anderem, die Urne sei nicht ausreichend versiegelt und die Stimmzettel seien ungültig, weil die obere Ecke abgeschnitten ist.

Bewertung: Falsch. Die Urne, die in dem Video zu sehen ist, ist auf einer Seite versiegelt. Stimmzettel ohne Ecke sind gültig. Laut Bundeswahlleiter müssen Wahlurnen nicht versiegelt sein, sondern nur verschlossen. Entscheidend ist, dass Urnen vor Fremdzugriff geschützt sind und nicht unbeobachtet stehen. Hier mehr lesen

14. Behauptung: Wahlurnen ohne Siegel seien nicht zulässig

Auf Telegram kursieren bei der Bundestagswahl verschiedene Bilder von Wahlurnen, die nicht versiegelt wurden. Das sei ein Hinweis für Wahlbetrug, wird spekuliert.

Bewertung: Falsch. Die Fotos belegen keinen Wahlbetrug und Wahlurnen müssen nicht versiegelt sein. Sie müssen verschlossen werden und vor Fremdzugriff geschützt sein. Hier mehr lesen

Diese Übersicht wird von uns fortlaufend ergänzt.